Freiwillige Gerichtsbarkeit (Urkunden)
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beim Abschlusse von Rechtsge-
schäften und hat das ganze Mittelalter hin-
durch trotz mancher Schwankungen im wesent-
lichen diese Bedeutung behalten. Da diese Mit-
wirkung heute vorzugsweise in der gerichtlichen
und notariellen Beurkundung von Rechtsgeschäf-
ten besteht, so ist diese der Kern des Begriffes.
Mit der Zeit haben sich an diesen Kern eine Reihe
von Gebilden angeschlossen, deren Zweck der glei-
che war: Klarstellung privater Rechts-
verhältnisse. So das Grundbuch= und Re-
gisterwesen, wesentlich auch die Tätigkeit des
Nachlaßgerichts. Das Vormundschaftswesen ist
erst spät und mit Unrecht in diese Gruppe gerech-
net worden, mit der es weder Zweck noch Cha-
rakter gemein hat, da es Klarstellungszwecke nicht
verfolgt, überhaupt nicht der Rechtspflege, viel-
mehr ganz der Verwaltung angehört. (Nachweis
dieser Entwickelung in meiner Abhandlung „Re-
form der vorbeugenden bürgerlichen Rechts-
pflege“ im Jahrgange 1899 der Z für Notariat
und freiwillige Gerichtsbarkeit in Oesterreich, auch
als Sonderabdruck bei Manz in Wien, kürzer in
der Einleitung meines Kommentars zum G#F.)
Die zwei großen Gebiete der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit sind das öffentliche Urkund- und
das öffentliche Buchwesen. Beide haben
ein Klarstellen, ein Bezeugen zum Inhalte: die
Urkunde bezeugt Tatsachen, insbesondere Partei-
Erklärungen, das Buch macht eingetretene Rechts-
wirkungen ersichtlich: das Urkundwesen besteht in
Rat und Dienstleistung, betont das Begriffs-Ele-
ment der Freiwilligkeit; dem Buchwesen eignet
Entscheidung und Zwangsgewalt, also das Ele-
ment der Gerichtsbarkeit. Zu den öffentlichen
Büchern gehören auch die öffentlichen Register;
doch werden die Standesregister #Personen=
stand) aus dem Begriffe auszuscheiden sein, weil
sie in der Hauptsache nicht privatrechtlichen
Zwecken dienen, den Gerichten auch nur eine
nebensächliche Betätigung dabei eingeräumt ist
(Berichtigung).
Die große Neuschöpfung des bürgerlichen Rechts
konnte auch die freiwillige Gerichtsbarkeit nicht
unberührt lassen. Ein Teil dieses Gebiets ist im
BGB selbst behandelt: so die Lehre vom Ur-
kundzwange, d. i. von den Rechtsgeschäften,
welche öffentlicher Beurkundung bedürfen, von
der Form der Testamente, und große
Teile des Grundbuch= und Register-
wesens, sowie das ganze Vormund-
schaftswesen. Selbst große Stücke des Ver-
fassungs= und Verfahrens-Rechts sind darin ent-
halten, die ins BG eigentlich nicht gehört hätten.
Dennoch wurde noch ein großes Ergänzungsgesetz
notwendig: das R v. 17. 5. 98 über die Ange-
legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Ab-
kürzung: GFG), welches zumeist Bestimmungen
über Zuständigkeit und Verfahren gibt, die Förm-
lichkeiten der öffentlichen Urkunde ordnet, übrigens
dem Landesrechte an manchen Stellen Raum
läßt. Es behandelt die freiwillige Gerichtsbarkeit
in dem weiteren Sinne, in dem auch das Vor-
mundschaftswesen dazu gehört; dagegen schließt
es ein wichtiges, recht eigentlich dazu gehöriges
Gebiet aus: das Grundbuchwesen, für welches
ein besonderes Reichsgesetz ergangen ist in der
Grundbuch O v. 24. 3. 97 (Abkürzung: GB0).
