Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gendarmerie (Preußen) 
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(GS 141) eingerichtet worden, das lediglich in 
diesem Teile seiner Bestimmungen Bestand ge- 
habt hat (der Name begegnet übrigens auch in 
Preußen schon vorher in dem Kavallerie-Regiment 
„gendarmes“). Die gleichförmige Organisierung 
der Gdie und Gouvernementsmiliz (Niederrhein) 
für alle Provinzen ist durch die V v. 30. 12. 1820 
(GS1821 S 1) nebst Dienst Instr vom gleichen 
Tage (GS 1821 S 10) erfolgt, die durch Kal 
Erl v. 30. 12. 50 (GS 1851 S 703) in die Fürsten- 
tümer Hohenzollern übertragen sind. In den 
neuen Provinzen ist die Uebereinstimmung durch 
die Kgl V v. 23. 5. 67 (GS 777) und eine (nicht 
verkündete) Dienst Instr vom selben Tage herbei- 
geführt. Nur nach innen, weil nicht verkündet, 
haben daneben Geltung: das Order= und Instruk- 
tionsbuch v. 10. 8. 86 mit Ergänzungen, die Instr. 
v. 23. 9. 93 über das Verhalten der G. in den- 
jenigen Landesteilen, die vom Feinde unmittelbar 
bedroht sind, sowie die eingehende, mit Geneh- 
migung der Minister des Innern und des Kriegs 
von dem Chef der Land Gdie erlassene „Dienst- 
vorschrift“ v. 20. 7. 06. 
1. Die Gdie ist in Rücksicht auf Oekonomie, 
Disziplin und die übrige innere Verfassung 
militärisch organisiert und in dieser Hinsicht un- 
ter dem Oberbefehl eines Generals als Chefs dem 
Kriegsministerium unterstellt, während sie in An- 
sehung der Wirksamkeit und Dienstleistung unter 
den mit der Polizeigewalt ausgestatteten Zivilbe- 
hörden — vom Min Inn bis zum Landrate — 
steht. Dieser Doppelstellung wird im einzelnen 
Rechnung getragen, wobei Zweifel nicht ausblei- 
ben, z. B. für das Antragsrecht bei Beleidigung 
von G. (oben &52 II) oder indem im Falle einer 
Verfolgung der G. der Konflikt (Xl durch den Reg- 
Präsidenten erhoben und durch das OV ent- 
schieden wird (OVG 31, 441). Die Tätigkeit der 
Gdie erstreckt sich in der Hauptsache, jedoch keines- 
wegs allein, auf das platte Land; vgl. § 1 Abs 2 
des früheren Polizeikosten G v. 20. 4. 92. 
2. Das Gdie Korps ist in „Brigaden“ ein- 
geteilt, deren Dienstbereich je eine Provinz 
umfaßt (Hohenzollern ist der 8. Brigade zuge- 
teilt), mit einem Brigadier (in der Regel Oberst, 
Oberstleutnant) an der Spitze. Die Brigade ist 
unter Berücksichtigung der Kreisgrenzen in „Di- 
strikte“ eingeteilt lan der Spitze ein Distrikts- 
offizier). Diese zerfallen in „Beritte“, die in der 
Regel einen Landkreis umfassen, mit einem 
Oberwachtmeister an der Spitze. Innerhalb des 
Beritts sind die berittenen und Fuß G. an bestimm- 
ten Stationen angesetzt unter Zuweisung eines 
Patrouillenbezirkes. Die Verteilung der Gdie im 
Lande nach Maßgabe des Bedürfnisses und der 
örtlichen Verhältnisse geschieht durch den Min Inn 
nach Rücksprache mit dem Chef der Gdie; bloße 
Veränderungen in der Verteilung der Gdie inner- 
halb desselben Reg Bezirks stehen dem Reg Präsi- 
denten im Einvernehmen mit dem Brigadier zu 
(V v. 28. 1. 66, MBli V 27). 
3. Aufgabe der Odie ist die Sorge für die 
Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und 
Ordnung (*51; Einzelheiten § 12 d. V). Zur Er- 
füllung dieser Aufgabe treten die G. in ein Dienst- 
verhältnis zu den mit der Polizeigewalt betrauten 
Zivilbehörden, zunächst zu dem Landrat. Die 
Amtsvorsteher sind nur befugt, die G. zu „requi- 
rieren“ (KrO §# 65). Die Zivilbehörde erteilt dem 
  
G. Anweisungen und ist allein für die Rechtmäßig- 
keit ihrer Anordnungen verantwortlich. Der Zi- 
vilbehörde kommt es deshalb auch zu, den Kon- 
flikt zu erheben. Den Militärvorgesetzten (zunächst 
dem Oberwachtmeister) liegt es ob, die G. auf ihre 
Pflichttreue zu kontrollieren. Zivilbehörden und 
Militärvorgesetzte stehen in keinem Unterordnungs- 
verhältnis (I 17, 18 d. V). Gemeinsame Ent- 
schließungen bei Beurlaubung des G., Dienst- 
entziehung infolge Untersuchung gegen einen G. 
