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Gewerbe
ihnen hierbei bezeichnenderweise zur Pflicht ge-
macht, die Polizeibehörden hinsichtlich der gesetz-
lichen Bestimmungen über die jugendlichen Ar-
beiter zu beaufsichtigen. Im übrigen sollten sie
die Bedürfnisse der arbeitenden Klassen sowohl
als auch des Gewerbebetriebs in ihrem ganzen
Umfang erforschen, sodaß ihr Aufgabenkreis
hiernach weit über den durch das Gesetz gezogenen
ahmen, der sich auf die Fürsorge für die jugend-
lichen Arbeiter beschränkte, hinausging. Das In-
teresse für die Einrichtung blieb aber zunächst noch
ering. Sie wurde nur für die Reg Bezirke
ppeln, Düsseldorf, Aachen und Arnsberg ge-
troffen und in letzterem Bezirke sogar nach einiger
Zeit tatsäch#h außer Wirksamkeit gesetzt, weil die
Provinzialregierung wiederholt das Bedürfnis
4 ihren Fortbestand verneinte. Immerhin hatte
ie doch soweit an Boden gewonnen, daß durch
die V v. 22. 9. 67 die Bestimmungen des Gesetzes
auf die neuen Landesteile ausgedehnt wurden.
III. Seit Einführung der Ge-
werbeordnung bis zum Arbeiter-
schutzgesetze vom 1. Juni 1891. Die
Einführung der GewO von 1869 brachte auf die-
sem Gebiete keine wesentliche Aenderung. In
5*132 des G wurde nur bestimmt, daß, wo die Auf-
sicht über die Ausführung der vorhergehenden
Bestimmungen eigenen Beamten übertragen sei,
diesen bei Ausübung der Aufsicht alle amtlichen
Befugnisse der Ortspolizeibehörden, insbesondere
das Recht zur jederzeitigen Revision der Fabri-
ken zustehe. Es wird hier also vorausgesetzt, daß
in einzelnen Bezirken Fabrikaufsichtsbeamte vor-
handen seien, eine Anordnung auf Einsetzung sol-
cher Beamten ist aber nicht getroffen und im Ge-
gensatze zu der älteren preußischen Bestimmung
auch nicht für den Fall erlassen, daß sich ein Be-
dürfnis für eine solche Einrichtung ergeben würde.
Es ist aber bezeichnend für das durch die indu-
striellen Mißstände auf dem Gebiete des Arbei-
terschutzes geschärfte soziale Empfinden der Bun-
desregierungen, daß trotz dieser mangelhaften
esetzlichen Grundlage im Laufe der siebziger
Fohre das Aufsichtswesen über die Fabriken eine
wesentliche Ausgestaltung erfuhr, insofern als
einerseits, wie in Preußen, die Zahl der Auf-
sichtsbeamten vermehrt wurde, so daß im Jahre
1875 deren schon 10, 1876 schon 15 in Tätigkeit
waren, andererseits dieses oder ein ähnliches
Institut in anderen Bundesstaaten zur Einfüh-
rung gelangte. In Sachsen wurde es durch die
Vv. 4. 9. 72 einge führt (vier Inspektoren aus der
Zahl der Dampfkesselrevisionsbeamten). Auch in
Baden wurde durch die Vsig v. 26. 12. 71 der
Grund zur Einführung einer Fabrikinspektion durch
Bestellung mehrerer vom Bezirksrate zu bezeich-
nender Aufsichtspersonen gelegt, welche die Stel-
lung im Ehrenamte wahrzunehmen hatten. Eine
entscheidende Neuerung brachte dann die Nov.
zur GewO v. 17. 7. 78, welche die obligatorische
Fabrikaufsicht durch besondere von den Landes-
regierungen zu bestellende Beamte einführte.
