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Dreiteilung der Gewalten zu Eigen macht, die
gesetzgebende Gewalt dem Senate und Bürger-
schaft, die vollziehende dem Senat, die richterliche
dem Gerichte zu.
Diese Formulierung in a 6 hat das alte gemein-
schaftliche Kyrion zwischen Rat und Erbgesessener
Bürgerschaft ersetzen sollen. Die Verfassungs-
wirren hatten nach Eingriff der Kaiserlichen Kom-
mission damit geendet, daß der Rat allein die
rechtliche Handhabung der Hamburgischen Staats-
gewalt hatte, einzig beschränkt durch die Mitwir-
kung der erbgesessenen Bürgerschaft in der eigent-
lichen Gesetzgebung und im Gebrauche der Di-
sziplinargewalt gegen seine Mitglieder in der
Appellationsinstanz. Diesen an Rat und Bürger-
schaft zur gemeinschaftlichen Ausübung überwie-
senen Teil der Staatsgewalt nannte a 1 des
Hauptrezesses „das Kyrion“, und bestimmte „daß
solch Kyrion, oder das höchste Recht und Gewalt
bey E. E. Raht und der Erbgesessenen Bürger-
schaft inseparabili nexu conjunctim und zusam-
men, nicht aber bey einem oder anderm Theil pri-
vative bestehe.“
Der alte Rat hatte nunmehr — im Gegensatz
u seiner Stellung im Mittelalter als ausschließ-
icher autokratischer Herrscher von Gottes Gnaden
— nach dem Hauptrezeß eine Stellung wie etwa
ein ursprünglich autokratischer Monarch, der durch
konstitutionelle Konzessionen beschränkt ist. Das
Gleiche gilt auch vom heutigen Senat. Auch der
Senat ist im konstitutionellen Allein-
besitz der Staatsgewalt, durch die
Bürgerschaft nur beschränkt durch deren verfas-
sungsmäßige Teilnahme an der Gesetzgebung und
Disziplinargewalt.
Daraus folgt weiter, daß der Senat die Ham-
burgische Regierung ist, daß er Lan-
desherr und im Verhältnis zum Reich bun-
desstaatliche entralbehörde ist,
und das Verordnungsrecht besitzt (dieses
im Gegensatz zur gemeinen Meinung, welche als
Träger der Souveränität Senat und Bürger-
schaft ansieht, beide zusammen für den Landes-
herrn erklärt und die Frage nach der Regierung in
verschiedener Weise löst). Da in H. das einzige
primäre Staatsorgan die wählende Bürgerschaft
ist, Senat und gewählte Bürgerschaft sekundäre
Organe geworden sind, so billigt H. zwar das
Prinzip der Volkssouveränität. Trotzdem gehört
aber H. wegen der Stellung des Senats zu den
aristokratischen Republiken. Abzu-
lehnen ist jedoch für die Hamburgische Republik
jede Parallele mit den Republiken romanischen
Stempels, es nähert sich vielmehr trotz des Man-
gels eines einzigen erblichen Staatsoberhauptes
in seinem Wesen monarchischen Formen.
1. Der Senat. a) Fähig zum Senator
ist Jeder, der die Wahlfähigkeit zur Bürgerschaft
besitzt. Relativ unfähig ist, wer mit einem Senats-
mitglied in auf= oder absteigender Linic verwandt,
dessen Bruder, Oheim oder Neffe, Schwiegervater
oder -Sohn ist, sowie Frauen-Brüder und Schwe-
ster-Männer. Die Wahl muß bei Verlust des
Bürgerrechts sowie der öffentlichen Aemter und
Ehrenstellen angenommen werden.
4) Die Wahl, die spätestens binnen 14
Tagen nach dem Tode des Vorgängers anzube-
raumen ist, erfolgt in ununterbrochener gleichzei-
tiger Sitzung von Senat und Bürgerschaft durch
Hamburg (Senat)
letztere aus einem Wahlaufsatz von 2 Personen.
