Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

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Festungen 
Preußen, Bayern und Württemberg v. 16. 6. 74 
(Mil. Gesetze Bd. 1 Abt. 1 S175 ff). Diese Ver- 
einbarung regelt auch die Rechtsverhältnisse hin- 
sichtlich dieser F. gegenüber Württemberg, dem 
in a 9 der Militärkonvention v. 21. 25. 11. 70 
zugestanden worden ist, daß der Kaiser die gele- 
gentlich der Inspizierung bemerkten sachlichen 
und persönlichen Mißstände dem Könige von 
Württemberg mitteilen wird, damit dieser sie 
abstelle. Da dem Könige von Sachsen in a 4 der 
mit ihm abgeschlossenen Militärkonvention eine 
gleiche Zusage gemacht worden ist, besteht ein 
Anordnungerecht des Kaisers im Sinne des a 63, 3 
gegenüber diesen drei Kontingenten nach gelten- 
dem Rechte nicht. Für den Bereich des Preußi- 
schen Kontingents und damit auch für die außer- 
halb Bayerns, Sachsens und Württembergs be- 
legenen F. haben die a 63 und 64 wegen der Per- 
soneneinheit des Kaisers und des Kontingents- 
herrn lediglich eine formelle Bedeutung, da die 
Befugnisse des Kaisers im Bereiche der Preußi- 
schen Armce schon dem Könige von Preußen als 
solchem zustehen. 
55. Das Reichsrayongesetz. 1. Allgemei- 
nes. Das Re betr. die Beschränkung des 
Grundeigentumes in der Umgebung von F. v. 
2. 12. 71 (Rül 459 ff) — kurz Rayongesetz ge- 
nannt — gilt, nachdem es durch Ro v. 21. 2. 72 
(Ral 56) auch in Elsaß-Lothringen einge führt 
worden ist, im ganzen Reichsgebiete, also auch in 
Bayern und Württemberg (vgl. Bericht der 4. 
Kommission des RT zu & 1 des G. — Drucks. 
Nr. 93 der l. Legisl.-Per. 2. Session). Das Gesetz 
ist in Elsaß= Lothringen am 14. 3. 72, im übrigen 
Reichsgebicte mit dem 12. 1. 72 in Kraft getreten. 
Es ist abgcändert worden durch a 54 Ec z. BGB 
v. 18. 8. 96. 
Der Grundgedanke des Gesetzes ist, daß dic Be- 
nutzung des Grundeigentums der F. denjenigen 
Beschränkungen unterworfen sein soll, welche die 
Rücksicht auf die Verteidigungsfähigkeit der F. 
bedingt, ein Gedanke, der in Preußen schon seit 
langem Gegenstand gesetzlicher Maßnahmen ge- 
wesen ist, beginnend mit der Kab O v. 18. 4. 1797 
und abschließend mit dem Regul v. 10. 9. 1828 
(G 120). Dieses Regulativ hat dem Rg zugrunde 
gelegen, welches die Vorschriften des Regulativs 
in einer der fortgeschrittenen Entwicklung ent- 
sprechenden Form unmgestaltet hat. Der Entwurf 
der verbündeten Regierungen hatte ein cigent- 
liches Gesetz und ein dazu gehöriges Regulativ 
vorgesehen und in ersteres die gesetzlichen mate- 
riellen, in letzteres die mehr formellen und tech- 
nischen Bestimmungen ausgenommen. Diese 
Zweiteilung fand aber nicht die Zustimmung des 
RI, der die Vorschriften des Regulativs in das 
Gesetz aufnehmen wollte. 
Was das Verhältnis des Rg zu dem älteren 
Landesrecht anbetrifft, so sind alle diejenigen 
Normen unberührt geblieben, die dem Rg nicht 
zuwiderlaufen (&X 47), d. h. also insbesondere 
diejenigen, die einc im Rg nicht geregelte Materie 
behandeln. 
Nach &l des Rg unterliegt die Benutzung des 
Grundeigentums (auch des staatlichen) in der näch- 
sten Umgebung der bereits vorhandenen sowie der 
in Zukunft anzulegenden permanenten Befsfesti- 
gungen nach Maßgabe dieses Gesetzes dauernden 
Beschränkungen. 
  
