Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gewerbe (IV. Gewerbeaufsicht) 
255 
  
bedeutungsvolle Ausgestaltung erfuhr dann die 
Einrichtung durch die große Gewerbeordnungs- 
novelle v. 1. 6. 91, das Arbeiterschutzgesetz, welches 
im Anschluß an die Beschlüsse der internationalen 
Arbeiterschutzkonferenz von 1890 zum ersten Male 
in umfassender Weise die zum Wohle der gewerb- 
lichen Arbeiter erforderlichen und möglichen An- 
ordnungen einer großartigen Kodifikation unter- 
zog. In diesem Gesetze wurde die Sonntags- 
ruhe für die gewerblichen Arbeiter geregelt, das 
Recht zur Anleitung von jugendlichen Arbeitern 
unter 18 Jahren einer Neuordnung unterzogen, 
die Vorschriften über Arbeitsbücher und Arbeits- 
zeugnisse verschärft und revidiert, die Vorschriften 
über das sog. Trucksystem wurden einer Umgestal- 
tung und Erweiterung unterworfen, über Lohn- 
einbehaltungen und Lohnverwirkungen, über den 
Fortbildungsunterricht der jugendlichen Arbeiter, 
über den Schutz der Arbeiter gegen Gefahren für 
Leben und Gesundheit sowie im Interesse der 
Aufrechterhaltung der guten Sitten, über Nacht- 
arbeit und den Maximalarbeitstag für weib- 
liche und jugendliche Arbeiter und die Zulässigkeit 
seiner Einführung auch für erwachsene männliche 
Arbeiter, über die Kündigungesfristen, über den. 
Erlaß von Arbeitsordnungen in Fabriken, über 
Arbeiterausschüsse und Arbeitervertretungen und 
ähnliches wurden eingehende Bestimmungen er- 
lassen ( Gewerbliche Arbeiter, Arbeiterschutzl. 
Die Aufsicht über die Durchführung dieser Vor- 
schriften erheischte eine wesentliche Erweiterung 
der bestehenden für die Aussichtsbeamten erlasse- 
nen Bestimmungen, und so wurde ihnen nunmehr 
im # 139b die entsprechende Aufgabe zugewiesen. 
Es wurde ihnen die Aufsicht über die Durchführung 
der Bestimmungen über die Sonntagsruhe in 
allen gewerblichen Betrieben mit Ausnahme des 
Handelsgewerbes, über die zum Schutze der ge- 
werblichen Arbeiter gegen Gefahren für Leben 
und Gesundheit und im Interesse der Aufrecht- 
erhaltung der guten Sitten in den ##s# 120a bis 
120e GewO und den auf Grund dieser Vorschrif- 
ten erlassenen Bestimmungen sowie über die für 
die Fabrikarbeiter und insbesondere die jugend- 
lichen und weiblichen Fabrikarbeiter in den g8 134 
bis 139a getroffenen Vorschriften übertragen. 
Während im übrigen der §& 139b in der Fassung, 
welche er durch das G von 1878 erhalten hat, un- 
verändert blieb, brachte die Novelle von 1891 ihm 
insofern zwei wichtige Neuerungen, als einerseits 
die Arbeitgeber verpflichtet wurden, den Auf- 
sichtsbeamten oder der Polizeibehörde diejenigen 
statistischen Mitteilungen über die Verhältnisse 
ihrer Arbeiter zu machen, welche vom Bundesrat 
oder von der Landeszentralbehörde unter Fest- 
setzung der dabei zu beobachtenden Fristen und 
Formen vorgeschrieben werden. Solche Erhe- 
bungen wurden vom B in der Bek v. 26. 3. 92 
(Rol 337) über die Zahl der am 1. 4. 92 in 
Fabriken und diesen gleichgestellten Anlagen und 
in Bergwerken beschäftigten Arbeiterinnen und 
ferner auf Grund der Verhandlungen der Kom- 
mission bezw. der Abteilung für Arbeiterstatistik 
angeordnet. Andererseits wurde der frühere Abs 4 
des § 139b, welcher noch für einzelne Bezirke mit 
geringem Fabrikbetriebe eine Dispensation von 
der Einführung der Aufsichtsbeamten gestattet 
hatte, nunmehr beseitigt, da sich die Aufsicht nicht 
mehr auf die Fabrikbetriebe beschränkte, sondern in 
  
  
dem geschilderten Umfange sich auf die sämtlichen 
Gewerbe erstreckte, so daß seither die Einrichtung 
zu einer obligatorischen für das ganze Deutsche 
Reich geworden ist lZiffern S. 254 Anm.)]. 
