Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Agrargesetzgebung (Württemberg — Baden) 79 
die Einführung neuer oder die Vermehrung be- 
stehender Nutzungen einer Regierungsgenehmi- 
gung bedarf (a 20 Gemeindeangehörigkeits G v. 
16. 6. 85). Tatsächlich geht das Bestreben auf Er- 
haltung der althergebrachten und in den meisten 
Gemeinden bestehenden Gemeindenutzungen. In 
den neuwürtt. Gebietsteilen hat sich vielfach die 
Realgemeinde erhalten, die hieraus fließenden 
privatrechtlichen Nutzungen oder Almenden wer- 
den durch die Ablösung der mit ihnen verbundenen 
Leistungen zum Teil aufgehoben oder in öffentlich 
rechtliche Nutzungen umgewandelt [sGemein- 
heitsteilungen l. 
Kiteratur: bei den Sonderartikeln. 
Hofacker. 
V. Baden 
A. Geschichtliche Entwicklung. 4 1. Grund- 
lastenablösung (bis 1850). # 2. Ausgestaltung des Landwirt- 
schaftsrechts seit 1850. — B. Das geltende Recht. 
#5 3. Die landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse: 1. Vermar-= 
kung, Vermessung, Aufzeichnung der landw. Grundstücke; 
2) Teilung, Vererbung, Uebertragung des landw. Besitzes, 
a) Parzellenteilung, b) Gemeinheitsteilung und Feldbe- 
reinigung, c) Geschlossene Hofgüter und Anerbenrecht, 
d) Gewerbsmößiger Handel mit Grundstücken. # 4. Schutz 
und Förderung der Pflanzenerzeugung: a) Feldpolizei- 
ordnungen, b) Maßnahmen gegen Pflanzenschädlinge, 
c) Wasserwirtschaftliche Maßnahmen. 5 5. Förderung und 
Schutz der Tierhaltung und Tierzucht. 1 6. Landwirtschaft- 
liches Versicherungswesen: 1) Feuerversicherung; 2) Viehver-- 
sicherung: 3) Hagelversicherung. # 7. Verwaltung des land- 
wirtschaftlichen Unterrichts- und Versuchswesens. 1 8. Land- 
wirtschaftliches Bereinswesen und Berufsvertretung. 
A. Geschichtliche Entwichlung 
# 1. Grundlastenablösung (bis 1850). Die 
landwirtschaftliche Gesetzgebung in Baden hat sich 
bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fast aus- 
schließlich mit der Ablösung der Grundlasten be- 
schäftigt und zwar in drei verschiedenen 
Perioden. 
a) Bis 1830. Vom Streben nach Hebung 
der Landwirtschaft getrieben, die fast aus- 
schließlich von Klein= und Mittelbauern aus- 
geübt wurde, haben die Landesherrschaften der 
Gebietsteile, die später zum Großherzogtum Ba- 
den vereinigt worden sind, schon im 18. Jahrh. 
versucht, solche Lasten gegen Entschädigung ab- 
zulösen oder sie doch in dic weniger drückende 
Form fester periodischer Geldleistungen umzu- 
wandeln. Insbesondere gelang es unter der Re- 
gierung des Markgrafen Karl Friedrich der bad. 
Landesherrschaft vielfach, die ihr am bäuerlichen 
Besitz zustehenden dinglichen Lasten in dieser Weise 
aufzuheben oder umzugestalten. Eine eigentliche 
Ablösungsgesetzgebung setzt aber in Baden erst 
mit der Errichtung des Großherzogtums (1806) 
und mit der Erlassung der Verf. von 1818 ein; 
namentlich ist die Lastenablösung bis zur endgül- 
tigen gesetzlichen Regelung fast bei jedem Zusam- 
mentritt der Volksvertretung Gegenstand der 
Beratungen gewesen, wobei meist die Regierung 
oder die zweite Kammer die Anregungen gab, aber 
  
auch die zum großen Teil aus Vertretern des hohen 
und niederen Adels zusammengesetzte erste Kam- 
mer, namentlich unter der Einwirkung des ange- 
sehensten und von der Ablösung am meisten be- 
troffenen Standesherrn, des Fürsten v. Fürsten- 
berg, ihre Zustimmung nicht versagte. 
