Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Frau (politische Rechte) 
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wesen für Knaben entsprechenden Ausbildung ge- 
geben ist. Für die Benutzung der Universitäten 
ist die früher von derjenigen des Mannes prinzi- 
piell verschiedene Stellung der F. in neuester Zeit 
durch ununterbrochen sich mehrende Ausnahmen 
so geändert worden, daß die Gleichstellung schon 
heute tatsächlich als Regel anzusehen ist Mäd- 
chenschulen . 
Das Bildungswesen ist für F. in Preußen 
neuerdings in der Art geregelt, daß den F. die 
zum Besuch der Universitäten erforderliche Vor- 
bildung ermöglicht ist. Besondere, regelmäßig 
mit der höheren Mädchenschule zu vereinigende 
Studienanstalten haben die Aufgabe, „die Weiter- 
bildung der Mädchen so zu fördern, daß die Schü- 
lerinnen in einer Reifeprüfung eine Bildung 
nachweisen, welche der durch die neunklassigen 
höheren Schulen für die männliche Jugend ver- 
mittelten gleichartig ist, wenn auch mechanische 
Uebereinstimmung nicht besteht.“ „Die Reife- 
prüfungen der Studienanstalten verleihen die Be- 
rechtigungen der Oberrealschulen, des Realgym- 
nasiums oder des Gymnasiums, soweit sie für 
F. in Betracht kommen.“ Insbesondere werden 
die F. auch als Studierende der Landesuniversi- 
täten zugelassen, jedoch bedürfen Ausländerinnen 
immer, Inländerinnen unter gewissen Voraus- 
setzungen zur Immatrikulation der Genehmigung 
des Ministers [UUniversitäten]. Auch 
können F. aus besonderen Gründen von der Teil- 
nahme an einzelnen Vorlesungen ausgeschlossen 
werden. Für die Zulassung zu einer staatlichen 
oder kirchlichen Prüfung, zur Doktorpromotion 
oder zur Habilitation sind die einschlägigen 
Prüfungs-, Promotions= und Habilitationsord- 
nungen allein maßgebend (AE v. 15. 8. 08, 
MinVfg v. 18. 8. 08)1). — Außerhalb Preußens 
bestehen Mädchengymnasien in den süddeut- 
schen Hauptstädten. In allen größeren Bundes- 
staaten außer in Preußen und Bayern ist, wenn 
auch meist nur unter einschränkenden Bestim- 
mungen und versuchsweise, die Zulassung von 
Mädchen zu den höheren Lehranstalten für 
Knaben vorgesehen. Als Studierende und Hö- 
rerinnen werden F. zu sämtlichen deutschen Uni- 
versitäten zugelassen. F., die nicht die zur Imma- 
trikulation erforderlichen Zeugnisse besitzen, kön- 
nen in Preußen, Sachsen und den thüringischen 
Staaten in der philosophischen Fakultät bei Er- 
füllung gewisser Voraussetzungen die sog. „kleine 
Matrikel“ erlangen. Den Doktorgrad können F. 
in allen Fakultäten erreichen. Anders ist es mit 
den Staatsprüfungen, wenn auch hier die Zulas- 
sung wohl schon als der Regelfall erscheint. Die F. 
werden zugelassen nicht nur zur Oberlehrerinnen- 
prüfung, sondern auch zur Prüfung für das höhere 
Lehramt (Preußen Min Vfig v. 14. 12. 05), sie 
werden zugelassen kraft Reichsrechts zum medizi- 
nischen Staatsexamen, zur zahnärztlichen Ab- 
schlußprüfung, zur pharmazeutischen Hauptprü- 
fung, zum Examen als Nahrungsmittelchemiker 
  
1) Frauenstudium an den preuß. Universitäten im Som- 
merhalbjahr 1910 immatrikuliert Gasthörer 
theologische Fakultät 5 20 
juristische "„ 9 6 
medizinische 5„ 202 39 
phiosophische „ 1118 657 
(Herausgeber). 
  
