Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Fiskus (Begriff) 
  
lichen Rechtsverhältnissen zugleich steht. Der Staat, 
der Mündelgelder in Verwahrung nimmt, der 
Staat, der Depositen übernimmt, oder auch der 
Staat (RG 32, 134 ff), der ein Eisenbahnunter- 
nehmen ankauft, mit demselben zugleich die 
privatrechtliche Verpflichtung, welche die frühere 
Unternehmung mit einer Stadt vertragsmäßig 
übernommen hat, gewisse Züge in der Station 
anhalten zu lassen, gleichfalls übernimmt und dann 
mittels Fahrplanänderung die Stadt um dieses 
Recht bringt. Das sind doch Fälle, wo durch ein 
und dieselbe staatliche Handlung 
sowohl Verwükte als auch Privatrechtshandlun- 
en vorgenommen werden. Wie steht es in diesen 
ällen mit der durch das Bürgerliche Gesetzbuch 
(5 89 Abs 1) statuierten Verantwortlichkeit? 
Fallen diese Handlungen unter & 89 Abs 1 oder 
unter a 77 EG? 
Sodann kann m. E. mit vollem Fug und Recht 
gegen die erste und zweite Definition der Ein- 
wand erhoben werden, daß sie eigentlich zur rein 
theoretischen Erkenntnis, inwiefern ein Rechts- 
verhältnis, das an der Grenze von Privat= und 
öffentlichem Rechte steht, dem Privat-, inwiefern 
dem öffentlichen Rechte angehöre, garnichts bei- 
trage. Und es ist wirklich das Bedenken geäußert 
worden (Otto Mayer 1, 143), daß nur a posteriori, 
erst wenn die Privatrechtsqualität der Rechtsver- 
hältnisse festgestellt sei, die Anhänger jener Defi- 
nitionen konstatieren, der Staat sei F. Wozu dann 
noch der ganze F. Begriff? (Seydel in Behrends 
Z 7, 226 erklärt ihn auch als ganz überflüssige 
Fiktion!) 
Die dritte der angeführten Definitionen, die 
auch den F. Begriff auf alle öffentlichen Vermö- 
gensrechtsverhältnisse ausdehnt, stimmt keines- 
wegs zu dem Wortlaute des § 89 Abs 1 und des 
a 77 EG. Wenn wir dieser Definition folgen 
wollen, müßte der Staat auch für alle schädigen- 
den Handlungen seiner Beamten, welche von 
diesen in Ausübung der ihnen anvertrauten Ge- 
walt vorgenommen werden, nach § 89 Abs 1 
haftbar sein. Trotzdem hat der a 77 E gerade 
diese Verantwortlichkeit zu regeln abgelehnt und 
den Landesgesetzen überlassen, ob sie eine solche 
Verantwortlichkeit anerkennen oder nicht. Schließ- 
lich trifft diese nicht minder, wie die früher ge- 
nannten Definitionen, der Einwand, daß sie zur 
Erkenntnis der gemischten Rechtsverhältnisse des 
Staates nichts beitrage, daß diese Rechtsverhält- 
nisse zuerst katalogisiert und dann in die F. Rubrik 
geschoben würden. Dieser Einwand und die hier- 
durch stillschweigend zugestandene Wertlosigkeit 
des F. Begriffs erhält hier eine noch schärfere 
Beleuchtung (in voller Schärfe Wach, Zivilpro- 
zeß 1, 92 Anm. 36, bei Besprechung des & 4 des 
EG z. 3PO). Sollen wir mit §5 89 Abs 1 BGB 
auch dahin kommen ?! 
Eines verdanken wir jedoch ganz unleugbar der 
dritten Definition und ihren Vertretern: die 
Frage nach dem Dualismus bewußt aufgeworfen 
zu haben. Mit Recht wendet sich diese Theorie 
gegen die Auswüchse des älteren Dualismus 
Literatur bei Bernatzik, Arch OeffR 5,171 Anm. 1), 
der Staat und F. als einander wildfremde Per- 
sönlichkeiten betrachtete. Doch nur gegen die Aus- 
wüchse! Die Frage nach dem Dualismus bleibt 
jedoch meines Erachtens noch offen. Denn das, 
was die Bekämpfer des Dualismus an seine 
  
