Agrargesetzgebung (Hessen)
Verordn. I S 429) die Kolonats- und Leibeigen-
schaftsverhältnisse aufgehoben. Für die beiden
anderen Provinzen (Starkenburg und Oberhessen)
erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft durch
Gv. 25. 5. 1811 (Arch. I S 631); die Begründung
neuer Leibeigenschaftsverhältnisse wurde verbo-
ten. Als Zeitpunkt, bis zu dem die bestehenden
Leibeigenschaftsverhältnisse aufgehoben sein soll-
ten, wurde der 1. 7. 1813 bestimmt. Kriegerische
Unruhen und die Höhe der Abkaufsquote ließen
jedoch die Einhaltung dieses Termins nicht zu;
durch G v. 25. 10. 1815 wurde das Ende der Leib-
eigenschaftsabgaben auf den 1. 1. 1816 erstreckt.
A2?#bl der Vl v. 17. 12. 1820 erklärte: „Die Leib-
eigenschaft bleibt nach den deshalb bestehenden
Gesetzen für immer aufgehoben.“ Immerhin
dauerte es eine Reihe von Jahren, bis die Durch-
führung gelang; noch im Jahre 1823 war die Ent-
schädigungsermittelung für viele Bezirke nicht
erfolgt, für zahlreiche andere Bezirke lagen noch
Beanstandungen vor. In der im Jahre 1815 mit
dem Großherzogtum verbundenen Provinz Rhein-
hessen hatte schon die französische Gesetzgebung
(G v. 17. 7. 1793 und Regl v. 6. Germ. VI) alle
Lehnsrechte und alle die Freiheit und das Eigen-
m beschränkenden fiskalischen Gerechtsame be-
eitigt.
5#2. Aufhebung und Ablösung der bänerlichen
Lasten. In engem Zusammenhange mit den in
1 geschilderten Maßnahmen steht die Befreiung
des bäuerlichen Grundbesitzes von der großen
Zahl drückender Lasten. Ihr Ursprung beruhte,
wie auch anderwärts, auf Leibeigenschaft, Grund-
herrschaft und Gerichtsherrschaft. Rechtlich unter-
schieden sich diese Lasten von einander dadurch,
daß die Grundlage der grundherrlichen Leistungen
eine privatrechtliche war, während die Leistungen
an die Gerichtsherrschaft öffentlichen (steuerlichen)
Charakter besaßen. Der bäuerliche Grundbesitz
selbst war in der Provinz Starkenburg überwie-
gend zehnt= und grundzinspflichtiges Eigentum;
in Oberhessen stand ein großer Teil der bäuerlichen
Güter in abgeleitetem erblichem Nutzungsbesitz
(Landsiedelleihegüter und Bauernlehen)
a) Die Fronden. Das G v. 25. 5. 1811
(Arch 1 S 631) ordnete in Verbindung mit der
Aufhebung der Leibeigenschaft (o. § 1) die ver-
tragsmäßige Ablösung aller aus der Leibeigen-
schaft fließenden Fronden. Für die „Domanial=
und gutsherrlichen Fronden“, die nicht Ausflüsse
der Leibeigenschaft, sondern „bloße gutsherrliche
Berechtigungen“ waren, regelte die V v. 13. 5.
1812 (Arch 1 S724) die Verwandlung in ständige
jährliche Grundzinsen und die Möglichkeit des
Abkaufs (vgl. hierzu auch V v. 25. 10. 1815,
Arch II S 211). Alle „Staats-“ oder „Landes-
fronden“ (zu Gunsten des großherzoglichen Hofes,
des Militärs, zur Unterhaltung der Staatsge-
bäude u. a. m.) wurden durch Gv. 8. 4. 1819
(Arch II S 775) unentgeltlich aufgehoben. Auf-
gehoben wurden auch (unter Entschädigung der
Frondberechtigten aus der Staatskasse) durch G
v. 6. 3. 1824 (Reg Bl 1824 S89) die Jagdfronden.
Auch die Verfassungsurkunde griff ein und be-
stimmte in a 26, daß „.ungemessene Fronden nie
mehr stattfinden, gemessene ablösbar sein sollten“.
