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Gesindepolizei
offizianten“, als welche nicht Dienste niederer
Art zu leisten haben, auf der Grundlage wissen-
schaftlicher oder künstlerischer Kenntnisse oder
Fähigkeiten tätig sind, Erzieher, Inspektoren,
Haushofmeister, Forstaufseher, Privatsekretäre u.a.
Auf dem Gebiete des Handelsrechts scheiden aus
sämtliche Handelsangestellte, Handlungslehrlinge,
Handlungsgehilfen. Ebenso innerhalb des ge-
werblichen Betriebes die Gesellen, Gehilfen, Fak-
toren, Fabrikarbeiter und Fabrikfaktoren, das im
Gastwirtschaftsbetriebe beschäftigte Gewerbege-
hilfenpersonal, [JArbeiter, gewerblichel;
schließlich die im land= und forstwirtschaftlichen
Betriebe tätigen Tagelöhner, ländlichen Arbeiter #,
Wirtschaftslehrlinge, Forstleute, Schnitter und
Sachsengänger, Wanderarbeiter. Immerhin ist
im Einzelfalle eine Doppelbeschäftigung nicht
ausgeschlossen, es kann die Haupttätigkeit ihre be-
sondere Bedeutung für die Entscheidung, ob der
Dienstpflichtige noch zum Gesinde gehöre, nicht
verleugnen.
Der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses ist
darin gelegen, daß der Dienstverpflichtete einer
Befehlsgewalt der Dienstherrschaft unterworfen
ist. Danach haben aber nicht mehr bloß die Ver-
tragsparteien, sondern es hat auch die Oeffent-
lichkeit einen Anlaß, daß das Vertragsverhältnis,
weil es in die häuslichen Verhältnisse der Gesamt-
heit erheblich eingreift, nicht in Privatinteressen
aufgehe. Durch Strafdrohung verschärfte Ord-
nungsvorschriften regeln deshalb den Dienstan-
tritt (Dienstbuch, GesRegister), den Ausschluß der
Vermietung bei sittlich bedenklichen Dienstgebern,
das gleichzeitige Vermieten bei mehreren Dienst-
herrschaften, das Abspenstigmachen des Gesindes,
das widerrechtliche Verlassen des Dienstes. Dazu
tritt eine polizeiliche Vermittlung bei Streitig-
keiten, die in Preußen in beträchtlichem Umfange
beiden Teilen dient, aber auch bis zu körperlichem
Zwange gegen das Gesinde, um die Fortführung
der Dienste durchzusetzen, gesteigert werden kann.
Andrerseits liegt der Polizei eine Fürsorge über
die Wohnungs= und Gesundheitsverhältnisse des
Gesindes ob, und sie leiht dem Gesinde auch ihre
Unterstützung zur Erlangung wahrheitsgemäßer
Zeugnisse über seine Führung. Einc besondere
Regelung hat die Stellenvermittlung NI erfahren.
Im einzelnen finden sich diese Maßnahmen
allerdings nicht in allen deutschen Staaten und
nicht immer übereinstimmend.
Die Gesetzgebung für das Gesinde hat sich be-
greiflicherweise in stark partikulärer Zersplitterung
und auch Eigenheit entwickelt. Das BGB hat
sie aber nicht unberührt gelassen. à 95 EG kommt
jedoch für die polizeiliche Seite wenig in Betracht.
Nach Beschl des BR v. 28. 2. 72 dürfen dic in
den einzelnen Gliedstaaten rechtsgültig ausge-
stellten Dienstbücher in dem gesamten Reichs-
gebiete zur Eintragung von Dienstzeugnissen
sortbenutzt werden.
Wegen der Fürsorge für das Ges / Kranken-
versicherung, Invalidenversicherung.
§5 2. Preußen. I. Die Preuß. GesO v. 8. 11.