Stelle setzen, ist kaum befriebigend. Danach soll 
der Staat, die juristische Person des öffentlichen 
Rechts, mitunter auf den Gedanken kommen, in 
den Privatrechtsverkehr zu treten und in diesen 
Privatrechtsverhältnissen Privatrechtssubjekt sein, 
also Privatrechtssubjekt von Fall zu Fall. Das ist 
aber gerade nur, wie oben gezeigt worden ist, die 
Auffassung des französischen Rechts. Unser Recht 
verlangt nach mehr, als nach einem bloßen Privat- 
rechtssubjekt von Fall zu Fall. 
Sodann lassen zwar die gewöhnlichen Bermö- 
gensrechtsverhältnisse wohl zu, daß der Staat 
bald als Träger der Staatsgewalt, bald als Privat- 
rechtssubjekt auftrete, kurzum sie gestatten den F. 
bloß als eine Seite einer und derselben juristischen 
Person, nämlich des Staates aufzufassen. In arge 
Verlegenheit müssen aber die Bekämpfer des 
Dualismus kommen, wenn sie den Staat in ge- 
mischten Rechtsverhältnissen zu erklären haben. 
Allerdings werden diese gemischten Rechtsver- 
hältnisse und, wie ich zugeben muß, mit Konsequenz 
geleugnet (Otto Mayer 1, 145 ff). Aber man 
kann diesen Standpunkt, ohne jenen Verhältnissen 
Gewalt anzutun, kaum behaupten, insbesondere 
schon deshalb nicht, weil die deutsche Rechtsprechung 
auf der Anerkennung solch gemischter Rechts- 
verhältnisse die Haftbarkeit des Staats für Hand- 
lungen seiner die öffentlichen Sachen und Anstal- 
ten verwaltenden Beamten ausgebaut hat, was 
weiter unten zu zeigen sein wird (§5 2). 
Die juristische Natur des 
Fiskus und seine Funktionen. 
Nach deutschem Recht ist der F. juristische 
Person des Zivilrechts neben dem Staat als 
Hoheitsperson. Es ist ein Stück staatlicher 
Verwätigkeit (deren einzelne Formen weiter 
unten), also ein Stück staatlicher Kompetenz, 
welches jedoch mit juristischer Persönlichkeit be- 
gabt ist, ienen Behörden vergleichbar, die als Per- 
sonen und Parteien vor Gerichten, insbesondere 
Verw Gerichten, auftreten und den Staat vertre- 
ten, z. B. die Kommissare zur Wahrnehmung des 
öffentlichen Interesses nach & 74 Abs. 3 preuß. 
LVG. Wie diese Kommissare zur Wahrung des 
öffentlichen Interesses, dient auch der F. als 
juristische Person des Zivilrechts der Vervollkomm- 
nung der Rechtstechnik und der Rechtssicherheit. 
Der F. hat nach deutschem Recht eine ähnliche 
Parteirolle im bürgerlichen Rechtsverkehr und 
vor den ordentlichen Gerichten zu übernehmen, 
wie jene Kommissare zur Wahrung des öffent- 
lichen Interesses vor den Verw Gerichten. 
Die beiden wichtigsten Funktionen, die heute 
der F. im bürgerlichen Rechtsverkehr und vor den 
ordentlichen Gerichten hat, sind 
1. seine Entschädigungsfunktion und 
2. seine Kompetenzabgrenzungsfunktion. 
Wegen der Haftung des Staats für seine Be- 
amten bei Ausübung staatlicher Hoheitsrechte 
#gl. „Beamte“ & 10 oben I 366. 
§ 2. Die Entschädigungsfunktion des F. ist der 
Rechtssatz, daß der Staat als F. zu entschädigen 
hat, wenn er durch seine Vertreter rechtswidrig 
handelt. Diesen Satz, der schon seit dem Polizei- 
staat gilt, finden wir im §5 89 Abs 1 des BGB 
anerkannt. Der Staat als Fiskus ist 
danach für den Schaden verant- 
wortlich, den seine Vertreter durch 
eine in Ausführung der ihnen zu-
	        
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