Handelsverträge (Vorbereitung und Abschluß)
Bundesrat und Reichstag geregelt. Seitdem
werden HV vom Kaiser unter Hustmnung des
Bundesrats geschlossen und bedürfen zu ihrer Gül-
tigkeit der Genehmigung des Reichstags (das. a 11
Abs 3). Das Einlenken der deutschen H Politik in
schutzzöllnerische Bahnen (1879) bedingte die Er-
neuerung verschiedener HV. Tarifzugeständnisse
wurden darin möglichst vermieden und die Ver-
träge im wesentlichen auf die bloße Meg gestellt,
umfür den Zolltarif volle Autonomie zu bewah-
ren. Im Anfang der 90er Jahre trat in diesem
System eine durchgreifende Aenderung ein. Die
damals geschlossenen Verträge mit den meisten
europäischen Staaten (Caprivische HV) sind Tarif-
verträge mit sehr erheblichen gegenseitigen Tarif-
zugeständnissen. Um die Stetigkeit der He-
ziehungen zu sichern, wurden sie auf die Dauer
von 12 Jahren fest geschlossen mit der Maßgabe,
daß sie nach Ablauf dieser Frist auf Grund ein-
jähriger Kündigung jederzeit zum Erlöschen ge-
bracht werden konnten. Am 25. 12. 02 (RGl
303) wurde ein neuer Zolltarif erlassen, der sich in
der systematischen Anordnung des Stoffs und durch
weitgehende Spezialisierung vom früheren Zoll=
tarif wesentlich unterschied. Hieraus ergab sich
die Notwendigkeit einer Revision der bestehenden
Vertragstarife. Die Verhandlungen hierüber
haben mehrere Jahre in Anspruch genommen, so
daß der neue Zolltarif zugleich mit den neu ge-
schlossenen Verträgen, die formell als Zusatzver-
träge zu den Caprivischen HV erscheinen, erst am
1. 3.06 in Kraft gesetzt werden konnte. Solche Zu-
satzverträge sind mit Oesterreich= Ungarn,
der Schweiz, Italien, Belgien, Ruß-
land, Serbien und Rumänien verein-
bart worden. Neue Tarifverträge sind seitdem
noch mit Bulgarien, Schweden, Por-
tugal und Japan zustande gekommen, wäh-
rend die mit Spanien und Dänemark eingeleiteten
Verhandlungen nicht zum Abschlusse von Tarif-
verträgen geführt haben. Der H mit Schweden
v. 8. ö. 06 (RGl 739) war nur bis zum 31. 12. 10
geschlossen worden, da Schweden sich mit Rück-
sicht auf den geplanten Erlaß eines neuen Zoll-
tarifs-nicht für länger binden wollte. Der Vertrag
mußte jedoch, da die Verhandlungen wegen seiner
Erneuerung nicht vor Ablauf des Jahres 1910
zum Abschluß gebracht werden konnten, bis zum
1. 12. 11 verlängert werden. Zu diesem Zeit-
punkt wird der neue HV, der inzwischen abge-
schlossen worden ist, in Kraft treten. Die übrigen
Tarifverträge sind ebenso wie der neue schwedische
HV mit wenigen Ausnahmen frühestens zum
31. 12. 17 kündbar.
Die deutschen HV werden für das Gebiet
des Deutschen Reichs geschlossen; sie erstrecken sich
aber zugleich auf Grund besonderer Bestimmung,
die in den einzelnen Verträgen vorgesehen ist, auf
die mit Deutschland gegenwärtig oder künftig zoll-
geeinten Länder oder Gebiete. Zollgeeint mit
Deutschland sind zur Zeit das Großherzogtum
Luxemburg und die österreichischen Enklaven
Jungholz und Mittelberg I(N Zollwesenlj.
Auf die deutschen Kolonien finden die HV
Deutschlands keine Anwendung. Etwaige für die
Kolonien geschlossenen H# bedürfen nach ihrer
staatsrechtlichen Stellung nicht der Zustimmung des
Reichstags. — Wegen der fremden Kolonien vgl.
