Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gewerbegerichte (Errichtung, Besetzung) 
1874 und 1878 wurde das RG v. 29. 7. 90 nach 
kurzer Beratung angenommen. Der z 108 bezw. 
der spätere §J 120a der GewO sind durch das 
GewGGesetz beseitigt. 
Das GewGGesetz zerfällt in 6 Abschnitte: 
I. Errichtung und Zusammensetzung der Gew# 
(&4 1—25); II. Verfahren (§& 26—61); III. Tä- 
tigkeit der GewG als Einigungsamt (§# 62—74); 
IV. Gutachten und Anträge der GewG (7 75); 
V. Verfahren vor dem Gemeindevorsteher (I# 76 
bis 80); VI. Schlußbestimmungen (5## 81—88). 
Die wichtigsten Neuerungen der Novelle zum 
Gew'G G v. 30. 6. 01 sind: Die Notwendig- 
keit für Gemeinden, die nach der jeweilig letz- 
ten Volkszählung mehr als 20 000 Einwohner 
haben, ein Gewc# zu errichten; die Einführung des 
„Erscheinungszwanges“ und die Ersetzung der Bei- 
sitzer des Einigungsamtes, die bis dahin Gewo- 
Beisitzer sein mußten, durch „Vertrauensmän- 
ner“, die Gew Beisitzer sein können. Eine 
wesentliche Verbesserung des Gesetzes ist die An- 
ordnung (§ 75), daß die Gew# berechtigt sein 
sollen, in gewerblichen Fragen Anträge nicht nur 
an Behörden und Vertretungen von Kommu- 
nalverbänden, sondern auch an die 
gesetzgebenden Körperschaften der 
Bundesstaaten und des Reichs 
zu stellen. 
Schließlich hat die Novelle als Titel des alten 
Gesetzes angenommen: „Gewerbegerichtsgesetz“. 
# 2. Errichtung und Zusammensetzung. 
I. Ein GewE muß errichtet werden für den 
Bezirk von Gemeinden, die nach der jeweilig 
letzten Volkszählung mehr als 20 000 Einwohner 
haben. Die Landes-Zentralbehörde hat, wenn. 
die Gemeinden ein Gew# nicht freiwillig ein- 
setzen, die Errichtung anzuordnen, ohne daß es 
eines Antrages bedarf. Im übrigen kann ein 
Gew G von jeder Gemeinde, von einer Vereini- 
gung mehrerer Gemeinden und von jedem wei- 
teren Kommunalverband (Provinzialverband usw.) 
eingesetzt werden. Die Landes-Zentralbehörde 
kann ferner auf Antrag beteiligter Arbeitgeber 
oder Arbeiter die Gemeinden und den weiteren 
Kommunalverband zur Errichtung eines Gew# 
anhalten, falls die Notwendigkeit eines 
GewG für die Bezirke dieser Gemeinden und 
Verbände sich ergibt und die in Betracht kommen- 
den Gemeinden oder Kommunalverbände unge- 
achtet einer an sie gerichteten Aufforderung sich 
weigern, ein Gew G zu errichten. Die Gew 
werden, wenn sie nicht durch Anordnung der 
Landes-Zentralbehörde geschaffen werden, durch 
statutarische Bestimmungen der Gemeinden oder 
der weiteren Kommunalverbände unter Geneh- 
migung der höheren Verw Behörde ins Leben 
gerusen. Vor Erlaß der gemäß & 142 der GewO 
zu errichtenden Statuten sind sowohl Ar- 
beitgeber als Arbeiter der hauptsächlichen Gewerbs- 
zweige und Fabrikbetriebe in entsprechender Zahl 
zu hören. Die Ortsstatuten und diec statutarischen 
Anordnungen des weiteren Kommunalverbandes 
bedürfen der binnen 6 Monaten zu erteilenden 
Genehmigung der höheren VerwBehärde. 
  
  
II. Das Gew# ist als Prozeßgericht bei der 
Verhandlung und Entscheidung mit einem Vor- 
sitzenden und mindestens zwei Beisitzern (einem 
Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer) besett. 
