Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gesindepolizei 
  
lassung der Dienstboten kann im Zuwiderhand- 
lungsfalle polizeilich erzwungen werden. Die 
Herrschaft ist bei Strafe gehalten, sich vom Dienst- 
boten das von der Pol BBehörde ausgestellte Dienst- 
buch vorlegen zu lassen und den Tag des Dienst- 
Antritts oder Austritts darin zu vermerken (§5 
100—107). Die Pol Behörde entscheidet ausschließ- 
lich, wenn das Führungszeugnis verweigert wird, 
der Dienstbote sich durch den Inhalt beschwert 
fühlt oder die zwangsweise Zuführung des Ge- 
sindes in Frage steht. 
Die PolBehörde entscheidet vorläufig, wenn 
Streit entsteht, über Beköstigung, Wohnung, 
Antritt, Fortsetzung, Aufhebung des Dienstes. 
Die Entscheidung ist vollstreckbar, sie ist aber nicht 
Voraussetzung des konkurrierenden Rechtswegs 
(ss 53, 115). Die Herrschaft kann binnen einer 
Woche gegen den Dienstboten, der eigenmächtig 
aus dem Dienste tritt, Bestrafung oder aber Zu- 
führung beantragen. Schließlich bestraft § 28 
auch das Abspenstigmachen des Gesindes und den 
Versuch dazu. Als Rechtsfolge der Vertrags- 
widrigkeit ist sonst auf die Schadensersatzpflicht 
hingewiesen. G„ 
5. Württemberg. Die Ges v. 28. 7. 99 re- 
gelt das Gesindewesen insbesondere nach seiner pri- 
vatrechtlichen Seite hin. Für Streitigkeiten unter 
den Kontrahenten sind die Gemeindegerichte (M 
zuständig. Nach à 4 kann die Ortspolizeibehörde 
die Annahme oder Beibehaltung von Dienstboten 
unter 18 Jahren solchen Personen untersagen, 
die oder deren in demselben Haushalte lebende 
Ehegatten nicht im Besitze der bürgerlichen Ehren- 
rechte sich befinden oder gemäß ### 38, 39, 361 
Nr. 6 St GB unter polizeilicher Aufsicht stehen. 
Nötigenfalls ist die Entlassung der Dienstboten 
zwangsweise durchführbar. Gegen die Anord- 
nung ist die allgemeine VerwBeschwerde zulässig. 
Zwecks der Legitimation und des beglaubigten 
Ausweises der Beschäftigung und des Verhaltens 
hat die Polizei dem Dienstboten auf sein Ver- 
langen ein Dienstbuch auszustellen (Min E v. 16. 
7. 79). Dienstboten, die ohne gesetzmäßige Ur- 
sache den Dienst nicht antreten oder vor Ab- 
lauf der Dienstzeit verlassen, sind nach a 16 
Pol St GB zu bestrafen. Der erforderliche Straf- 
antrag kann zurückgenommen werden. a 29a 
der Polizeistrafnovelle v. 4. 7. 98 ermöglicht der 
PolBehörde eine Kontrolle darüber, ob die Herr- 
schaft der Verpflichtung aus § 618 BGB nach- 
kommt. Strafbar ist das Unterlassen der anbe- 
fohlenen Beseitigung von Uebelständen hinsicht- 
lich der Wohn= und Schlafräume. Von zwangs- 
weiser Zuführung des Gesindes ist abgesehen. 
#6. Baden. Das Dienstboten G in der Fassung 
v. 3. 3. 79 und 20. 8. 98 regelt das Gesindewesen 
fast nur vom privatrechtlichen Gesichtspunkte aus. 
Es besteht keine Bestrafung des Vertragsbruchs, 
auch keine Zwangsanwendung zur Erfüllung des 
Dienstvertrages. Das Bürgermeisteramt hat eine 
beschränkte Zuständigkeit betreffend Entscheidung 
über die Entschädigungsklage, wenn der Dienst- 
bote vertragswidrig den Dienst nicht antritt, 
unbefugt austritt, infolge Verschuldens entlassen 
wird. Nach § 20 müssen minderjährige Personen 
ein Dienstbuch haben, Zeugnisse werden in dem- 
selben nicht eingetragen. Beim Abgange der 
Dienstboten ist auf Verlangen cin solches auszu- 
stellen. Mit abfälligen „Merkmalen“ darf dieses 
  
