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und 17). Beim Bundesrat besteht der Ausschuß
für das Landheer und die Festungen, in welchem
alle vier Staaten mit eigener Kontingentsver-
waltung vertreten sind (RV a 8).
II. Territoriale Hoheitsrechte.
Dieselben stehen auch denjenigen Landesherren
zu, welche die Kontingentsherrlichkeit dem Kö-
nige von Preußen zur Ausübung übertragen ha-
ben und es macht keinen Unterschied, welchem
Kontingent die im Staatsgebiete befindlichen
Truppen angehören. Diese Rechte sind von
zweierlei Art:
1. Ehrenrechte. Den Bundesfürsten und
den Mitgliedern ihrer Familien sind diejenigen
militärischen Ehrenbezeugungen zu erweisen,
welche nach den Dienstvorschriften dem Landes-
herrn und seinen Angehörigen zukommen. Die
Landesherren stehen in dem Verhältnis eines
kommandierenden Generals zu allen in ihren Ge-
bieten befindlichen Truppen. Sie sind ferner
befugt zur Auswahl der Adjutanten.
2. Das Requisitionsrecht d. i. das
Recht, zu polizeilichen Zwecken nicht nur ihre
eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch
andere, in ihren Ländergebieten dislozierten
Truppen zu requirieren (R#. a 66 Abf 3).
III. Hoheitsrechte gegen die Staats-
angehörigen. Die gesetzliche Wehrpflicht ist
eine dem Landesherrn zu leistende Untertanen-
pflicht, für deren Erfüllung aber die sogen. mili-
tärische Freizügigkeit besteht, d. h. die auch in
einem andern Truppenteil erfüllt werden kann.
Vgl. das R# über die Ersatzverteilung v. 26. 5.93
(Röl 185). Daß die gesetzliche Dienstpflicht
eine Pflicht gegen den Heimatsstaat ist, kommt
dadurch zum Ausdruck, daß jeder Wehrpflichtige
den Fahneneid seinem Landesherrn
(nicht dem Kaiser und nicht dem Kontingents-
herrn) leistet und darin dem Landesherrn gelobt,
„als Soldat treu zu dienen“. In diesen dem
Landesherrn zu leistenden Eid ist die Verpflich-
tung aufzunehmen, „den Befehlen des Kaisers
unbedingte Folge zu leisten“. Ein sichtbares Zei-
chen, daß die Wehrpflicht dem Landesherrn ge-
leistet wird, ist die Landeskokarde.
## 4. Die Organisation und Gliederung des
Heeres. Das H. besteht aus dem stehenden H.
und der Landwehr. Im Kriegsfalle kann der
Landsturm hinzukommen.
I. Das stehende Heer. 1. Die Frie-
densformation ist durch das Militär G
v. 1874 und die zu demselben ergangenen No-
vellen, gegenwärtig die letzte v. 27. 3. 11 (Rl
99), festgestellt. Innerhalb dieser gesetzlichen
Anordnungen hat der Kaiser den Präsenzstand,
die Gliederung und Einteilung der Kontingente
zu bestimmen. Die Organisation beruht auf dem
Kadresystem, d. h. die im Kriege zur Ver-
wendung kommende Heeresmacht wird im Frie-
den nur zum Teil präsent gehalten. Die Friedens-
sormationen bilden den Rahmen, welcher erst im
Kriege völlig ausgefüllt wird und dienen zur Aus-
bildung der Mannschaften. Die Grundeinheit ist
das Bataillon für die Infanterie und Jäger,
Fußartilleric, Pioniere, die Verkehrstruppen und
den Train, die Schwadron für die Kavallerie und
die Batterie für die Feldartilleric. Dazu kom-
men die sogen. „besonderen Formationen“. Die
höheren taktischen Verbände sind das Regiment,
bensjahr.
Heer (Organisation)
die Brigade, die Division und das Armeekorps.