Das Ortsstatut kann eine größere Anzahl von 
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Beisitzern vorschreiben — aber stets unter Wah- 
rung der Parität. Der Vorsitzende und sein Stell- 
vertreter dürfen weder Arbeitgeber noch Arbeit- 
nehmer sein. Sie werden durch den Magistrat, 
und, wo ein solcher richt vorhanden ist oder das 
Statut dies bestimmt, durch die Gemeindevertre- 
tung, in weiteren Kommunalverbänden durch 
deren Vertretung auf mindestens ein Jahr ge- 
wählt. Die Wahl muß durch die höhere Verw- 
Behörde, in deren Bezirk das Gew seinen Sitz 
hat, bestätigt werden. Die Bestätigung ist nicht 
erforderlich bei Staats= und Gemeindebeamten, 
die bereits in einem anderen Amte kraft staatlicher 
Ernennung oder Bestätigung tätig sind, so lange 
sie dieses Amt bekleiden. Die Beisitzer sind zur 
Hälfte aus den Arbeitgebern oder aus den 
ihnen gleichgestellten Leitern eines GewBetriebes 
oder aus den Stellvertretern der Gewerbetrei- 
benden, zur andern Hälfte aus den Arbeitern 
zu entnehmen. Die Arbeitgeberbeisitzer werden 
durch die Arbeitgeber, die Arbeitnehmerbeisitzer 
durch die Arbeitnehmer gewählt. Die Statuten 
verfügen das Nähere über die Wahl, die unmittel- 
bar und geheim zu vollzichen ist. Es kann statu- 
tarisch angeordnet werden, daß bestimmte ge- 
werbliche Gruppen je einen oder mehrere Bei- 
sitzer zu erwählen haben. Ferner ist eine Regelung 
nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu- 
lässig mit Beschränkung der Stimmabgabe auf 
Vorschlagslisten. Die Beisitzer sollen im Bezirke 
des GeweE mindestens zwei Jahre wohnen oder 
beschäftigt sein. Sie und der Vorsitzende (auch der 
Stellvertreter des Vorsitzenden) sollen das 30. 
Lebensjahr vollendet haben. Beisitzer und Vor- 
sitzende dürfen in dem der Wahl vorangegangenen 
Jahre für sich oder ihre Familie Armenunter- 
stützung aus öffentlichen Mitteln nicht empfangen 
oder müssen die empfangene Armenunterstützung 
erstattet haben. Personen, die zum Amte eines 
Schöffen unfähig sind, können das Amt eines 
Gewo Mitgliedes nicht bekleiden und sind auch 
nicht zum Wählen berechtigt. Die Wähler (Arbeit- 
geber und Arbeiter) müssen 25 Jahre alt sein und 
im Gerichtsbezirke Wohnung oder Beschäftigung 
haben. Die Beisitzer, welche die Uebernahme 
ihres Ehrenamtes nur aus den im Gewo#### 
(5 20) festgelegten Gründen ablehnen dürfen, 
erhalten für jede Sitzung, der sie beigewohnt ha- 
ben, Vergütung etwaiger Reisekosten und eine 
Entschädigung für Zeitversäumnis. Eine Zurück- 
weisung dieser Entschädigung ist unstatthaft. Die 
Amtsdauer der Beisitzer währt cin, höchstens sechs 
Jahre. Wiederwahl ist zulässig. Nur solche Ar- 
beitgeber besitzen die aktive und passive Wahl- 
fähigkeit, die mindestens einen Arbeiter regel- 
mäßig das Jahr hindurch oder zu gewissen Zeiten 
des Jahres beschäftigen. 
Beschwerden gegen die Rechtsgültigkeit der 
Wahlen (binnen eines Monats nach der Wahl) 
werden durch die höhere Verw Behörde ent- 
schieden. Ein Mitglich des Gew, hinsichtlich 
dessen Umständc eintreten oder bekannt werden, 
welche dic Wählbarkeit zu dem von ihm bekleideten 
Amt nach Maßgabe des GewG ausschließen, ist 
des Amts zu entheben. Die Enthebung erfolgt 
durch dic höhere Verw Bechörde nach Anhörung 
des Beteiligten. 
Wenn ein Mitglicd des Gew sich einer groben 
Verletzung seiner Amtspflicht schuldig macht, so 
 
	        
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