Für die Konsulargerichtsbezirke und
v. Stengel--Fleischmann, Wörterbuch, 2. Aufl. I.
die deutschen Schutzgebiete gelten die Vor-
schriften der Reichsgesetze und der daneben inner-
halb Preußens im bisherigen Geltungsbereiche
des Allgemeinen Landesrechts in Kraft stehenden
allgemeinen Gesetze (§ 19, Ziff. 1, Ges. Konfu-
largerichtsbarkeit v. 7. 4. 00, & 3 Schutzgebiets-
gesetz). Das Nähere Konsuln, Kolonialrecht.
# 2. I. Das öffentliche Urkundwesen.
1. Das öffentliche Urkundwesen leidet unter ei-
ner Zwiespältigkeit der Rechtsquellen, die geschicht-
lich erklärbar, aber auf die Dauer nicht aufrecht zu
erhalten ist. Während nämlich in Preußen die Ab-
schaffung der Advokatur unter Friedrich dem Gro-
ßen zu der merkwürdigen Schöpfung des Ju-
stizkommissariats führte, eines neben
den Gerichten wirkenden Notariats, welches, zur
Entschädigung der entlassenen Advokaten bestimmt,
später, bei Wiederzulassung dieser, ihnen verblieb
und so die Verbindungdes Notariats
mit der Rechtsan waltschaft begrün-
dete, die in gewissem Umfange bis heute in
Preußen bestehen geblieben und in den meisten
norddeutschen Staaten nachgeahmt worden ist:
so hat am Rheine während der französischen
Fremdherrschaft die französische Verfassung des
reinen Notariats festen Fuß gefaßt,
vermöge welcher das Notariat allein zur öffent-
lichen Beurkundung befugt und von der Rechts-
anwaltschaft getrennt ist, eine Verfassung, die spä-
ter auch Bayern, Hamburg und Bremen über-
nommen haben. Wieder auf anderer Grundlage
hatte sich das Notariat in Baden und Württem-
berg entwickelt, wo es immer eine Art Staats-
behörde und mit dem Nachlaß-, Vormundschafts-
oder Grundbuchwesen in Beziehung gewesen war.
Diese Eigentümlichkeiten verlangten Schonung.
Es wurden daher dem Landesrechte überlassen
die Verfassung der Urkundämter,
ihr Dienstrecht und Gebührenwesen; während dem
Reichsrechte das materielle Urkund-
recht zufiel, d. i. die Lehre vom Urkundzwange,
von den Förmlichkeiten der gerichtlichen und der
notariellen Urkunde, von ihrer Beweiskraft und
Vollstreckbarkeit: beide Gebiete vielfach in einan-
der übergreifend und sich gegenseitig ergänzend.
Das Landesrecht ist in den meisten Bundesstaaten
in neuen Notariatsordnungen enthalten, die fast
alle aus dem Jahre 1899 stammen (in Preußen
Gv. 21. 9. 99 über die freiwillige Gerichtsbarkeit).
Darnach bestehen in Deutschland vier grundsätzlich
verschiedene Urkund-Verfassungen [J Notarel:
a) die des reinen Notariats, das mit
Ausschluß des Gerichts zur öffentlichen Beur-
kundung befugt und mit der Rechtsanwaltschaft
nicht verbunden ist: in Elsaß-Lothringen, Bayern
und Hamburg;
b) die des Anwalt--Notariats, das
neben dem Gerichte urkundet und mit der Rechts-
anwaltschaft verbunden ist: in Preußen, Sachsen
und allen norddeutschen Staaten, die überhaupt
ein Notariat haben, mit Ausnahme Hamburgs
und, wenn man will, Bremens; Preußen beginnt
aber neuerdings in den großen Städten selbstän-
dige Notare anzustellen, und in Rheinpreußen
ist das selbständige Notariat die Regel;
ch des Richter-Notariats, dem neben
der Urkundtätigkeit vormundschafts-, nachlaß-,
grundbuch-, auch vollstreckungsrichterliche Tätig-
keit zugewiesen ist: in Baden und Württemberg;
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