Die Anzahl der letzteren ist gesetzlich auf 23 be-
stimmt, von denen Bayern 3, Sachsen 2, Würt-
temberg 1, Preußen die übrigen formieren. Für
mehrere Armeekorps, in der Regel für je drei
oder vier, besteht eine Armeeinspektion.
2. Die Friedenspräsen zstärke. Dar-
unter ist seit dem G v. 3. 8. 93 die jährliche Durch-
schnittsstärke des deutschen Heeres zu verstehen;
sie kann daher zeitweilig überschritten werden,
soweit dies durch Rekrutenvakanz, Entlassungen,
Beurlaubungen ausgeglichen wird. Ihre wichtigste
Bedeutung besteht darin, daß sie der Ansätzen
des Militärctats zugrunde gelegt wird; für die
Berechnung der Militärausgaben sind Bundesrat
und Reichstag an sie gebunden. In die Präsenz-
stärke werden daher diejenigen Militärpersonen
nicht eingerechnet, welche den normalen Friedens-
verpflegungsctats nicht zur Last fallen wie die
Einjährig-Freiwilligen und die zu Uebungen ein-
gezogenen Reserve= und Landwehrmannschaften.
Nach dem a 60 der RV wird die Friedenspräsenz-
stärke durch Gesetz festgestellt. Das G v. 27. 3. 11
bestimmt, daß sie bis zum Ende des Rechnungs-
jahres 1915 allmählich auf 5615 321 Mann erhöht
werden soll. Die einmal festgestellte Präsenzstärke
kann nach RV a 5 Abs 2 ohne Zustimmung Preu-
ßens nicht abgeändert werden.
3. Die Territorialeinteilung liegt
der Organisation der Landwehr zugrunde und
bildet die Grundlage der H. Ergänzung. Das
Bundesgebiet zerfällt in 22 Armeekorpsbezirke,
welche in Divisions= und Brigadebezirke und in
Landwehr= und Kontrollbezirke eingeteilt werden.
4. Die Kriegsformation des H. wird
vom Kaiser bestimmt; gesetzliche Vorschriften
sind darüber nicht erlassen worden.
I. Die Landwehr. Die jüngeren Jahr-
gänge der ausgebildeten und von den Fahnen
bereits entlassenen Mannschaften werden im Falle
der Kriegsbereitschaft oder Mobilmachung in die
Kadres des stehenden H. eingestellt; sie bil-
den die Reserve. Die älteren Jahrgänge der
ausgebildeten wehrpflichtigen Mannschaften da-
gegen werden, falls ihre Einberufung erfolgt, in
der Regel in besondere Truppenkörper ein-
gestellt und heißen die Landwe hr. Durch das
Rv. 11. 2. 88 ist sie in zwei Aufgebote eingeteilt
worden; die Verpflichtung zum Dienst in der
Landwehr I. Aufgebots dauert 5 Jahre nach ab-
geleisteter Dienstpflicht im stehenden H.; die
Dienstpflicht in der Landwehr II. Aufgebots
endigt am 31. März des Kalenderjahres, in wel-
chem das 39. Lebensjahr vollendet wird. Die
regelmäßige Organisation der Landwehr ist die
der Landwehr--Infanterie; für die Kavallerie
werden besondere Truppenkörper nur nach Be-
darf, für die übrigen Waffen überhaupt nicht ge-
#
bildet. Die Grundlage der Organisation ist die
Territorialeinteilung des Bundesgebiets; im übri-
gen wird dicselbe vom Kaiser, in Bayern vom
König von Bayern bestimmt. "
III. Der Landsturm ist durch das Rö
v. 11. 2. 88 geregelt; er kann in Fällen außer-
ordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des H. und
der Marine herangezogen werden. Die Land-
sturmpflicht dauert bis zum vollendeten 45. Le-
Der Aufruf des Landsturms erfolgt
durch Kaiserl. Verordnung; im Bedürfnisfalle