nicht versehen sein. 3 24 enthält eine Strafsatzung 
gegen Dienstherrn und Dienstboten wegen Zuwi- 
derhandlung gegen die die Ausstellung des Zeug- 
nisses oder Ausfertigung von einem Gescdienst- 
buch betreffenden Vorschriften. Die Min V v. 
21. 8. 98 verweist in betreff der Einrichtung der 
Dienstbücher, der Ausstellung der Dienstzeugnisse, 
deren Beglaubigung, auch (5§ 4) Unbrauchbar- 
machung oder Vernichtung auf die in der GewO 
betreffend die Arbeitsbücher erlassenen Vor- 
schriften. 
#7. Hessen 7). Nach GesO v. 28. 4. 77/3. 8.99 
muß jeder Dienstbote von der Ortspolizeibehörde 
in das von dieser zu führende Gesinderegister 
(Eintragung der Zeugnisse und Strafurteile, Ein- 
sicht für Dienstgeber a 31, 32) eingetragen werden 
und erhält ein vorschriftsmäßiges Dienst- 
buch, das er zur Vermeidung von Strafe un- 
verzüglich der Dienstherrschaft abgeben muß. Die 
Dienstherrschaft kann, wenn ein Dienstbote den 
Dienst vertragswidrig nicht antritt oder ihn un- 
befugt verläßt, auch das Einschreiten der Orts- 
polizeibehörde in Anspruch nehmen, die den 
Dienstboten jedoch nur zum Eintritt in den Dienst 
binnen 24 Stunden unter Androhung einer Geld- 
strafe von 10—40 Mk. auffordern kann, deren 
Festsetzung aber der Dienstgeber beim Amtsge- 
richte beantragen muß (Umwandlung in Haft). 
Mehrfache Vermietung oder Verleitung eines 
Dienstboten zur widerrechtlichen Aufgabe des 
Dienstes ist auch strafbar (10—50 Mk., a 3—5). 
Eine bemerkenswerte Strafdrohung (5—40 Mk.) 
ist gegen denjenigen Dienstgeber aufgestellt, der 
einem erkrankten in die häusliche Gemeinschaft auf- 
genommenen Dienstboten nicht die erste Hilfe- 
leistung gewährt (a 10). Die Ortspolizei kann 
bei Beendigung des Dienstes von dem Dienst- 
geber die Ausstellung eines Zeugnisses über die 
Aufführung des Dienstboten unter Strafdrohung 
verlangen (a 29). Das PolSt GB (a 92, 93) 
droht Strafe (für Dienstboten und Dritten), wenn 
ein bei dem Dienstgeber wohnender Dienstbote 
ohne besondere polizeiliche Erlaubnis eine Stube 
mietet oder (auf Klage der Herrschaft), wenn 
ein Dienstbote sich ohne Urlaub über Nacht aus 
dem Hause entfernt oder andere Personen be- 
herbergt. 
8 8. Elsaß-Lothringen. Das Gv. 26. 7. 03 
betreffend die Rechtsverhältnisse der Dienstboten 
hat der Pol Behörde die Ausstellung des GesBuchs 
aufgegeben, welches nötigenfalls wieder ersetzt 
wird, und dessen Vernichtung strafbar ist. Die 
Polizei führt ein Verzeichnis der Dienstbücher. 
Die Herrschaft hat in dem Buch eine Bescheini- 
gung über Art und Dauer der Beschäftigung 
auszustellen. Die Pol Behörde entscheidet vorläu- 
sig, wenn Streit entsteht hinsichtlich der Beschei- 
nigung und Herausgabe des Dienstbuches. In 
demselben soll die Behörde Strafen eintragen 
wegen Verbrechens oder Vergehens gegen Ver- 
mögen, Sittlichkeit oder den §+ 361 St GB. Die 
zwangsweise Zurückführung des entlaufenen Ge- 
sindes findet nicht statt, wohl aber die Bestra- 
fung der Gesindevermieter und Stellenvermitt- 
ler, welche den Dienstboten verleiten, den Dienst 
zesgt anzutreten oder denselben vorzeitig zu ent- 
assen. 
  
  
6) Vom Herausgeber.
	        
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