Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gewerbegerichte (Einigungsamt) 
  
mit mindestens vier Vertrauensmännern (je zwei 
Vertrauensmänner der Arbeitgeber und der Ar- 
beiter) besetzt sein. Die Vertrauensmänner brau- 
chen nicht den Gew GBeisitzern entnommen zu 
werden. Der Vorsitzende ist be fugt, ein oder zwei 
unbeteiligte Personen als Beisitzer mit beraten- 
der Stimme herbeizuziehen. Vorher hat er die 
Parteien darüber zu hören. Regelmäßig sollen 
nicht mehr als drei Vertreter jeder Partei vor 
dem Einigungsamt auftreten. 
Die zustande gekommene Einigung ist zu ver- 
öffentlichen. Wenn eine Vereinbarung nicht her- 
beizuführen ist, so hat das Einigungsamt einen 
Schiedsspruch abzugeben, mit der Aufforderung 
an die Parteien, sich binnen einer zu bestimmenden 
Frist darüber zu erklären, ob sie sich dem Schieds- 
spruch unterwerfen. Die Nichtabgabe dieser Er- 
klärung gilt als Ablehnung der Unterwerfung. 
Auch wenn die Parteien sich dem Schiedsspruch 
unterwerfen, ist seine zwangsweise Durchführung 
ausgeschlossen. 
Stehen bei der Beschlußfassung über den 
Schiedsspruch die Stimmen der Vertrauensmän- 
ner der Parteien sich durchweg gegenüber, so 
kann der Vorsitzende sich seiner Stimme enthal- 
ten und feststellen, daß ein Schiedsspruch nicht 
zu stande gekommen ist. 
Das Ergebnis der Verhandlungen ist von 
dem Vorsitzenden des Einigungsamts stets öffent- 
lich bekannt zu machen. 
Wenn bei der Streitigkeit ausschließlich 
Innungsmitglieder und deren Arbeiter be- 
teiligt sind, und für die Innung ein besonderes 
Einigungsamt besteht, dessen Zusammensetzung 
und Tätigkeit entsprechend den Vorschriften des 
GewGG durch Statut geregelt sind, so ist das 
Gew G als Einigungsamt unzuständig. Es wird 
aber als Einigungsamt zuständig — trotz des 
Vorhandenseins eines Innungseinigungsamts — 
sobald es von Innungsmitgliedern und deren 
Arbeitern angerufen wirdt). 
Neben den Einigungsämtern sind die von den 
Parteien durch die Tarifverträge eingesetzten 
Schlichtungskommissionen — auch 
Tarifkommissionen, Tarifausschüsse, Tarifüberwa- 
chungskommissionen, Tarifämter usw. genannt — 
zu erwähnen. Sie entlasten erheblich die Eini- 
gungsämter und dienen zur Auslegung, Ausbrei- 
tung und Durchführung, oft zur Verbesserung und 
Fortbildung der Tarifverträge [XI. Diesen Kommis- 
sionen überträgt man hin und wieder auch Ent- 
scheidungen entweder gemäß § 72 des Gew 
oder gemäß §s 1025 ff der 8PO (Gewerbe= und 
Kaufmannsgericht 13, 367 ff und 14, 44 ff; Vhdl 
des 29. Deutschen Juristentags 2, 254 und 
258). 
Die gewerbegerichtlichen Einigungsämter kön- 
nen von den Parteien zu Schiedsgerichten gemäß 
88 1025 ff ZPO berufen werden, hören dann 
aber auf, Einigungsämter im Sinne des GewGG 
zu sein. (Dazu v. Schulz, Zur Entwicklung des 
gewerblichen Einigungswesens in Deutschland; 
Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung 1911 
Heft 2 und Burchardt u. v. Schulz a. a. O.) 
  
1) Ueber die Einigungsämter der Arbeitskammern nach 
dem Entwurf eines Arbeitskammergesetzes siehe Vhdl des 
29. deutschen Juristentags 2, 220 Anm., 261 und 262; serner 
Gewerbe= und Kaufmannzgericht 15, 186 ff. 
  