Hinsichtlich der in den Provinzen Starkenburg und
Oberhessen zum Vorteil einzelner geistlicher Stel-
len oder Schulstellen zu leistenden Fronden er-
möglichte das G v. 29. 1. 36 (Reg Bl 1836 Sö1)
die Verwandlung in ablösbare Grundrenten.
Für die Gegenwart s. u. c.
b) Die Zehnten. In Rheinhessen hatte
bereits vor seiner Einverleibung in das Groß-
herzogtum das Regl v. 6. Germ. VI alle Arten
von Zehnten beseitigt. Geblieben war nur die
Abgabe von der Tranbenernte:; im übrigen kannte
der Code civil (a 530, 637) als Grundstückslasten
nur Servituten und ablösbare Geldrenten. In
den beiden rechtsrheinischen Provinzen Starken-
burg und Oberhessen wurden durch G v. 15. 8.
1816 (Arch II S 253) die fiskalischen Zehnten in
ständige jährliche Grundrenten verwandelt, eine
Regelung, die durch V v. 24. 1. 1818 (Arch II
S 475) auf die Zehnten der Pfarreien und Stif-
tungen ausgedehnt wurde. Schärfer durchgrei-
fend beseitigte das Gv. 7. 2. 1821 (RegBl 1821
S 13) ohne Entschädigung den Novalzehnten für
neue Rodungen. Durch G v. 13. 3. 1824 (Reg Bl
1824 S 195) und v. 20. 6. 31 (Reg Bl 1839 S 227)
wurde ferner die Möglichkeit der Verwandlung
nicht-fiskalischer Zehnten in Grundrenten fest-
gestellt: über ihre Ablösung trafen die G v. 27. 6.
1836 (Reg Bl 1836 S 373) und v. 3. 10. 49 (Reg BBl
1849 S 531) nähere Bestimmungen. Zur Ab-
lösung war ein Antrag des größeren Teils der Be-
sitzer zehntpflichtiger Grundstücke einer Gemar-
kung erforderlich; die Feststellung der Grundrente
erfolgte auf Grund des 18jährigen Durchschnitts-
ertrags oder im Wege der Abschätzung. Nach
ähnlichen Grundsätzen, wie sie das G v. 27. 6. 36
enthielt, regelte für Rheinhessen das Gv. 9. 8. 36
(Reg Bl 1836 S 401) die Ablösung der noch auf-
recht erhaltenen Abgaben der Traubenernte von
Weinbergen. Für die Gegenwart s. u. c.
c) Grundrenten. Berecits die Ausfüh-
rungen unter a und b erwähnten die Ablösung
von Grundrenten. Eine allgemeine Ablösung der
als Reallast auf bestimmten Grundstücken haften-
den Grundrenten und Grundzinsen (unter Zu-
hilfenahme der Staatsschuldentilgungskasse) regelt
das G v. 27. 6. 36 (Reg Bl 1836 S 373) und das
Gv. 27. 6. 36 betreffs die Mitwirkung der Staats-
schuldentilgungskasse zur Ablösung der Grund-
renten (Reg Bl 1836 S 381). Nähere Ausfüh-
rungen über die Berechnung des Geldwertes der
ständigen und unständigen Naturalgrundrenten
und über die Dauer der Tilgungsperioden trafen
die Bek v. 6. 7. 36 (Reg Bl 1836 S 384) und v.
10. 1. 37 (Reg Bl 1837 S?21). Beide G v. 27. 6. 36
wurden durch G v. 2. 2. 41 (RegBl 1841 S 81)
auf Rheinhessen ausgedehnt.
Keine dieser Bestimmungen ist
gegenwärtig noch in Kraft. Alle
sind vielmehr durch das Gesetz
vom 24. 7. 99 (Reg Bl 1899 S 379) und die
dazu erlassene Verordnung vom
25. 8. 1900 (Reg Bl 1900 S495) ersetzt. Ein-
zelheiten hierfür 7Ablösung der
Reallasten.
4) Weideberechtigungen. Eine wich-
tige Rolle unter den Reformen zur Befreiung des
landwirtschaftlichen Grundeigentums spielte auch
die Einschränkung der Weideberechtigungen. Be-
reits die Gemeinheitsteilungs O v. 7. 9. 1814
(Arch II S 80) hatte die ungesunde Ausübung der
Weideberechtigungen bekämpft, hatte aber nicht
alle Nachteile zu beseitigen vermocht. Hier griff