Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Gemeindegerichte 
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der eben zitierten Stelle kommen hier in Betracht 
die Bestimmungen des Landesrechts in Baden 
und Württemberg, den einzigen deutschen Staa- 
ten, die von der reichsrechtlichen Erlaubnis Ge- 
brauch gemacht haben. Für Württemberg aus 
dem Al zur 3P v. 18. 8. 79 (RegBl 173), abg. 
1899 und neupubliziert 31. 7. 99 (Regl 5460) die 
à 3—13, à 13 ersetzt durch G v. 20. 2. 02 (RegBl 
65), àa 4 abg. durch die Gem O v. 28. 7. 06 (Reg Bl 
323) a 31 Abs 4, à 3, 5, 6 abg. durch G v. 5. 7. 10 
(Reg Bl 297). Für Baden aus dem EW zu den 
Reichsjustiz G v. 3. 3. 79 (Gl 91), abg. 1886 und 
1899, neupubliziert 1899 (GBl 805), die §#§# 115 
bis 123, 53 115 ersetzt durch G v. 21. 7. 08 (GBl. 
329) a I. Außer diesen landesrechtlichen Haupt- 
quellen kommen noch in Betracht die Bestimmun- 
gen der DAnw für die G. (für Württemberg in 
der Fassung v. 23. 2. 10, JM 31 ff; für Baden 
in der Fassung v. 8. 3. 10, GBl 140 ff), der Ko- 
stengesetze usw. 
5#2. Die Orgaue der Gemeindegerichtsbarkeit 
(Hegler § 6). In Württemberg sind die G. regel- 
mäßig) kollegialisch organisiert, das G. bildet der 
Gemeinderat, es kann aber durch Gemeindesatzung 
diese Funktion auch einer mit wenigstens drei 
Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden (regel- 
mäßig des Ortsvorstehers, eventuell aber auch 
eines anderen Gemeinderatsmitglieds oder eines 
Gemeindebeamten außerhalb des Gemeinderats) 
besetzten Abteilung des Gemeinderats übertra- 
gen werden. In Baden ist das G. monokratisch 
organisiert, die Gerichtsbarkeit wird für die Regel 
durch den Bürgermeister (Oberbürgermeister) 
ausgeübt, es kann aber auf Antrag des Bürger- 
meisters das Amt des Gemeinderichters durch 
Beschluß des Gemeinderats (Stadtrats) einem 
anderen Mitglied des Gemeinderats übertragen. 
werden, sodann: mit Genehmigung der Mini- 
sterien des Innern und der Justiz kann auf An- 
trag des Bürgermeisters in den Städten der 
Städteordnung durch Ortsstatut, in anderen 
Gemeinden von mehr als 2000 Einwohnern durch 
Gemeindebeschluß bestimmt werden, daß das Amt 
des Gemeinderichters dem Inhaber eines im Be- 
schluß bezw. Statut bestimmten Gemeindeamts 
1879; Adam, Die württemb. Ausführungsgesetze vom 
  
Jahre 1879 usw., 1901; Gaupp, Die auf den Zivil- Par 
für wirksam angesehen (über einschlagende Fra- 
prozeß bezügl. Normen des württemb. Landesrechts (An- 
hang zu Gaupps Zivilprozeßkommentar) 1893; Geß- 
ler, R., Die württemb. Landesgesetze und Berordnungen 
zur Ausführung und Ergänzung der 8PO usw. 1900/1902 
(2. Aufl. des erwähnten Werks von Gaupp, Ergänzung 
zu Gaupp-Steins Kommentar); Beling, E., 
Gürttemb. Prozeßgesetzgebung, Textausg. mit Anm., 1903, 
4 ff. 
Für Baden: Das Einführungsgesetz (mit Erläute- 
rungen) in: „Die badischen Londesgesetze und Verordnungen 
zur Ausführung und Ergänzung der 8PTe“ usw. zusam- 
mengestellt und erl. von Betzinger', 1902 (Anhang 
zu Gaupp-Steins Kommentar), s. weiter noch 
(yassung von 1886) Roller, Der Badische Bürgermei- 
ster, I. Tätigkeit in der streitigen Zivilrechtspflege, 1887, 
auf dort bestimmte Zeit übertragen werden darf, 
die Ernennung bedarf der Genehmigung des 
Bürgerausschusses, in gleicher Weise werden die 
erforderlichen Stellvertreter ernannt. Die un- 
mittelbare Dienstaussicht liegt bei den Amtsge- 
richten. Die G. als solche sind unabhängig, nur dem 
Gesetz unterworfen und staatliche Organe. Ein 
Gerichtsschreiber im Sinne der 3P ist nicht 
vorgesehen. 