  
  
l– — — — 
–— — — — — — 
—— —— — ç — — 
II. Rayoneinteilung. Da die mehr 
oder weniger große Entfernung des Grund- 
eigentums von der F. für deren Umfang oder Be- 
schränkungen maßgebend ist, wird die nächste 
Umgebung der F. in R eingeteilt, die, von der 
äußersten Verteidigungslinie ab gerechnet als 
erster, zweiter und dritter R bezeichnet werden. 
Liegen mehrere zusammenhängende Befestigungs- 
linien vor einander, so bildet der Raum zwischen 
ihnen die Zwischen R (5 2). Nachdem in § 3 
Näheres über den Ausgangspunkt für die Ab- 
messung der R gesagt ist, wird in § 4 der Umfang 
des ersten R dahin bestimmt, daß er bei allen F. 
und neu zu erbauenden detachierten Forts das im 
Umkreise derselben von 600 m belegene Terrain 
umfaßt, bei F. die an Gewässern liegen und be- 
sondere Kehlbefestigungen haben, auch das Terrain 
zwischen diesen und dem Ufer. Der zweite R 
begreift das Terrain zwischen der äußeren Grenze 
des ersten R und einer von dieser im Abstande von 
375 m gezogenen Linie. 
Detachierte Forts haben keinen 2. R bei ihnen 
unterliegt jedoch das Terrain von der Grenze des 
ersten R bis zu einer Entfernung von 1650 m 
den für den dritten R gegebenen Beschränkungen 
(55). Derdritte R umfaßt bei allen F. das Ter- 
rain von der äußersten Grenze des 2. R bis zu 
einer Entfernung von 1275 m, so daß also die 
Gesamtausdehnung des R 2250 m beträgt (5 6). 
Die Zwischen R zerfallen in strenge und einfache: 
die ersteren enthalten das Terrain in einem Ab- 
stande von 75 m von der zurückliegenden oder 
inneren Befestigungslinie an gerechnet, während 
darüber hinaus der einfache ZwischenR liegt (& 7). 
III. Rayonabsteckung. Bei Neuan- 
lagen von Befestigungen werden die ihnen zu- 
nächst gelegenen beiden R sowie etwaige Espla- 
naden (5F 2 Abs 3) und Zwischen R durch die Kom- 
mandanturen unter Mitwirkung der Pol Behörden 
und Zuziehung der Ortsvorstände sowie der Be- 
sitzer selbständiger Gutsbezirke abgesteckt und durch 
sesste Marken (RSteine) bezeichnet (§ 8 Abs 1). 
Das Gesetz unterscheidet hier die Mitwirkung von 
der Zuziehung und scheint damit eine unterschied- 
liche Behandlung auszudrücken; dagegen scheint 
allerdings zu sprechen, daß die Motive zu § 1 des 
Regulativ Entw die beiden Ausdrücke im gleichen 
Sinne gebrauchen. Eine Versteinung des dritten 
Rfindet also nicht statt. Interessenten, die Zwei- 
fel über die Lage ihres Grundstücks in diesem R 
haben, müssen sich die erforderliche Auskunft bei 
der Kommandantur einholen. 
Von dem Zeitpunkte der Versteinung an treten 
(auch bezüglich des 3. Rh die gesetzlichen Beschrän- 
kungen in der Benutzung des Grundeigentums 
in Wirksamkeit (§ 8 Abf 2). 
Unmittelbar nach der Absteckung der Rinie 
hat die Kommandantur einen Rayonplan 
und einen Rayonkataster aufzustellen und 
diese in der Gemeinde, in deren Bezirk die darin 
ausgenommenen Grundstücke liegen, sechs Wochen 
lang auszulegen. Einwendungen dagegen sind 
beim Gemeindevorstande anzubringen, der sie 
der Kommandantur zustellt. Diese prüft sie und 
erteilt den Bescheid, gegen den den Beteilig- 
ten innerhalb einer Präklusivfrist von vier Wochen 
nach dem Empfange der bei der Kommandantur 
einzulegende Rekurs an die Reichsrayonkom- 
mission zusteht. Nach Ablauf dieser Frist oder,
	        
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