Bei der Neuordnung des Staatswesens wurden 
zunächst in dem die Grundverfassung der ver- 
schiedenen Stände regelnden 6. Konstitu- 
tionsedikt vom 4. 6. 1808 und in den Zu- 
satz-Artikeln zu dem im wesentlichen eine Ueber- 
setzung des Code Nap. darstellenden, am 1. 1. 1810 
in Kraft getretenen Bad. Landrecht die Leibeigen- 
schaft, soweit sie nicht schon vorher in den einzel- 
nen Gebietsteilen aufgehoben worden war, nur 
in der Gestalt der „Erbpflichtigkeit", 
als Quelle bestimmter persönlicher und dinglicher 
Lasten, sowie die sonstigen dem deutschen Recht 
eigentümlichen dinglichen Verpflichtungen zu 
Diensten und Sachleistungen, insbesondere unter 
dem Namen „Erbdienstbarkeiten“" die 
Reallasten, wie Zehnten, Erbgülten, Erbzinsen, 
Grundzinsen, ferner die ritterlichen Lehen und die 
bäuerlichen Erblehen und Schupflehen, aufrecht 
erhalten. Doch wurde schon im Bad. Landrecht 
die Begründung neuer „Reallasten“ untersagt, 
welche Bestimmung bei Einführung des BGB 
mit der Ausnahme aufrecht erhalten worden ist, 
daß, abweichend vom frühern Recht die Begrün- 
dung einer auf Leibgedingleistung gerichteten 
Reallast gestattet wurde (a 26 bad. AG v. 17. 6. 99 
zum BGB). 
In der ersten bis 1830 dauernden Periode der 
Ablösungsgesetzgebung wurden die in der Mark- 
grafschaft Baden bereits früher beseitigten per- 
sönlichen Abgaben, deren Verpflichtungsgrund 
auf der Leibeigenschaft beruhte, auch in den neu 
hinzugekommenen Landesteilen kraft Gesetzes auf- 
gehoben, ferner die auf Gütern oder auf der Per- 
son haftenden, nicht als Staats= oder Gemeinde- 
steuern zu betrachtenden Pflichten zu Frondlei- 
stungen (Herrenfronden), sowie die nicht mit den 
Lehen, Erblehen oder Schupflehen zusammen- 
hängenden dinglichen Grundzins= und Gültlasten 
für ablösbar erklärt. Auch wurde durch die Nor- 
mative v. 25. 11. 1809, 3. 2. 1815 und 17. 5. 1826, 
welch letzteres die Ablösung des vom Erblehen- 
pflichtigen zu entrichtenden Kanons durch Hin- 
gabe des 18fachen Kapitalbetrags ermöglichte, die 
Umwandlung der im Besitz des Staats (Domänen-= 
ärars) als Erblehenherrn befindlichen bäuerlichen 
Lehen in freies Eigentum der Bauern (die Allo- 
difikation) gefördert; ebenso die Ablösung der 
ritterlichen Lehen, deren Rechtsverhältnisse durch 
das 5. Konstitutionsedikt v. 12. 8. 1807 über die 
Lehensverfassung neu geregelt worden waren, 
durch die landesherrlichen Entschließungen v. 
31. 10. 1809 und den §& 19 der die staatsrechtlichen 
Verhältnisse der Grundherrn ordnenden Dekla- 
ration v. 22. 4. 1824, worin als Ablösungspreis 
15% und bei entfernterer Rückfallsaussicht 10 bis 
5f% des Grundwertes bestimmt wurde. 
b) Ablösung von 1831 bis 1848. Die 
zweite Periode, 1831 bis 1848, räumt zunächst mit 
sämtlichen Herrenfronden und ihren Surrogaten 
auf, indem im Jahre 1831 diese seither nur als 
ablösbar erklärten Lasten gegen Entschädigung als 
aufgehoben erklärt wurden. Ferner wurde durch 
G von 1833 die Ablösung der wichtigsten Grund- 
 
	        
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