Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Forstwesen (Waldgenossenschaften) 
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oder zwischen mehreren Gemeinden, auf die Ab- 
lösung von Forstberechtigungen usw. 
Für die Zustände, welche bei Teilung der alten 
Markwaldungen entstanden sind, bilden z. B. die 
ehemaligen Markwaldungen von Elze-Mehle 
(Hannover), welche 1738 geteilt wurde, ein drasti- 
sches Beispiel. Diese umfaßten 570,66 ha, hier- 
von sind 48,27 ha als Kämmereiforst von Elze ab- 
geschnitten, der Rest wurde in folgender Weise 
zerlegt: a) in 9 Teilungsdistrikte, b) jeder Distrikt 
ist zerschnitten in 160 lange Teilstreisen für eben- 
soviele Interessenten und c) außerdem noch 72 
sog. „Nachteile“: Summa 1512 Teilflächen! Auf 
diesen Flächen treibt man die maßloseste Einzel- 
wirtschaft ohne irgend welchen Plan für Betriebs- 
art, Hieb und Kultur, ein jeder nach seinem Be- 
lieben, mit wenigen Ausnahmen ohne eine Idee 
von Forstwirtschaft. 
Aehnliche Beispiele lassen sich in beliebiger An- 
ahl sammeln. Gemeinsam ist allen die für den 
sorstichen Betrieb außerordentlich ungünstige 
Form der Einzelflächen, die schmale Streifen von 
sehr geringer, oft nur 5—10 m betragender Breite 
und dabei eine Länge von mehreren hundert Me- 
tern besitzen. 
Auch in den Landesteilen östlich der Elbe sowie 
in anderen Teilen Deutschlands, wo die Mark- 
genossenschaften fehlten, hat der historische Ent- 
wicklungsgang vielfach zu einer Anordnung des 
Privatwaldbesitzes geführt, die sich von jener der 
geteilten Markwaldungen kaum unterscheidet. 
Nach der Statistik von 1896 bestanden damals 
931 834 Betriebe, in denen landwirtschaftlich 
benutzte Flächen mit Forstflächen verbunden wa- 
ren. Hiervon hatten 848 616 Betriebe oder rund 
910% weniger als 10 ha Wald. Ihr Waldbesitz 
betrug zusammen 1 626 093 ha oder 11% der 
gesamten Waldfläche des Deutschen Reiches. 
Wesentliche Verschiebungen in diesen Verhält- 
nissen sind inzwischen nicht eingetreten. 
Auf diesen kleinen Flächen kann aus wirtschaft- 
lichen und technischen Gründen nur ausnahms- 
weise eine einigermaßen geordnete Forstwirt- 
schaft betrieben werden. Um einen einigermaßen 
geordneten Betrieb zu ermöglichen, erscheint die 
Vereinigung mehrerer derartiger Parzellen zum 
Zweck gemeinschaftlicher Benützung als ein höchst 
erstrebenswertes Ziel. 
Man sucht daher die alten Formen des Gemein- 
besitzes, soweit sie noch vorhanden sind, zu erhal- 
ten, und da, wo sie bereits der Vergangenheit an- 
gehören, von neuem ins Leben zu rufen. Außer- 
dem wird dahin gestrebt, das Genossenschafts- 
wesen auch noch in weiterem Umfang und für die 
verschiedenartigsten Zwecke in der Forstwirtschaft 
nutzbar zu machen. 
In Deutschland wurden durch das Waldkultur G 
v. 1. 6. 654 für den preußischen Kreis Wittgenstein 
die ersten Waldgenossenschaften (W G) neu begrün- 
det, im weiteren Umfang sucht der 3. Teil des 
preußischen WaldschutzG v. 6. 7. 75 diese 
Institution einzubürgern, er unterscheidet im 
623 Wirtschafts= und Schutzgenossenschaften. In 
Württemberg ist gemäß a 13 des Forst- 
Pol G v. 8. 9. 79 der Anschluß kleinerer Privat- 
waldbesitzer an die Bewirtschaftung von Staats- 
oder Körperschaftswaldungen ins Auge gefaßt. 
