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Gutsbezirke (Sachsen)
schusses, regelt für diesen Fall § 137 äöstl.
L#90
# 7. Die Aufsicht des Staates über die Ver-
waltung der G. wird unbeschadet der in den Ge-
setzen geordneten Mitwirkung des Kreisausschusses
und des Bezirksausschusses in erster Instanz von
dem Landrate als Vorsitzenden des Kreisaus-
schusses, in höherer und letzter Instanz von dem
Reg Präsidenten geübt. Beschwerden bei den
Aufsichtsbehörden sind in allen Fällen innerhalb
zwei Wochen anzubringen (§ 139 östl. LG).
Dem Landrat steht gegenüber G. die Zwangs-
etatisierung zu. Gegen die Verfügung des Land-
rats ist dem Besitzer des Gutes die Klage beim
Bezirksausschuß gegeben (§ 141 östl. LG0).
Literatur: Genzmer, Entstehung und Rechts-
verbältnisse der G. 1891; Halbey, Das Gemeindeverfas-
sungs= und Verwaltungsrecht der 7 östl. Provinzen Preu-
ßens I 18396, S 101; Schön, Recht der Kommunalver-=
bände 1897 S 339; Brauchitsch 3 1½, HW pr. Verw
„Gutsbezirke“; die Kommentare zur LGO von Freytag,
Keil, Genzmer“; Schoplick, Das Recht der G. in
Preußen, 1910; Kormann, Rittergüter im geltend.
pr. Recht (Kommun. Arch. II 215). 9#. W. Schmidt.
B. Sachsen
Neben den Gemeinden bleiben (wie schon nach
der LGv. 7. 11. 38) als besondere Selbstver-
waltungskörper die selbständigen G. bestehen.
Hauptsächlicher Grund ihrer Beibehaltung ist
die Rücksichtnahme auf „persönliche Verhältnisse
und gewohnte, in lang bestandenem Zustande
wurzelnde Anschauungen“, während Gründe ver-
waltungspolitischer Art, wie sie noch 1838 bestan-
den (Patrimonialgerichtsbarkeit und obrigkeitliche
Gewalt des Gutsherren über die Gemeinde, die
ihn als einfaches Gemeindemitglied nicht ge-
eignet erscheinen ließ), kaum noch geltend gemacht
werden können. Die Regierung steht demgemäß
Anträgen auf Begründung neuer selbständiger
G. (gesetzlich übrigens nirgends vorgesehen)
grundsätzlich ablehnend gegenüber und genechmigt
sie mur noch beim Vorliegen gewichtiger öffent-
licher Interessen (Beispiel: V des Min Inn v.
27. 11. 09. Es handelt sich da um das neue Wasser-
werk der Stadt Leipzig in den Dörfern Canitz und
Wasewitz. Um die Güte und Reinheit des dort zu
gewinnenden Grundwassers sicher zu stellen, hat
Leipzig die gesamte Flur beider Gemeinden auf-
gekauft und daraus mit Genchmigung des Min Inn
einen selbständigen G. gebildet); andererseits ist
den selbständigen G. durch RLGO # 82 Abs 2
anheim gegeben, sich im Wege freier Ueberein-
kunft mit benachbarten Gemeinden zu vereinigen,
und der Gesetzgeber sucht solche Vereinigungen zu
fördern, indem er z. B. in # 79 des Allgem.
Bau# v. 1. 7.00 (GWBlo0, 381 f) die Errichtung
von Gebäuden in selbständigen G. nur zu ganz
bestimmten, im Zusammenhang mit dem wirt-
schaftlichen Betriebe des Gutsherrn stehenden
Zwecken gestattet. — Selbständige G. sind nach
RCLGO 8 82 die Kgl Schlösser und deren Zube-
hörungen, die bisher zu keinem Gemeindeverbande
gehörenden Staats- und Privatwaldungen, Kam-
mer= und Rittergüter sowie diejenigen Güter,
die, ohne wirkliche Rittergutseigenschaft zu haben,
seither in gleichem Verhältnis zu den Gemeinden
gestanden haben. Insgesamt gab es am 1. 1. 10
1218 selbständige G. (während ihre Zahl z. B.
am 1. 1. 04 noch 1231 betrug).
Einziges Organdes G. (Gutsvorsteher)
ist der Gutseigentümer. Seine öffentlichrechtliche
Stellung ist dieselbe wie die der Gemeindevertre-
tung in Landgemeinden, jedoch mit der Besonder-
heit, daß er auch die Gemeinde selbst verkörpert
(„Gutsbezirksmitglieder“ gibt es nicht), also zu
allen Pflichten und Leistungen für den G. auf
eigene Kosten verbunden ist. Um die ihm zu-
stehenden Befugnisse, insbesondere die obrigkeit-
liche Gewalt, auch ausüben zu können, muß er
gewisse persönliche Voraussetzungen erfüllen. Nur
Personen, die, wenn sie Gemeindemitglieder wä-
ren, stimmberechtigt wären [X Gemeindeorga-
nisation in Sachsen §# 81, sind hierzu befähigt.
Ermangelt der Gutsherr dieser Eigenschaft, so
hat er einen, dem Amtshauptmann geeignet er-
scheinenden Stellvertreter zu bestellen.
Zu dieser Bestellung ist er außerdem verpflichtet,
wenn er nicht seinen ständigen Aufenthalt im G.
hat oder wegen Krankheit oder aus anderen in
seiner Person liegenden Gründen die Pflichten
eines Gutsvorstehers zu erfüllen verhindert ist.
Unterläßt er die Ernennung eines Stellvertreters,
so wird dieser auf seine Kosten vom Amtshaupt-
mann bestellt. Für gewisse Fälle bestimmt das
Gesetz selbst die Person des Vertreters, der dann,
wenn er nach dem Vorstehenden zur Ausübung
der gutsherrlichen Befugnisse nicht geeignet ist,
seinerseits einen Stellvertreter zu bestellen hat.
Es sind nämlich juristische Personen durch ihren
gesetzlichen Vertreter, Ehefrauen durch ihre Ehe-
männer, Kinder unter väterlicher Gewalt durch
ihren Vater, Bevormundete durch ihren Vor-
mund zu vertreten. Steht der selbständige G. im
Eigentum Mehrerer, so entscheidet mangels Eini-
gung Wohnsitz im G., Alter und Los. Wer die
obrigkeitlichen Befugnisse ausübt (sei es der Guts-
herr oder sein Stellvertreter), wird hierzu vom
Amtshauptmann eidlich in Pflicht genommen.
Durch freie, der aufsichtsbehördlichen Geneh-
migung unterworfene Vereinbarung zwischen
Gutsherrn und Gemeinderat einer Nachbarge-
meinde können einzelne oder auch sämtliche Guts-
vorstehergeschäfte dem Gemeindevorsteher dieser
Nachbargemeinde gegen angemessene Entschädi-
gung übertragen werden. Für gewisse Angclegen-
heiten, nämlich Aufstellung von Listen und Ver-
zeichnissen für staatliche Zwecke, z. B. für Steuern,
Wahlen zum Reichs= und Landtag usw., ist dies
sogar mangels besonderer Dispensation durch die
Aufsichtsbehörde vorgeschrieben; die Nachbar-
gemeinde, die diese Geschäfte gegen Entschädigung
zu übernehmen hat, wird nötigenfalls durch die
Amtshauptmannschaft bestimmt.
2GO / S2—SS, REtO 37 Abs1.
Literatur bei dem Art. Gemeindeorganisation in
Sachsen (Band II S. 86). Sepffarth.
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