1810 galt für den damaligen Umfang der Monar-
chie in der Beschränkung auf diejenigen Gebicts-
teilc, in denen die 88 1—176 1I1 5 Ag ihre
Gültigkeit hatten. Für die Tätigkeit der PolBe-
hörden besteht der leitende Grundsatz, daß sie nur
erfolgt im Interesse der öffentlichen Ordnung,
in den besonders vorgesehenen Fällen, der Regel
nach auch nur auf Antrag. Die folgenden Mo-
mente sind hervorzuheben:
1. „Für Leute, die bisher noch nicht gedient zu
haben angeben“, besteht gemäß V v. 29. 9. 46
und G v. 21. 2. 72, Min Instr v. 21. 2. 72 die
Verpflichtung der Einholung einer polizeilichen
Ausfertigung des Gesindedienstbuches.
Gegen die Versagung wegen etwaiger Vorstrafen
ist Beschwerde zulässig. Pol Verordnungen be-
strasen Annahme des Gesindes ohne Dienstbuch.
Vernichtete oder verloren gegangene Dienstbücher
werden wiederhergestellt oder ersetzt.
2. Eine endgültige Entscheidung trifft
die Polizeibehörde nach 3 33 GesO
darüber, was „an Lohn, Kostgeld oder Bekösti--
gung“ Gesinde derselben Klasse an diesem Orte
der Regel nach gegeben wird, nach §& 83 über Menge
und Beschaffenheit der Beköstigung, nach § 37
über die Zeit, binnen welcher mangels Vertrags-
bestimmung der männliche Dienstbote die Livree
verdient.
Die Polizei entscheidet vorläufig nach versuchter
Sühne über Schuld und Schadensersatz (§ 47),
wenn die Annahme des Gesindes verweigert wird.
Gegen die Entscheidung steht die Beschwerde offen,
die Verw Klage, auch der Rechtsweg. Weigert sich
das Gesinde, den Dienst anzutreten, so muß die
Obrigkeit dasselbe durch Zwangsmittel dazu an-
halten, solange ein gerichtliches Urteil nicht er-
gangen ist (§51). Zum Sühnetermine kann der
Dienstbote zwangsweise gestellt werden. Gegen
den über die Verpflichtung zum Dienstantritt
ergehenden Beschluß stehen dieselben Rechts-
mittel offen. Die Vollstreckung gegen den Dienst-
boten erfolgt gewöhnlich durch dessen Zuführung,
für diesen Zweck sollen die Pol Behörden sich die
Rechtshilfe leisten. Hinsichtlich des gesundheit-
lichen Interesses der Dienstboten finden nunmehr
## 617, 618 BGB Anwendung. Es soll je-
doch, falls die Erkrankung des Gesindes über die
Dienstzeit hinaus fortdauert, nach § 93 GesO
die Ortsobrigkeit für das Unterkommen der Kran-
ken Sorge tragen. Wenn eine ungesetzliche Ent-
lassung des Dienstboten vor Ablauf der Dienst-
gi erfolgt, soll die PolBehörde nach versuchter
eilegung des Streites entweder den Dienstboten
auf den Rechtsweg verweisen oder die Herrschaft
auffordern, ihn wieder aufzunehmen. Ihr gegen-
über stehen Zwangsmittel nicht zu Gebote. Die
polizeilich bescheinigte Weigerung der Herrschaft
ist für den Dienstboten die Voraussetzung der
Zivilklage (# 160). Das Gesinde, welches ohne
gesetzmäßige Ursache den Dienst verläßt, muß
nach § 167 durch Zwangsmittel zu dessen Fort-
setzung angehalten werden. Bei wiederholtem Ver-
lassen des Dienstes können diese wiederholt werden.
3. Nach & 171 muß die Herrschaft dem Gesinde
einen jetzt durch Eintragung in das Dienstbuch
ersetzten Abschied erteilen und ein Zeugnis
über die geleisteten Dienste. Enthält dieses Be-
schuldigungen, „die sein weiteres Fortkommen
hindern würden“, so kann das Gesinde die poli-
zeiliche Untersuchung beantragen (I 172). Gegen
die abweisende Verfügung ist das Verw Streit-
verfahren zulässig, die begründcte Beschwerde
führt zur Ausstellung des der Sachlage entspre-
chenden Zeugnisses auf Kosten der Herrschaft.
Gegen die polizeiliche Entscheidung steht dem