Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Irrenwesen 
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Die Spezialanstalten, die solche Kranke aufneh- 
men, werden mit dem Sammelnamen Jlnstalten 
bezeichnet. Eine Trennung zwischen Heil- und 
Pflege-Anstalten findet in der Regel nicht mehr 
statt. Einige Anstalten nehmen ausschließlich 
Epileptiker und Idioten auf. 
In den letzten 25 Jahren sind mancherlei Fort- 
schritte in der Fürsorge für die GKr gemacht, die 
Behandlung ist eine andere geworden, die Prophy-= 
laxe ist gefördert. Die Zahl der Jünstalten in 
Deutschland ist in den letzten 30 Jahren um das 
dreifache gestiegen, die neueren Anstalten unter- 
scheiden sich auch im Aeußern und Innern be- 
deutend von den früher üblichen, vergitterten und 
zuchthausähnlichen Bauten. Ob die Zahl der 
GKr, wie man aus der stetigen Vermehrung und 
der Ueberfüllung der Anstalten schließen könnte, 
im Zunehmen begriffen ist, läßt sich nicht sicher 
erweisen. 
Im Jahre 1911 waren in Deutschland 485 Jünstalten 
(einschließlich 86 Anstalten für Ivioten und 52 für Epi- 
leptiker); hiervon waren 227 öffentliche, 258 private Anstal- 
ten. Die Anstalten boten Platz für etwa 120 000 Kranke. 
Die Zahl der OkKr, die sich in Anstalten befinden, beträgt 
nach der Statistik von 1898 für Deutschland 1,32 auf 1000 
Einwohner. GfKr überhaupt wurden in Preußen 2,6, in 
Sachsen 2,3 auf 1000 Einwohner gezählt. In Preußen 
jind etwa 53% aller GKr in Anstalts-Behandlung. 
# 2. Irrenaustalten. 
a) Arten. Zu den öffentlichen Iln- 
stalten gehören: die zu Unterrichtszwecken die- 
nenden staatlichen psychiatrischen (Universitäts)= 
Kliniken, die Kreis JAnstalten (in Bayern), die 
staatlichen, provinzialständischen (in Preußen) 
und städtischen Anstalten, die Jbteilungen an 
größeren städtischen Krankenhäusern und an 
Straf= und Gefangenen-Anstalten. In Preußen 
sind die Mehrzahl der öffentlichen Anstalten im 
Besitz der Provinzen, unter staatlicher Beihilfe 
(Dotations-Gv. 30. 4. 73 und A v. 8. 7. 75). 
In den andern Staaten sind die öffentlichen 
Ilnstalten meist im Besitz des Staates selbst. 
Zu den Privat anstalten gehören die von 
einzelnen Unternehmern oder von privaten Ver- 
bänden oder von weltlichen und geistlichen Orden, 
Genossenschaften und Stiftungen begründeten 
und betriebenen. Soweit solche Anstalten nicht 
eschlossen, sondern offen sind, d. h. keinerlei Be- 
schränkung der persönlichen Freiheit ihrer Insassen 
mit sich bringen, nehmen sie keine andere Stellung 
als die Krankenhäuser ( ein. 
b) Bau, Einrichtung, Betrieb. 
Da die Ilnstalten neben dem Zweck der Für- 
sorge für die Kranken den des Schutzes der All- 
gemeinheit vor Schaden stiftenden GKr verfol- 
gen, müssen sie Einrichtungen zur Beschränkung 
der persönlichen Freiheit der Insassen besitzen. 
Im übrigen sind hinsichtlich Bau und Einrich- 
tungen dieselben Anforderungen wie an die allge- 
meinen Krankenhäuser zu stellen. In Preußen 
bestehen im Anschluß an den Min E v. 19. 8. 95 
und den Entw einer Pol Verordnung über An- 
lage, Bau und Einrichtung von öffentlichen und 
Privatkrankenhäusern, Entbindungs= und Iln- 
stalten in den einzelnen Provinzen, PolVerord- 
nungen, die in Einzelheiten etwas abweichen und 
für die JAnstalten einige besondere Bestimmungen 
(über Tageräume, Erholungsplätze und Abson- 
derungsräume für störende Kranke) enthalten. 
  