Ihr Aufsichtsrecht erstreckte sich auf die Beobach=
tung der für die jugendlichen und für die weibli-
chen Arbeiter in Fabriken in den SS 135—139a
Gewd erlassenen Bestimmungen sowie der Vor-
schriften, welche zu tunlichster Sicherheit gegen
Gefahr für Leben und Gesundheit erlassen wur-
den (5 120 Abs 3 GewO). Bei Ausübung ihrer
Aufsicht wurden ihnen alle amtlichen Befugnisse
der Ortspolizeibehörden und insbesondere das
Recht zur jederzeitigen Revision der Fabriken,
wie es ihnen schon seit dem preußischen Gesetze
von 1853 gewährleistet war, zugestanden. Frei-
lich gelangte auch in diesem Gesetze der Gedanke
der obligatorischen Fabrikaufsicht nicht zum vollen
Durchbruch, insofern als im Abs 4 des & 139b
vorgesehen wurde, daß durch Beschl des BR auf
Antrag der Landesregierungen für solche Bezirke,
in welchen Fabrikbetriebe gar nicht oder nur in
zeringem Umfange vorhanden wären, von der
enstellung besonderer Beamten abgesehen wer-
den könnte. Indessen wurde von dieser Ausnahme-
bestimmung nur wenig Gebrauch gemacht. Nur
Mecklenburg-Strelitz, Schaumburg-Lippe, Lippe
und Lübeck sahen von der Einführung des Insti-
tuts ab, während Elsaß-Lothringen, wo die GewO
damals überhaupt noch nicht galt, gar nicht in die
Lage kam, es einzuführen. Dagegen wurde in
Bayern, wo vorher vergeblich die Einführung
angestrebt worden war, durch V v. 17. 2. 79, in
Württemberg durch V v. 2. 10. 79, in Ba-
den durch V v. 30. 1. 79 und auch in den übrigen
Bundesstaaten alsbald ein Fabrikinspektorat ein-
geführt. Auch Lübeck hat übrigens von der
ihm gewährten Dispensation nicht lange Gebrauch
gemacht und durch Senats Beschl v. 8. 11. 86 die
Einsetzung eines Fabrik--Aufsichtsbeamten ange-
ordnet. Ve Dienstanweisung fürdie GWVe-
amten (unten §5 2) wurde, da es sich um Landesbe-
amte handelte, nicht vom Reich erlassen, indessen
einigten sich die Bundesstaaten auf den Erlaß einer
gleichmäßigen Dienstanweisung, durch welche den
ufsichtsbeamten außer den ihnen nach dem Ge-
setz übertragenen Aufgaben noch die Aufsicht über
die nach § 16 GewO genehmigungspflichtigen
Anlagen überwiesen wurde. Besonderer Nach-
druck wurde darauf gelegt, daß sie durch sachver-
ständige Beratung und wohlwollende Vermittlun
eine Vertrauensstellung bei Arbeitgebern uns
Arbeitnehmern gewinnen. Dieser ihrer Aufgabe
entsprach es aber auch, wenn sie angewiesen wur-
den, von dem Rechte Strafmandate oder polizei-
liche im Wege administrativen Zwanges durchzu-
führende Verfügungen zu erlassen, keinen Ge-
brauch zu machen, weil naturgemäß hierunter ihr
Vertrauensverhältnis zu den von ihnen Bean-
zeigten leiden mußte. Im übrigen erhielten sie
durch die Anweisung (vgl. schon § 139b Abs 2 GewD)
den Auftrag, Jahresberichte über ihre amt-
liche Tätigkeit zu erstatten, die alsdann ganz oder
im Auszuge dem Bundesrat und dem Reichstage
vorgelegt werden sollen. Auf diesen Grundlagen
nahm das Institut einen bemerkenswerten Auf-
schwung, so daß, nachdem in einzelnen Staaten
den Inspektoren Assistenten beigegeben worden
waren, und nachdem infolge der Einführung der
GewoO in Elsaß-Lothringen (1888) auch dort ein
Ausfsichtsbeamter angestellt worden war, die Zahl
der Aufsichtsbeamten im Jahre 1890 auf mehr
als 80 angewachsen wart).
IV. Die Gestaltung durch idas
Arbeiterschutzgesetz v. 1. 6. 91. Eine
1) Im Jahre 1909 waren im Reiche 543 Aussichtsbeamte
tätig, außerdem 111 Revierbeamte für den Bergbetrieb;
in Oesterreich 107- 72, in Frankreich 139- 170, in Groß-
britannien 200+ 42 (RarbBl IX 676). D. 5.1