Tabelle S. 359—361 in Spalte 4, ferner §& 6 I.
#§ 4k Borbereitung und Abschluß der Handels-
verträge. Da bei den HV und insbesondere bei
den Tarifverträgen, wie Deutschland sie schließt,
den Interessen der verschiedensten Zweige des
wirtschaftlichen Lebens Rechnung getragen wer-
den muß, so bedürfen sie eingehendster Vorberei=
tung. Es muß für alle an der Ausfuhr beteiligten
Erwerbszweige geprüft werden, inwieweit die
Zollsätze des Staats, mit dem ein Vertrag ge-
schlossen werden soll, die deutsche Ausfuhr un-
günstig beeinflussen, und inwieweit etwaige son-
stige Bestimmungen dieses Staats für unsere
HBeziehungen nachteilig wirken. Das so gewon-
nene Material muß ferner nach seiner volkswirt-
schaftlichen Bedeutung gesichtet werden, weil es
ausgeschlossen ist einen HV zu schließen, in dem
alle Wünsche Befriedigung finden. Deshalb
müssen diejenigen Punkte herausgefunden wer-
den, auf deren Verfolgung aus wirtschaftlichen,
bisweilen auch aus politischen Gründen besonderer
Wert zu legen ist. Dabei ist auch Rücksicht darauf
zu nehmen, inwieweit erwartet werden kann, daß
das heimische Interesse durch Zugeständnisse an
dritte Staaten, die uns durch die MBeg zufallen,
befriedigt werden wird. Es ist einleuchtend, daß
der Regierung diese vielseitigen und schwierigen
Aufgaben nur lösen kann, wenn sie sich dabei in
größtem Umfange der Mitwirkung der
beteiligten Berufsstände bedient. Zu
dicsem Zwecke ist der „Wirtschaftliche
Ausschuß “ ins Leben gerufen worden J Han-
del §& 111. Daneben stellen die zur Bearbeitung
der H Verwaltung zuständigen Organe des Reichs
und der Bundesstaaten durch mündliche und
schriftliche Verhandlungen mit HVertretungen,
wirtschaftlichen Vereinen und Vertretern der ver-
schiedenen Erwerbszweige unser Interesse im
einzelnen fest und suchen so die Grundlagen für
diejenigen Forderungen zu gewinnen, deren Ver-
wirklichung mittels des HV angestrebt wird. Der
Hauptteil dieser Tätigkeit liegt beim Reichsamt
des Innern und dem preußischen Ministerium für
Handel und Gewerbe.
Für die Vertrags-Vorbereitung und die Ver-
trags-Verhandlungen pflegt eine Kommission
(Delegation) gebildet zu werden, die außer aus
Vertretern dieser beiden Ressorts aus Vertretern
des Auswärtigen Amts, der Finanzressorts des
Reichs und Preußens (Reichsschatzamt und preu-
ßhisches Finanzministerium) und des preußischen
landwirtschaftlichen Ministeriums besteht, und in
der ein Vertreter des Auswärtigen Amts den Vor-
sitz führt. Bei Vertragsverhandlungen mit Grenz-
staaten treten der Delegation noch Vertreter der
Bundesstaaten hinzu, die an den betreffenden
Staat angrenzen. Diese Kommission stellt zunächst
eine Liste der Forderungen auf, die an den Staat,
mit dem Vertragsverhandlungen geführt werden
sollen, zu stellen sind. Die Forderungsliste wird
darauf mit Vertretern der an den Verhandlungen
nicht durch Vertreter beteiligten Bundesregie-
rungen crörtert, dem wirtschaftlichen Ausschuß
zur Begutachtung vorgelegt und schließlich end-
gültig festgestellt. Von der Gegenpartei wird
ebenfalls eine Forderungsliste aufgestellt. Damit
keiner der beiden Teile den Vorteil erlangt, bei
der Feststellung seiner Forderungsliste die Forde-
rungen des andern Teils zu kennen, hat sich der
Brauch herausgebildet, daß die beiden Forderungs-