424
Hypothekenbanken
u treffen, welche erforderlich sind, um den Ge-
schestsbetrieb der Bank mit Gesetz, Satzung usw.
im Einklang zu erhalten. Die wichtigsten dieser
Befugnisse werden einzeln aufgezählt, und es
wird die Möglichkeit vorgesehen, daß die Aufsichts-
behörde die Aufsicht durch einen von ihr ernannten
Staatskommissar ausüben läßt. Von dieser Mög-
lichkeit haben sämtliche Bundesstaaten außer
Preußen und Schwarzburg-Sondershausen Ge-
brauch gemacht. In Preußen wird nur bei der
Preußischen Zentralbodenkredit-Aktiengesellschaft
die Aufsicht durch einen „Regierungs-Kommissar“
ausgeübt. Oberste Aufsichtsbehörde in Preu-
ßen ist nach AE v. 13. 8. 76 das Ministerium für die
landwirtschaftlichen Angelegenheiten. Sonst ist
weder Gesetz noch Verordnung, welche die zu-
ständigen Behörden bezeichnete, ergangen. Man
wird aber die Aufsichtsführung unbedenklich den
Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung
urechnen müssen, und so würde die Grundregel
bes 53 LG zur Anwendung kommen: Die Ge-
schäfte werden unter Oberleitung der Minister, in
den Provinzen von den Oberpräsidenten, in den
Reg Bezirken von den Reg Präsidenten und den Re-
gierungen, in den Kreisen von den Landräten ge-
führt. Ueber die rechtliche Natur der Staatsauf-
sicht, die Zwangsmittel der zuständigen Behörden,
die Rechtsmittel der der Aufsicht und dem Zwange
Unterworfenen fehlen im Gesetz wie in den Ma-
terialien jegliche Bestimmungen. Ihrer rechtlichen
Natur nach wird man die Aufsicht für eine wirt-
schafts-polizeiliche halten müssen. Als Zwangs-
mittel können alsdann einzig die in dem V. Titel
des LVG den Verw Behörden eingeräumten po-
lizeilichen Zwangsbefugnisse in Betracht kommen,
obwohl der Anwendung und Durchführbarkeit
einzelner dieser Befugnisse Bedenken entgegen-
stehen. Was die Frage nach den Rechtsmitteln
gegen die Verfügungen der Aussichtsbehörden
angeht, so muß man von der Erkenntnis, daß die
durch die Aufsichtsbehörde über die HB geübte
Aufsicht ein Ausfluß der staatlichen Polizeigewalt
ist, dazu gelangen, 5§ 134 LVG für anwendbar
zu erachten und damit als Rechtsmittel gegen die
Verfügungen des Reg Präsidenten innerhalb
zweier Wochen die Beschwerde an den Oberpräsi-
denten und gegen den vom Oberpräsidenten auf
die Beschwerde erlassenen Bescheid innerhalb glei-
cher Frist die Klage bei dem OW als gegeben
ansehen (vgl. Sontag, „Bankarchiv“ 1904 S 23).
Praktisch ist die Frage nach diesem Instanzenzuge
noch nicht geworden, da — eine beachtliche Tat-
sache — die Aufsicht über die HB bisher ohne jede
ernstere Kollision zwischen Aufsichtsbehörden und
Banken geführt worden ist.
Was Inhalt und Umfang des staatlichen
Aufsichtsrechts angeht, insbesondere die Frage, ob
der Aufsichtsbehörde neben der Ueberwachung
des Einhaltens der für die Bank verbindlichen Vor-
schriften auch ein Einwirken auf den Geschäfts-
betrieb durch sachliche Anordnungen und Entschei-
dungen zusteht, so wird letztere Ausdehnung in den
Motiven rundweg verneint, und zwar gerade für
den Fall, in dem die materielle Aufsicht am be-
deutsamsten und einschneidendsten sein würde,
nämlich bei der Sorge für Erhaltung der den
PfBGläubigern in dem Hestande gegebenen
Deckung. Die materielle Aufsicht wird abgelehnt,
weil daraus dem Staate eine große Verantwort-
lichkeit erwachsen würde, sodann, weil für eine so
weitgehende Fürsorge weder ein Bedürfnis noch
ein Anspruch bestehe 1).