Dieser wird gemacht von einer Vertrauenskom-
mission von je 4 Senats= und 4 Bürgerschaftsmit-
gliedern. Wenn kein Wahlaufsatz von 4 Kandi-
daten zustande kommt, tritt eine zweite gleiche
Vertrauenskommission ein, im Notfalle eine aus
beiden Kommissionen gebildete gemeinschaftliche.
Von den 4 Kandidaten des weiteren Aufsatzes
streicht der Senat 2 und präsentiert 2 der Bürger-
schaft, welche bei mindestens 80 anwesenden Mit-
gliedern mit einfacher Stimmenmehrheit wählt.
— Die Wahl erfolgt auf Lebenszeit, der Gewählte
leistet einen Senatoreneid. Nach 6jähriger Amts-
dauer ist freiwilliger Austritt aus dem Senat ohne
Pension gestattet. Bei längerer Amtsdauer und
höherem Lebensalter erhält der Austretende Pen-
sion bis zur Höhe des Honorars. Das Honorar ist
für rechtsgelehrte Senatoren 25 000 Mk. jährlich,
für die anderen 12 000 Mk. (die Bürgermeister
5000 bezw. 3000 Mk. Funktionszulage).
Von den 18 Senatoren müssen 9 die Rechts-
oder Kameralwissenschaft studiert haben, 7 Kauf-
leute sein. Niemand darf länger als 2 Jahre hin-
tereinander Bürgermeister sein. In der Regel
alternieren die drei ältesten Juristen als erster und
zweiter Bürgermeister. Bei zeremoniellen Hand-
lungen tragen die Senatsmitglieder eine ge-
schichtliche Tracht.
Die Senatoren sind infolge ihrer staatsrecht-
lichen Stellung als Mitträger der Souveränität an
ihrem Teile keine Beamte. Sie unterstehen der
Korrektur des Plenums. Ein Verantwortlich-
keitsgesetz ist in der Verfassung vorgesehen, aber,
weil aus dem schiefen Gesichtspunkt der Minister-
verantwortlichkeit geplant, bis heute noch nicht
erlassen. — Seit Alters 'stehen dem Senat Syn-
diker (jetzt 4) und Sekretarien (jetzt 2) zur Seite,
auch diese tragen die Senatstracht, erhalten ein
Honorar und kein Gehalt und unterstehen nicht dem
Disziplinargesetz für Beamte. Auch sie sind keine
Beamte.
Der Senat entscheidet die wichtigsten Sachen
im Plenum, dem der Bürgermeister präsidiert.
Dieses Plenum kann alle Sachen kraft eigener
Initiative oder kraft Berufung an dasselbe an sich
ziehen. Sonst sind viele Angelegenheiten den drei,
mit mindestens 5 Senatoren besetzten, Senats-
abteilungen überwiesen. Außerdem führen die
Scnatoren den Vorsitz in den bürgerlichen Depu-
tationen, denen sic angehören, und leiten die rein
senatorischen Behörden.
Die Bürgerschaft.
1. Zusammensetzung. Sie besteht aus
160 Mitgliedern, von denen je 80 alle drei Jahre
in öffentlicher Wahlhandlung gewählt werden, das
Mandat dauert also 6 Jahre. Die Wahl muß
angenommen werden.
Von den 160 Mitgliedern werden 80 Mitglie-
der in den allgemeinen Wahlen gewählt, 40 von
denjenigen Bürgern, welche Eigentümer von
innerhalb der Stadt belegenen Grundstücken sind,
40 endlich durch die Notabeln, d. h. diejenigen
Bürger, welche Mitglieder des Senats oder der
Bürgerschaft, oder Mitglieder der Gerichte oder
bürgerliche Mitglieder gewisser Verw Behörden
z. B. der Vormundschaftsbehörde, Finanz-Depu-
tation sind oder gewesen sind.
Die Ausübung des aktiven Wahlrechts ist aus-
geschlossen für diejenigen, die das 25. Lebensjahr