6. Als begutachtende und Anträge stellende 
Behörde. Auf Ersuchen von Staatsbehörden oder 
des Vorstands des betr. Kommunalverbandes 
(Magistrat usw.) ist das GewE verpflichtet, Gut- 
achten über gewerbliche Fragen abzugeben. 
Es ist berechtigt, in gewerblichen Fragen An- 
träge an Behäörden, an Vertretungen von 
Kommunalverbänden und an die gesetzgebenden 
Körperschaften der Bundesstaaten oder des 
Reichs zu stellen. (Vgl. Burchardt u. v. Schulz). 
&7. Sonderbestimmungen (Bergwesen, Rhein- 
land). I. Die Errichtung von Berggewerbe- 
" erichten, deren Zuständigkeit auf Streitig- 
eiten der in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungs- 
anstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen 
und Gruben beschäftigten Arbeiter mit ihren Ar- 
beitgebern beschränkt ist, erfolgt durch Anordnung 
der Landeszentralbehörde (s8 82). Das Verfahren 
der Berg Gewcl regelt sich nach den Vorschriften 
des GewEG. Der Vorsitzende und sein Stell- 
vertreter werden von der Landeszentralbehörde er- 
nannt. Die Kosten werden, soweit sie nicht durch die 
Einnahmen gedeckt werden, vom Staate getragen. 
II. 85 Gew G#G erwähnt die zugelassenen 
landesgesetzlich bestehenden Gerichte wie die 
rheinischen, elsaß-lothringischen Gewe und die 
sächsischen Bergschiedsgerichte. Die rheinischen 
Gerichte sind der Vorschrift des genannten # 85 
entsprechend durch G v. 11. 7. 91 (GS 311) um- 
gestaltet worden. Der Vorsitzende und seine Stell- 
vertreter werden vom Reg Präsidenten ernannt. 
Der Vorsteher der Gerichtsschreiberei ist vom 
Gewc mit absoluter Mehrheit zu wählen. Wahl 
und Entlassung müssen vom Reg Präsidenten ge- 
nehmigt werden. Die Rechtsgültigkeit der Wahlen 
der Beisitzer unterliegt der Entscheidung des Be- 
zirksausschusses. Der Reg Präsident ernennt die 
Beisitzer, sobald Wahlen nicht zustande gekommen 
oder wiederholt für ungültig erklärt worden sind. 
Der Bezirksausschuß entscheidet über die Enthe- 
bung der Beisitzer aus dem Amte und zwar auf 
Klage des Reg Präsidenten. Reisekostenentschädi- 
gung und Entschädigung für Zeitversäumnis 
werden durch ein vom Handelsminister und Justiz- 
minister zu erlassendes Regulativ festgesetzt. 
Die Gemeinden, in deren Bezirke das Gew 
seinen Sitz hat, haben die Kosten für die Geschäfts- 
räume und ihre Instandhaltung zu tragen. Die 
sonstigen Kosten werden durch Zuschläge zur Gew- 
Steuer der wahlberechtigten und ge werbesteuer- 
pflichtigen Gewerbetreibenden des Bezirkes aufge- 
bracht. Die der Genehmigung des Reg Präsidenten 
unterliegende Umlage wird vom GewG besorgt. 
Die Organisation und das Verfahren der Kal 
Gewc der Rheinprovinz weicht somit in einzelnen 
Punkten von der Organisation und dem Verfah- 
ren der allgemeinen Gew# ab. 
3s#8. Statistik. Gewerbegerichte (einschließlich der gemäß 
*85 Gewch fortbestehenden) bestan den im Jahre: 
1905 1908 1907 1908 1909 
411 419 445 469 483 
Dem Archiv des Verbandes der deutschen Gewerbe= und 
Kaufmannsgerichte sind für Bayern zwei Berggewerbe- 
  
gerichte (München, Zweibrücken) und für Braunschweig ein 
Berggewerbegericht (Helmstedt) gemeldet, für Preußen fünf 
Berghew G (Beuthen O.Schl., Waldenburg 1. Schl., Saar- 
brücken, Aachen, Dortmund). 
In Mecklenburg- Strelitz und in Waldeck besteht (1911) 
noch kein Gewerbegericht.
	        
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