Allerdings bedürfen die PfB Gläubiger eines
Organs, das in bestimmten Richtungen ihre In-
teressen gegenüber der à5 wahrnimmt, insbeson-
dere darüber wacht, daß für die Hpf# stets die
nach dem Gesetz und der Satzung erforderliche
Deckung an H vorhanden ist. Hierfür ist durch
ein besonderes Organ Rechnung getragen, den
von der Aussichtsbehörde für jede HB zu ernen-
nenden und von dieser zu besoldenden „Treu-
händer" (§95 29—36 d. G). Seine Rechtsstellung
ist die eines Beauftragten der Aufsichtsbehörde.
Die Kontrolle über die Wahrung des Gleichge-
wichts zwischen PfBDeckung und umlaufenden
Pfandbriefen sowie über den Bestand der Deckung
wird ihm durch ins einzelne geregelte Rechte und
Pflichten auf Mitverschluß der HPf, Böücherein-
sicht, Bescheinigungstätigkeit usw. ermöglicht.
Kiteratur: Ernst Engel, Der Grundkredit
und das Kapitalbedürfnis der Grundbesitzer, befriedigt durch
eine Preuß. Bodenkreditbank. 1862. Die H Obligationen
ausgebenden Grundkredit-Institute (in der 8 des Kal Katist.
Bureaus 1875); Enquete ũber das HBWesen v. 18. 8. 68
bis 19. 6. 68: St Ber 1868; Rodbertus--Jagetzow,
Die Ursache und Abhilfe der heutigen Kreditnot, 1868/69;
v. Stengel, Bodenkredit und Bodenkreditanstalten
(Annalen 1878); H. v. Poschinger, Bankwesen und
Bankpolitik in Preußen bis 1870, 1878; J. Goldschmidt,
Die deutschen 599, 1880; Zur Kritik der deutschen 5
(Jahrb GC#PK erw VW 1901); Schraut, Die Organisation
des Kredits, 1883; F. Hecht, Die staatlichen und provin-
ziellen Bodenkreditinstitute in Deutschland, 1890; Bolct,
B und Beleihungsgrenze, 1899; Motive zum Entwurf eines
BGesetzes. Reichstags-Vorlage 1898/99 Nr. 106; Kom-
mentare von H. Göppert und M. Seidel, 1910,
Löhr 1906; F. Guttmann, Mündelsicherheit der
deutschen PsB, 1900; Sicherung der Besitzer von 6HB Pist
durch Staatskommissarien und Treuhänder, 1901; Liman,
Urfachen der Krisis der S, 1901; Th. Müller= Füh-
rer: Die HB und die Sicherheit der PB, 1902; nament-
lich aber Hecht, Die HB, Abt. 1 und Abt. II Bd. 1 bis
1903; Derselbe in Holtzendorffs Enzyklopädie " 1084 ff
und in dem HW St Wunter „Oypothekenbanken“; ferner
Sontag, Die Rechtsmittel gegen Anordnungen der den
9 übergeordneten Aufsichtsbehörde im Bank.Archiv 1904
S 20; Golodez, Staatsaufsicht über die HB im Jahrb-
GVerw BW 1905; Budde, Beiträge zum Reichs-HB. Ge-
setze, 1906/10; Löhr, Die volkswirtschaftliche Bedeutung
der HB. 1908; Sontag, Die Gründung einer Industrie-
B. 1909; Dannenbaum,,. Deutsche Hypotheken-
banken, 1911; Mull y v. Oppenried, Die Hypothekar-
anstalten in Deutschland und Oesterreich--Ungarn ? 1911.
„Landwirtschaftliches Kreditwesen“ und die dort an-
ge führte Literatur. Lontag.
1) Der Zusammenbruch der Spielhagen-- und Pommern-
bank gaben den Anstoß zu einer Konserenz im Preußischen
Landwirtschaftsministerium. Auf Grund der Beschlüsse
dieser Konserenz und des Erlasses des Preuß. Landwirt-
schaftsministers v. 17. 11. 01 findet nunmehr eine auf
Auskunft der HB gegründete ständige Ueberwachung der
Geschäftstätigkeit der SB durch die Aufsichtsbehörde und
eine alle 2—3 Jahre wiederkehrende eingehende Geschäfts-
revision statt. Mit der letzteren ist auch eine genaue sach-
liche Prüsung der einzelnen Beleihungen verbunden.