s# 2. Der Aufgabenkreis für die nunmehrigen 
Gewerbeaufsichtsbeamten ist nicht auf die ihnen 
durch das Gesetz überwiesenen Pflichten beschränkt 
geblieben, sondern konnte durch die Dienstanwei- 
sungen wesentlich erweitert werden und wurde 
es auch tatsächlich vielfach. Im Kgr Sachsen 
liegen ihnen die periodischen Revisionen der 
Dampfkesselanlagen [Vl ob. Dieselbe Aufgabe hat- 
ten sie früher auch in Preußen, doch ist sie ihnen 
jetzt in der Hauptsache abgenommen und, soweit 
nicht damit die Bergrevierbeamten befaßt sind, 
im wesentlichen den Dampfkessel-Ueberwachungs- 
vereinen übertragen worden. Die Gewerbeauf- 
sichtsbeamten haben nach § 2 der DampfkesselAnw 
v. 2. 3. 00 nur noch diejenigen fiskalischen Kessel 
zu überwachen, für deren Ueberwachung nicht 
andere Beamte bestellt sind. In Elsaß- 
Lothringen steeht ihnen die Kessel-Ueber- 
wachung in den ihrer Aufsicht unterstehenden Be- 
trieben zu (§ 18 V v. 27. 12. 88), ohne daß sie 
zu ihren Pflichten gehört. Außerdem ist ihnen in 
Preußen und Elsaß-Lothringen durch die 
DAnw v. 23. 3. und 26. 5. 92/17. 6C. 04 die Be- 
aufsichtigung der nach § 16 GewO genehmigungs- 
pflichtigen gewerblichen Anlagen (I, ferner die Auf- 
sicht über die Beachtung der in den § 107—113 
und 115—119a Gew O getroffenen Bestimmun- 
gen über die Arbeitsbücher und Arbeitszeugnisse 
sowie über Lohnzahlungen und Lohneinbehal- 
tungen (Trucksystem) überwiesen. In Bayern 
haben sie gleichfalls die Aufsicht über die Ausfüh- 
rung der Bestimmungen der ## 107—119 ferner 
haben sie die nach § 16 GewO genehmigungs- 
pflichtigen Anlagen hinsichtich ihrer Einrichtungen 
zum Schutze gegen Gefahren für Leben und Ge- 
sundheit der Arbeiter zu beaufsichtigen und weiter 
auch die Beachtung der Vorschriften in den ##5 126 
bis 128 bezüglich der Lehrlingshaltung zu kontrol- 
lieren. Auch in Sachsen haben sie allgemein 
gegen Benachteiligung, Gefährdung oder Belästi- 
gung durch den Betrieb gewerblicher Anlagen 
einzuschreiten. 
Ihre Aufgaben hinsichtlich des Schutzes der 
jugendlichen Arbeiter haben eine bedeutungsvolle 
Erweiterung erfahren einerseits durch die Tat- 
sache, daß die Vorschriften der &# 135 ff über die 
Beschäftigung jugendlicher und weiblicher Fabrik- 
arbeiter durch die Kais. V v. 13. 7. 00 auf die Mo- 
torwerkstätten, durch die Kais. V v. 31. 5. 97/17. 
2. 03 auf die Werkstätten der Kleider-- und Wäsche- 
konfektion und durch die Kais. V v. 21. 2. 07 auf 
die Werkstätten der Tabakindustrie ausgedehnt 
wurden, andererseits durch § 21 Abs 1 des G betr. 
Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben v. 30. 3. 
1903, wonach die Bestimmungen des § 139b 
GewO Anwendung finden, insoweit nicht durch 
Bundesratsbeschluß oder durch die Landesregie- 
rungen die Aufsicht über Durchführung des Ge- 
setzes anderweitig geregelt ist. Der Bundesrat hat 
keine Vorschriften erlassen, dagegen ist in den 
Ausführungsanweisungen der Bundesstaaten die 
Regelung im allgemeinen nach der Richtung er- 
folgt, daß, soweit nicht die Ortspolizeibehörden 
ausschließlich mit der Aufsicht betraut sind, neben 
ihnen die G.Beamten damit befaßt werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.