5 3,. Der Bereich der Gemeindegerichtsbarkeit 
(Hegler ## 3, 7) ist nach dem Gegenstand be- 
grenzt, sofern es sich handeln muß um „bürgerliche 
Rechtsstreitigkeiten“ und zwar vermögensrechtliche 
Bagatellstreitigkeiten (reichsrechtlich bis zu 60 Mk., 
ebenso Baden; Württemberg differenziert nach 
den Klassen der Gemeinden la 7 GemO v. 28. 7. 
061 — I. Kl. bis zu 50 Mk., II. bis zu 40 Mk., 
III. bis zu 30 Mk. einschl.) mit gewissen Aus- 
nahmen. Ausgenommen von der Gemeindege- 
richtsbarkeit sind besonders in beiden Staaten Kla- 
gen betr. gemeindeauswärtige Immobilien, Klagen 
auf Wildschadensersatz, die den Gewerbe-, Kauf- 
mannsgerichten usw. zugewiesenen Rechtsstrei- 
tigkeiten (s. aber Hegler Anm. 84), in Württem- 
berg Ansprüche aus Wechseln und Schecks, Fest- 
stellung strittig gebliebener Konkursforderungen, 
zweifelhaft ist der Ausschluß betr. Klagen anläßlich 
der Zwangsvollstreckung (§§ 771, 767 usw. ZPO), 
vgl. Hegler Anm. 80. 
Der Bereich ist weiter fubjektiv begrenzt, 
sofern nach Reichs- und Landesrecht beide Streit- 
teile gemeindeansässig (im w. S.) sein müssen, 
Kläger und Bekl. müssen in der Gemeinde den 
Wohnsitz oder eine Niederlassung im Sinne des 
21 ZPO oder als Wohnsitzlose den Aufenthalts- 
ort oder den dauernden Aufenthalt (die Garnison) 
im Sinne des # 20 Z PO haben. Nichtphysische 
Personen, insbesondere die betr. Gemeinden selbst 
scheiden wohl aus (streitig, Hegler Anm. 89, 90). 
Wo hienach Gemeindegerichtsbarkeit schlt, kann 
sie weder einseitig von einer Partei noch durch 
Vereinbarung beider Parteien begründet wer- 
den, wo sie vorhanden ist, kann (muß aber 
nicht) nach württembergischem AG das unter 
Umgehung des G. angerufene ordentliche Gericht 
seine Unzuständigkeit von Amts wegen ausspre- 
chen, das badische Gesetz schweigt hierüber, meist 
wird Parteivereinbarung betr. Umgehung des G. 
gen Hegler § 8). 
# 4. Tas gemeindegerichtliche Verfahren 
(Hegler 88 9, 10). Im großen ganzen entscheidet 
bezüglich des Verfahrens freies Ermessen. Einige 
Punkte allgemeiner Art sind festgelegt. So vor 
allem gilt in Württemberg als Regel das Prinzip 
obligatorischer mündlicher Verhandlung, in Baden 
(nur) das beiderseitigen Gehörs. Das Prinzip des 
Parteibetriebs ist sehr stark zugunsten des Offizial- 
betriebs modifiziert: insbesondere erfolgen die 
endlich (Fassung von 1879) Bingner, Das bad. ES zu 
d. Reichsjustiz G erl. 1879. 
1) Das Mahnverfahren findet vor dem Vor- 
stand des Gemcindegerichts allein statt, weiter kann dieser 
allein in dringenden Fällen Arrestbefehle und einstweilige 
Berfügungen erlassen. 
Zustellungen meist von Amts wegen. Hinsichtlich 
der letzteren treffen das württembergische AG# und 
die badische DAnw besondere von der 8W0 
abweichende Bestimmungen. Die richterlichen 
Prozeßhandlungen betr. ist der Ausdruck „Urteil“ 
vermieden, statt dessen ist von „Entscheidung“ die 
Rede. Die Parteien können sich durch Bevoll- 
mächtigte vertreten lassen, Winkeladvokaten kön- 
nen zurückgewiesen werden (außer soweit ihnen 
mündliches Verhandeln seitens der Justizverwal-
	        
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