Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Feldbereinigung (A. Bayern — B. Württemberg) 
  
BH zulässig. Insoweit der Endentscheid die 
Vermessung der Grundstücke oder den Verteilungs- 
plan betrifft, findet hiegegen Beschwerde nur statt, 
wenn unrichtige Gesetzesanwendung behauptet 
wird (a 39). Nach eingetretener Rechtskraft des 
auf die Genehmigung einer F. lautenden Be- 
schlusses ist das Operat von der F. Kommission für 
vollziehbar zu erklären und jedem beteiligten 
Grundeigentümer ein mit der Vollziehbarkeits- 
erklärung versehener Auszug aus demselben zuzu- 
stellen. Dieser Auszug hat an Stelle einer Er- 
werbsurkunde hinsichtlich des zugeteilten Grund- 
besitzes und aller damit in Verbindung stehenden 
Rechte und Verpflichtungen zu treten. Der Tag 
des Eigentumsüberganges wird in der Vollzieh= 
barkeitserklärung bestimmt (a 40). 
Die Ausführung des Unternehmens obliegt 
dem F. Ausschusse, bezw. dem beauftragten Geo- 
meter (bezüglich der Tätigkeit des Grundbuch- 
amtes siehe a 41). Der Zeitpunkt des Besitzüber- 
ganges wird mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen 
erhältnisse bestimmt (a 42). 
Die Novelle von 1899 hat hinsichtlich der Ge- 
bührenbewertung weitere Erleichterungen ge- 
bracht (a 43 ff). 
§4. Wirkungen. Das Gesetz hat sich vortrefflich 
bewährt. Das Bedürfnis der F. war gerade in 
Bayern, wo bei dem Ueberwiegen des kleineren 
und mittleren landwirtschaftlichen Besitzstandes 
die Gemenglage der Grundstücke und der damit 
verbundene Mangel entsprechender Zu= und Ab- 
fahrtsgelegenheiten mehr als anderswo hervor- 
tritt, und wo infolgedessen der verderblichste aller 
landwirtschaftlichen Mißstände, nämlich der soge- 
nannte Flurzwang, fast allenthalben im breitesten 
Maße sich herausgebildet hat, in sämtlichen Lan- 
desteilen in hohem Maße gegeben. Der land- 
wirtschaftliche Besitzstand des Einzelnen besteht in 
der Regel aus mehreren räumlich getrennten 
Grundstücken. Aus den Mißverhältnissen dieser 
Gemenglage und der erschwerten Zugänglichkeit 
der Grundstücke leitet sich eine Reihe wirtschaft- 
licher Nachteile ab, die sich in nutzlos vergeudeter 
Zeit, in dem Erfordernis an Arbeitskräften, im 
Mangel an festen Besitzgrenzen und an gehöriger 
Aufsicht über die Grundstücke, im Bestehen zahl- 
loser Raine und Grenzfurchen, lästiger Fahrt-, 
Trepp= und Anwanddienstbarkeiten, großer Um- 
wege zu den einzelnen Grundstücken und in der 
Undurchführbarkeit zweckmäßiger Bodenverbesse- 
rungen fühlbar machen. 
Je dringender in Bayern die F. war, desto 
weniger Schwierigkeiten wurden auch der durch 
das G v. 29. 5. 86 eingeleiteten agrarischen Maß- 
regel entgegengesetzt. Nur in 6 Fällen mußte 
von den Zwangsbestimmungen des Gesetzes Ge- 
brauch gemacht werden; alle übrigen Unterneh- 
mungen wurden Dank der Einsicht der beteiligten 
bonhwirte ohne jeden Zwang zum Abschlusse ge- 
racht. 
Sehr häufig geht mit der F. die Regulierung 
der Wasserläufe, die Erbauung von Brücken und 
Durchlässen Hand in Hand. 
