Freizügigkeit (B Schutzgebiete)
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Kolonien rechtlich nicht anders behandeln dürfen
wie jene Kolonialdeutschen (Schutzgebietsange-
hörigen) in ihrem Schutzgebiete zu behandeln sind.
Der a 3 RVlöäst also die ganze Frage nicht, sondern
stellt uns nur aufs neue davor. Dem Wesen der
Naturalisation würde es allerdings entsprechen,
wenn wenigstens den Kolonialdeutschen ein
Recht zum Aufenthalt gegeben würde (ein Recht
nehmen an: v. Stengel, Reimer). Doch ist dies
nicht zwingend, da der Naturalisation auch ohne
dies noch ein beträchtlicher Inhalt gewahrt bleibt;
und andrerseits würde die Einräumung des Rechts
nur an jene Gruppe von unverhältnismäßig ge-
ringer Zahl geradezu eine Unbilligkeit für die
erdrückende Mehrheit der deutschen Kolonisten
enthalten, die ihre Tätigkeit nach den Kolonien
in dem Vertrauen darauf verlegt haben, daß sie
sich hier unbehindert aufhalten und ihren Ge-
schäften nachgehen könnten.
1. Die F. braucht nicht erst durch Gesetz beige-
legt zu werden; sie besteht tatsächlich, mit
den Folgeerscheinungen der gewerblichen Be-
tätigung und der Möglichkeit des Erwerbes von
Grund und Boden. Unterstützend hierfür sind die
häufigen Zusagen des Aufenthalts, Reisens usw.
in den Schutzverträgen mit den Eingeborenen.
Die F. entbehrt aber in den Kolonien zur Zeit
der umfassenden und allgemeinen rechtlichen
Sicherung, wie sie das F. Gesetz und andere
Normen (Gewerbeordnung) gewähren. Es kann
jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß mit der
fortschreitenden Besiedelung und der selbstbewuß-
ten Einwurzelung, wie sie durch den Ausbau der
Selbstverwaltung bedingt ist, das Ziel auch eine
Gewährleistung der Fbilden wird, wenn
schon sich bei den kolonialen Verhältnissen ein Vor-
behalt größerer Schranken nicht wird vermeiden
lassen. Ansätze hierzu: StGB. 5 9 (Nichtaus-
lieferung von Nationalen) und die Auslieferungs-
verträge mit Großbritannien v. 5. 5. 94 a 3,
dem Kongostaate v. 25. 7. 90 a 3 und den Nieder-
landen v. 21.9. 97a5 sowie in 32 der V des Gou-
verneurs für Südwestafrika v. 15. 12. 05 (Kolon Gg
9, 278), wonach die Einwanderung Personen, die
im Schutzgebiete ihren „Wohnsitz“ haben, nicht un-
tersagt werden darf.
Eine Beschränkung der F. ist sonach
nicht bloß unter den umgrenzten Voraussetzungen
des FG, die immerhin einen Anhaltspunkt bieten,
sondern überhaupt unter den Voraussetzungen
einer geordneten Verwaltung statthaft, im we-
sentlichen aus Gründen der Sicherheits= oder der
Armenpolizei. Die Schranke kann von einem
Verbote des Aufenthalts an bestimmtem Orte
bis zur Ausweisung aus dem Schutzgebiete ge-
steigert werden. Die Anordnung geht von dem-
jenigen VerwoOrgane aus, dem die Polizeigewalt
zusteht, unter keinen Umständen von Eingebornen.
In dieser Hinsicht hat die Entwicklung der politi-
schen Verhältnisse auch dem Vertrage mit den
Bastards in Rehoboth v. 15. 9. 85 Z. 4 („doch be-
halten sich die Bürger von Rehoboth die Freiheit
vor, in jedem Einzelfall die Bedingungen festzu-
stellen, unter denen der Fremde in ihren Gebieten
bleiben darf"“) die Fortwirkung genommen. Für
die Durchführung der Anordnungen und die Be-
schwerde (bis an den Reichskanzler) kommt die
Kaiserliche V betr. Zwangs= und Strafbefugnisse
der Verw Behörden v. 14. 7. 05 (RGhl 717) 558 8Sf.
nebst den für die einzelnen Kolonien ergangenen
Ausführungsbestimmungen in Betracht.