und zur Hauptprüfung an den technischen Hoch- 
schulen (Diplomingenieur). Ausgeschlossen sind 
die F. von dem theologischen Staatsexamen und 
den Staatsprüfungen für den höheren Justiz= und 
Verwaltungsdienst, mit einziger Ausnahme der 
ersten juristischen Prüfung in Bayern. 
§s 3. Die politischen Rechte. 
II. Die politischen Rechte im 
Staate. Wenn der Staat juristisch die mit 
ursprünglicher Herrschermacht ausgerüstete Ver- 
bandseinheit seßhafter Menschen ist (Jellinek), so 
läßt sich doch die historische Tatsache nicht leugnen, 
daß grundsätzlich bisher nur die Männer als Sub- 
jekte dieser Verbandseinheit erschienen sind, die 
F. nur als Objekte in Betracht kamen. Demge- 
mäß erscheinen in der Geschichte nur die Männer 
als politisch am Staate berechtigt, d. h. als be- 
fähigt zur Teilnahme an der staatlichen Willens- 
bildung. Daher ist auch heute noch die Regel die, 
daß den F. politische Rechte nicht zustehen. Der 
Besitz politischer Rechte ist für F. nach unserem 
heutigen Rechte immer noch eine Ausnahme. Die 
hervorragendsten dieser Ausnahmen, das Thron- 
folgerecht und Regentenrecht der F., erklären sich 
aus der Besonderheit der Monarchie und haben mit 
der prinzipiellen Stellung der F. im Staate 
nichts zu tun. Zwei andere politische Rechte je- 
doch, das Petitionsrecht und die Fähigkeit der F. 
zur Bekleidung von öffentlichen Aemtern, stellen 
sich als der Ausfluß eines modernen Rechtsgedan- 
kens dar, der gegenüber der historisch überlieferten 
alleinigen politischen Berechtigung des Mannes 
am Staat die Zuweisung gleicher Berechtigung 
an die F. als eine aus der modernen Kultur, aus 
den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen 
des heutigen Staates notwendig sich ergebende 
Forderung ansieht. « 
a) Thronfolge und Regentschaft. 
Ein die Zulässigkeit der Thronfolge der F. 
ausschließender Grundsatz läßt sich für das 
heutige Recht nicht aufstellen. Nachdem die 
Thronfolge des modernen Staates nicht mehr 
als privatrechtliche Vererbung, sondern als Ueber- 
gang eines staatlichen Organs auf eine andere 
Person, das Thronfolgerecht als das subjektive 
Recht des Berufenen auf Organstellung im Staate 
erscheint, ist die Regelung der Thronfolge eine 
Frage des öffentlichen Rechts und der dem pri- 
vaten Erbrecht entspringende Grundsatz der lex 
salica nicht mehr anwendbar. Maßgebend sind 
nur die positiven Bestimmungen der Verfassungen 
und, wo diese Vorschriften über die Thronfolge 
nicht enthalten, infolge der Autonomie der regie- 
renden Familien, das Hausrecht. Tatsächlich kommt 
im positiven Recht die Thronfolge der F. stets nur 
subsidiär in Betracht. Im übrigen ist ihre Zu- 
lässigkeit verschieden geregelt. In Preußen ist die 
Thronfolge fähigkeit der F., da beide Rechtsquellen 
darüber schweigen, umstritten. In einigen anderen 
Staaten hingegen, wie Bayern, Württemberg, 
Sachsen ist sie ausdrücklich anerkannt [Näheres 
ALandesherrs. — Ueber die Fähigkeit der 
F. zur Ausübung der Regentschaft läßt sich noch 
weniger ein allgemeiner Grundsatz aufstellen, 
jedenfalls kann sie prinzipiell nicht als ausge- 
schlossen angesehen werden. In denjenigen Staa- 
ten, in denen die Regentschaft ausschließlich dem 
nächsten Agnaten zusteht, wie in Preußen, Sach- 
sen, Hessen und Mecklenburg ist danach eine weib-
	        
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