Besonders bewährt hat sich das in Bayern ein- 
geführte Wertsermittelungsver ffah- 
ren. Zum Behufe der Ermittelung der Umtausch- 
Wertsklassen werden vor allem die Bodenlagen 
der Bereinigungsflur einer Untersuchung unter- 
stellt; der geringste vorgefundene Wertsunter- 
  
  
schied zwischen zwei Flächeneinheiten (nach Ar 
oder Dezimalen) wird in Geld angeschlagen. 
Dieser Geldanschlag bildet sodann die Wertsein- 
heit oder die Klassenziffer 1. Jede folgende 
Klassenziffer ist um eine Wertseinheit höher, 
so daß sich ein Klassensystem ergibt, in welches alle 
beteiligten Grundstücke eingereiht werden können 
und dessen einzelne Wertsklassenzisfern genau im 
richtigen und gleichmäßig abgestuften Zahlen= und 
Wertsverhältnisse zu einander stehen. 
Bei der F.Kommission sind in den Jahren 
1887—1905 1253 Anträge auf Vornahme von 
Bereinigungen eingekommen. Hiervon waren 
bis Ende 1905 bereits durchgeführt 460 Unter- 
nehmungen mit einer Grundfläche von 36 240 ha. 
Die erzielten Vorteile wurden von den Ausschüs- 
sen der Beteiligten auf rund 14 Mill. Mark be- 
rechnet. 
Die sehenswertesten F. Bayerns haben in der 
Nähe von Neu-Ulm stattgefunden, wo in Roth 
und den anliegenden Gemeinden 2200 ha zu- 
sammengelegt worden sind. Die Parzellenzahl 
ist von 6500 auf 3500 vermindert worden. Die 
angelegten neuen Feldwege besitzen eine Länge 
von 100 km. 
Durchschnittlich betrugen bisher die Kosten der 
Ausarbeitung der F. 20 Mk. für das Hektar, so daß 
auf die Beteiligten, denen die Rückzahlung der 
aus dem F. Fonds vorschußweise bestrittenen 
Kosten in der Regel bis zur Hälfte nachgelassen 
wird, nur ein Kostenbetrag von durchschnittlich 
10 Mk. für das Hektar traf. An solchen Vorschüssen 
wurden innerhalb dieser Jahre 498 546 Mk. ge- 
leistet, die sonstigen staatlichen Aufwendungen 
für F. betrugen 2 850 000 Mark. 
Literatur: L. A. v. Müller, Das Kaal bayer. 
G, die F. betr., erläutert, mit Einleitung von R. Schrei- 
ber, 1887f (unvollendet); Haag in Annalen 1888, 
161 ff; Handausgaben des Gesetzes von Haag-Brett- 
reich, 1900 und Windstoßer, 1909; Bl. f. administ. 
Praxis 55, 333 ff; ferner die amtlichen Denkschriften über 
die Landwirtschaft in Bayern. 
v. Seydel (ergänzt von Graßmann). 
B. Württemberg 
5s 1. Geschichte, Begriss. 4 2. Behörden und Verfahren. 
* 3. Wirkungen. 3# 4. Kosten. 1 5. Rechtsmitte. 4 6. Stand 
des Bereinigungsgeschäftes. 
& 1. Geschichtliches und Begriff. 
I. In den 1806 und 1810 an Württemberg ge- 
fallenen Gebietsteilen Oberschwabens waren 
Vereinödungen (Abbauten, Ausbauten), 
nach denen jedem Besitzer Land und Wohnstätte 
in der Regel unter Abbau seiner bisherigen in 
einem geschlossenen Dorf gelegenen Wohnstätte 
in einem zusammenhängenden Komplex ange- 
wiesen wurde, nachweisbar schon seit 1699 ohne 
rechtliche Bestimmung in Uebung. Diese Ver- 
einödungen wurden hauptsächlich in den Jahren 
1770—1800 vollzogen und 1831 abgeschlossen, da 
sie später aus polizeilichen Gründen nicht mehr 
zugelassen wurden. Eine gesetzliche Regelung der 
F. wurde erst durch das G v. 26. 3. 62 angebahnt, 
welches die zwangsweise Abänderung bestehen- 
der, die Anlegung neuer Feldwege und im Zu- 
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