In dieser Rechtsauffassung finden ihre Grund-
lage auch
2. Anordnungen allgemeineren Inhalts in ein-
zelnen Schutzgebieten:
a) Zulassung (Einwanderung) in
das Schutzgebiet: für Südwestafrika Vd.
Gouverneurs v. 15. 12. 05/12. 6. 09 betr. die
Einwanderung in das Schutzgebiet (Inhalt oben
S 289); die deutsche Ostafrika-Linie befördert
deshalb Reisende nur dann nach Südwest, wenn
sie eine feste Anstellung oder den Besitz von
400 Mk. nachweisen, wovon 250 Mk. als Deckung
für die Rückfahrkosten zu hinterlegen sind (Deutsch-
Südwestafrika, Amtlicher Ratgeber 1908 S 40).
Für Ostafrika (27. 2. 09), Togo (5.6. 09),
Kamerun (ogl. Kolonialhandelsadreßbuch 1910
S 143), Neu-Guinea (12. 8. 05 und
14. 10. 07) sind mit Rücksicht auf die Armenpflege
Bestimmungen getroffen, wonach Weiße, die beim
Betreten des Schutzgebietes nicht nachweisen
können, daß sie im Schutzgebiet eine Anstellung
erworben haben oder über die Mittel zur Rückreise
in die Heimat verfügen, das Schutzgebiet wieder
verlassen müssen. (Togo verlangt hierfür die
Hinterlegung von 350 Mk. bei Nachweis von
500 Mk. Barschaft, Kamerun Hinterlegung
von 250 Mk. bei 2000 Mk. Barmitteln, in Neu-
Guin ea ist die Behörde des Einwanderungs-
hafens berechtigt, 700 Mk. Sicherheit zu ver-
langen).
b) Die Bewegungsfreiheit ist für
gewisse „gesperrte Gebiete“ ausgeschlossen: na-
mentlich wo die eingeborene Bevölkerung für die
Aufnahme des öffentlichen Verkehrs noch nicht
reif erscheint. Für Ostafrika V v. 7. 3. 06,
23. 5. 06 für die Massai-Reservate (Kolon Gg
10, 124, 127, 193); für Südwestafrika
(Amboland und Caprivizipfel) durch die V v.
25. 1. 06 und 16. 10. 08 (10, 27; 12, 436), für
Kamerun (Dschang, Bamenda) V v. 13. 4.
und 12. 19./10. 07 (11, 218, 399, 405), für Togo
(Sokode-Basari, Mangu-Jendi) V v. 20. 9.,
5. 10., 22. 11. 07 (11, 376, 396, 420). Hierhin
zu zählen sind auch die V gegen das unbefugte
Betreten der Diamantfelder v. 12. 4. 09 (Lü-
deritzbucht) und 7. 5. 10 (Swakopmund).
c) Gewerbliche Betätigung Ko-
lonialgewerberecht.
d) Grunderwerb Schutzgebiete, Land-
frage; Kronland, Enteignung.
e) Fortweisung aus dem Schusts-
gebiete 7X Ausweisung §5 2 oben S 288.
II. Für die Eingeborenen" des Schutz-
gebietes ist eine Ausweisung ausgeschlossen (oben
S 289 Z. 3). Im übrigen aber kann ihre F. ge-
mäß Kais. V v. 3. 6. 08 §5+ 1 Z. 2 (Rl 397),
soweit es nicht gegen den Sinn der mit ihnen ab-
geschlossenen Verträge verstößt, beschränkt wer-
den. Der Gesichtspunkt der Sicherheit der Be-
völkerung und der Bewahrung von Produktions-
kräften auf ihrem natürlichen Verbreitungsge-
biete neben humanitären Erwägungen führt zu
einer Unterbindung der Auswanderung (Ost-
afrika V v. 26. 3. 96, 12. 8. 01, Kolon GEg 6, 379;
Kamerun V v. 11. 12. 93, Kolon GEg 2, 64; Togo
v. 15. 11. 99, Kolon GEg 4, 132; Südwestafrika
v. 30. 11. 01, Kolon Gg 6, 427; Neu-Guinea v.