Die Brigadiers müssen auf Einladung des Reg- 
Präsidenten oder Abteilungsdirigenten zur Be- 
ratung der Regierung erscheinen, können aber 
auch selbst auf Zulassung zur Sitzung antragen 
(5 16 d. V). Die Zivilbehörde hat keine Diszipli- 
nargewalt, sondern kann den G. höchstens „zurecht- 
weisen“ oder auf seine Disziplinierung oder auf 
Abberufung bei dem Militärvorgesetzten, der statt- 
gegeben werden muß, antragen (§ 17 d. V; KabO 
v. 21. 1. 32; Kamptz Annalen 147). 
4. Die Anstellung der GEdie Offiziere ge- 
schieht durch den König. Erfordert wird Einarbei- 
tung auf einer Gdie Schule während 3 Monaten. 
Die Gdie Offiziere unterstehen der Ehrengerichts- 
ordnung (Allerh. Vo. 2.5.74 4 Z. 4), bezichen Ge- 
halt und Pension nach den Vorschriften für Offi= 
ziere des Reichsheeres (§4 Gv. 27. 3. 72/27., 5. 07). 
Die Anstellung der G. (und ihre Beförderung) er- 
solgt durch den Chef der Gdie aus Unteroffizieren 
nach gjähriger, u. U. 6jähriger Dienstzeit. Wegen 
Erlangung des Zivilversorgungsscheins oben 521b. 
Die Anwärter müssen „den unverletzten Ruf der 
Treue, Ehrlichkeit, Nüchternheit und eines untadel- 
haften Lebens haben, auch wegen eines gemeinen 
Vergehens niemals eine körperliche Strafe erlitten 
haben, ganz fertig lesen, verständlich schreiben 
und in den vier Spezies rechnen können und von 
starkem gesundem Körperbau und von guten, 
natürlichen Geistesanlagen sein“; auch schulden- 
frei und nicht über 35 Jahre alt. Nach Bestehen 
einer Vorprüfung vor dem nächsten Distriktsoffi- 
zier werden die Anwärter nach Bedarf durch die 
Brigade zu einer Probedienstleistung auf 6 Mo- 
nate einberufen: 3 Monate Kursus auf einer Gdie- 
Schule, 3 Monate Praxis (Dienstvorschrift Z. 6, 7; 
V v. 6. 1.02, MBli V 9). Die Vereidigung 
erfolgt durch den Militärvorgesetzten (KabO v. 
22. 8. 1829, Kamptz Ann. 13, 562). Die G. haben 
den Rang der Unteroffiziere und im Geltungs- 
bereiche des preußischen MStGB Befehlsgewalt 
über die ihnen im Range nachstehenden Militär- 
personen (KabO v. 19. 7. 73). „Wachtmeister“ ist 
bloß ein Titel für die mit Portepee in das Gdie- 
Korps eintretenden oder später von dem Chef mit 
dem Portepee beliehenen Mannschaften. Die 
Oberwachtmeister stehen im Range der Subaltern- 
beamten 2. Klasse (Kgl Erl v. 15. 4. 05, GS 227). 
Die G. müssen ihren Dienst grundsätzlich in Uni- 
sorm versehen (& 19 Instr). Zivilkleidung für 
Dienstzwecke beschafft der Staat, nicht Gemeinden 
u#w. Ueber die Dienstgeschäfte hat der G. ein „Tage- 
buch" zu führen. Die G. erhalten Löhnung und 
Wohnungsgeldzuschuß nach Gv. 12.5.73(0 S209), 
Zahlung des Gehaltes Gv. 6. 2.81 (G 17). Freie 
ärztliche Behandlung für sich und ihre Familie 
durch Militärärzte am Orte (Friedens-Sanitätsord- 
mung Nachtrag 1 Z. 4, Nachtrag III Z. 440). Für 
die Pensionierung der G. gilt das Zivilpensions- 
Gv. 27. 3. 72 (GS 268, Dienstvorschrift Z. 97).
	        
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