Das erstgenannte Ziel der Erhaltung und Or- 
ganisation bereits vorhandener Genossenschaften 
  
  
erstrebt hauptsächlich das preuß. G.-v. 14. 3. 81 
über gemeinschaftliche Holzungen. Es findet An- 
wendung auf Eigentumsgenossenschaften von 
Waldbesitzern, welche nicht die privatrechtliche 
Entstehung ihres gemeinschaftlichen Waldbesitzes 
nachzuweisen vermögen, sowie auf Genossenschaf- 
ten, welchen aus Gemeinheitsteilungen oder Forst- 
servitutenablösung Waldungen zum gemeinschaft- 
lichen Eigentum überwiesen wurden oder noch 
werden. Auf einen speziellen Fall bezieht sich die 
Ordnung für die Siegener Hauberge v. 17. 3. 79. 
Außerhalb Deutschlands bestehen Vorschriften 
hinsichtlich der W in Oesterreich für Tirol und 
Vorarlberg (Kaiserl. V v. 10. 4. 56 und 3. 7. 73), 
Italien (Waldschutz G v. 20. 6. 77 à 13 und 14) 
und Spanien (G v. 11. 7. 77, betr. die Wieder- 
aufforstung, den Schutz und die Verbesserung der 
Gemeindewaldungen, 11). 
5 11. Einteilung der Waldgenossenschaften. 
Der Begriff der W ist noch kein feststehender und 
dürfte am zweckmäßigsten in folgender Weise zu 
geben sein: WG ist jede auf Erziehung, Gewin- 
nung oder Verwertung von Haupt= oder Neben- 
produkten der Waldwirtschaft mittelbar oder un- 
mittelbar gerichtete Genossenschaft. 
Der wirtschaftliche Zweck der W kann einer- 
seits auf die Erreichung finanzieller Vorteile, 
welche aus gemeinsamen Betriebsmaßnahmen 
für den einzelnen erwachsen, gerichtet sein, andrer- 
seits auf die Beseitigung der Nachteile abzielen, 
die Parzellenwirtschaft und die Gemeinpflege 
dem einzelnen bringen. Vom Standpunkt des 
öffentlichen Interesses aus ist letzterer der wichti- 
gere. 
Die W0 sind fast ausschließlich Realge- 
nossenschaften,, bei denen die Mitglied- 
schaft mit dem beteiligten Grundbesitz verknüpft 
ist. Reine Personalgenossenschaften kommen zur 
Zeit kaum vor. 
Die wichtigsten Arten der WG sind jene, welche 
gemeinsame Rohproduktion bezwecken und mit 
ihnen allein beschäftigt sich auch die bisherige 
Spezialgesetzgebung. Sie kommen in folgenden 
3 Formen vor, nämlich als: 
a) Eigentumsgenossenschaft mit 
Gemeinschaft an Eigentum, Bewirtschaftung, Auf- 
sicht und Verwaltung. Diese bilden das engste 
Band der genossenschaftlichen Vereinigung, erfor- 
dern aber zu ihrem Gedeihen einen hervorragen- 
den Grad von Gemeinsinn, eine lebendige Glie- 
derung nach innen und eine zweckmäßige, durch 
die Gesetzgebung ge förderte Rechtsvertretung nach 
außen, im Verein mit den unentbehrlichen techni- 
schen Kenntnissen. 
Hierher gehört die Siegener Haubergsgenos- 
senschaft, eine echte Realgenossenschaft; erstrebt 
wird diese Form auch durch das Wittgensteinsche 
Waldkulturgesetz. 
b) Wirtschaftsgenossenschaft mit 
Gemeinschaftlichkeit des Betriebes, welcher die- 
jenige der Aufsicht notwendig und jene der ge- 
meinsamen Verwaltung unter Umständen bei- 
gesellt ist, ohnme Aufhebung der Sondereigen- 
tumsrechte von Waldbesitz. 
Hier kann entweder jedes Mitglied nur die auf 
seinem eigenen Grund und Boden anfallenden 
Nutzungen ernten, dabei aber die übrigen Vor- 
teile der Vereinigung (billige und sachgemäße 
Aufsicht, Möglichkeit der Durchführung einer ge-
	        
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