  
Die Bauerlaubnis wird erteilt wie bei den übri- 
gen Krankenhäusern [NI. In Bayern werden zur 
Begutachtung von Plänen für Privat Jnstalten 
der Bezirksarzt und der Direktor der im Bezirk 
liegenden Kreis Instalt zugezogen (Min E v. 
3. 12. 95). 
Für die Privatanstalten ist nach § 30 GewO 
die Konzession durch die höhere VerwBehörde 
erforderlich, aber nur für diejenigen Anstalten, 
die gewerbsmäßig betrieben werden, also nicht 
für die Anstalten von Orden, Kongregationen u. dgl. 
Ueber den Betrieb der Jlnstalten, soweit 
es sich um Privatanstalten handelt, ist in Preußen 
ein Min E v. 26. 3. 01 hinsichtlich der ärztlichen 
Leitung maßgebend. Für Anstalten, in denen 
Kranke über 18 Jahre ausgenommen werden, 
wird zur Leitung ein in der Psychiatrie bewander- 
ter und entsprechend vorgebildeter Arzt verlangt, 
dessen Person vom Reg Präsidenten zu genehmi- 
gen ist; auch sind besondere Bestimmungen über 
die Zahl der anzustellenden Aerzte getroffen. Für 
Anstalten, in denen Kranke unter 18 Jahren und 
nur Idioten und Epileptiker untergebracht werden, 
sind gewisse Erleichterungen, namentlich hin- 
sichtlich der ärztlichen Tätigkeit und psychiatrischen 
Vorbildung des Anstaltsarztes vorgesehen (Min E 
v. 25. 1. 02, 24. 4. 96). Genauere Vorschriften 
sind in Preußen auch über die Listenführung in 
den Privat JAnstalten erlassen. Für die Kranken- 
hausstatistik sind nach dem Beschl des BR v. 
12. 12. 01 reichsseitig Erhebungen nach Formu- 
lar II für Anstalten für G Kr vorgeschrieben. 
In Bayern ist nach dem MinE v. 3. 12. 95 
der Dienst des Jürztes an jeder Privat- 
Innstalt von einem psychiatrisch vorgebildeten 
Arzte zu versehen; die Befähigung des Anstalt- 
leiters ist bei der Konzessionserteilung durch den 
Bezirksarzt und den Direktor der Kreis JAnstalt 
zu prüfen. In Württemberg (Min E v. 18. 11. 99P) 
muß in Privat JAnstalten für heilbare Kranke 
oder für mehr als 50 Kranke ein psychiatrisch aus- 
gebildeter Arzt, der in der Anstalt selbst oder in 
deren nächster Umgebung wohnt, zur Leitung 
vorhanden sein, während in Anstalten bis zu 50 
Betten, in denen heilbare Kranke nicht aufgenom- 
men werden, der regelmäßige Besuch eines Arztes 
genügt. In ganz ähnlicher Weise ist in Baden 
der irrenärztliche Dienst in den Privat.JAnstalten 
geregelt (Gov. 25. 6. 10, Ausführungs V v. 30. 6.10). 
Zur Aufnahme freiwillig eintretender 
Kranker kann in Preußen den Anstalten nach gut- 
achtlicher Aeußerung des Kreisarztes die Ge- 
nehmigung unter dem Vorbehalt jederzeitigen 
Widerrufs erteilt werden. In der Regel sollen 
solche Anstalten einen in der Anstalt wohnenden 
Arzt haben (Min E v. 26. 3. 01, § 16). 
c) Ueberwachung der Irrenan- 
stalten. Das Deutsche Reich übt eine Aufsicht 
über die J Pflege nicht aus. Im Reichsgesund- 
heitsamt ist auch kein psychiatrischer Vertreter. 
Preußen hat einen Psychiater als Hilfsarbeiter 
im Ministerium. Auch bei den übrigen größeren 
Staaten befinden sich Psychiater bei den Zentral- 
medizinalbehörden. Die Beaufsichtigung des IW 
ist daher keine gleichmäßige, nicht einmal in Preu- 
ßen. Hier ist die staatliche Aufsicht über die JAn- 
stalten, soweit sie öffentliche und im Besitz der 
Provinzialverwaltungen sind, den Oberpräsi- 
denten übertragen. In Baden ist eine mindestens 
  
 
	        
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