Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Irrenwesen 
behörde, der Erste Staatsanwalt, bei Entmündigten 
und unter Pflegschaft Stehenden das Vormund- 
schaftsgericht zu benachrichtigen. Von der polizei- 
lich veranlaßten Ueberfuhrung eines Gr hat die 
PolBehörde den Angehörigen unverzüglich Mit- 
teilung zu machen (Min E v. 18. 11. 02). Die 
Aufnahme von Ausländern ist außerdem dem für 
die Anstalt zuständigen Reg Präsidenten anzuzei- 
gen. 
In Bayern ist ein Gutachten des Bezirksarztes 
erforderlich, außerdem die Genehmigung der Di- 
strikts BerwBehörde. — In Sachsen ist für die 
Aufnahme erforderlich (Min E v. 9. 8. 00), ein 
Antrag der Angehörigen oder der PolBehörde 
und ein Zeugnis eines Arztes, das, wenn es von 
nicht landesansässigen Aerzten ausgestellt ist, vom 
Bezirksarzt nachzuprüfen ist. Ausnahmsweise darf 
in dringenden Fällen die Aufnahme ohne ärztliches 
Zeugnis erfolgen, jedoch ist dann ein solches sofort 
nachträglich zu beschaffen oder eine Untersuchung 
durch den beamteten Arzt vorzunehmen. — In 
Baden ist ein bezirksärztliches Zeugnis vorge- 
schrieben; es kann durch das Zeugnis eines er- 
mächtigten Arztes der Privat.#Anstalt ersetzt wer- 
den, jedoch ist alsdann eine Untersuchung des 
Kranken binnen 24 Stunden vom Bedzirksarzt vor- 
zunehmen. — In Württemberg ist außer dem 
Zeugnis des Gemeinderats oder der Ortspolizei- 
behörde (bei Ausländern) das Zeugnis eines 
Arztes, das bei Privatärzten durch den Oberamts- 
arzt zu bestätigen ist, erforderlich. Von jeder Auf- 
nahme ist dem Oberamtsarzt Anzeige zu erstatten 
(MinE v. 7. 11. 94). 
pc) Bezüglich der freiwillig eintreten- 
den Gr ist in Preußen eine ärztliche Bescheini- 
gung darüber, daß der Aufzunehmende Verständ- 
nis für seinen Eintritt in die Anstalt besitzt (bei Voll- 
jährigen) und nach seinem Zustand für die Auf- 
nahme geeignet ist, und eine schriftliche Erklärung 
des Aufzunehmenden oder seines gesetzlichen Ver- 
treters notwendig. Die Aufnahme ist der Orts- 
  
polizeibehörde vertraulich anzuzeigen. In Baden 
können sowohl in öffentlichen als privaten JAn- 
stalten volljährige (GKr auf ihren Antrag ohne 
weiteres ausgenommen werden, wenn sie nach 
dem Ermessen der Direktion sich zur Aufnahme 
eignen. 
# 4. Die Entlassung aus den Irrenanstalten 
hat dann zu erfolgen, wenn der Kranke geheilt ist 
oder der Anstaltspflege nicht mehr bedarf, serner 
wenn die Behörde die Entlassung verlangt. Bei 
den zwangsweise untergebrachten gemeingefähr- 
lichen G#r (53 Zll) erfolgt die Entlassung bei Fort- 
fall der für die Unterbringung maßgebend gewese- 
nen Voraussetzungen. Außerdem kann bei Privat- 
anstalten der gesetzliche Vertreter die Entlassung for- 
dern, doch hat dann, wenn es sich um gemeinge- 
fährliche Kranke handelt, die Pol Behörde den zu- 
künftigen Aufenthaltsort zu bestimmen. 
willige Pensionäre misssen auf ihr oder ihrer ge- 
setzlichen Vertreter Verlangen jederzeit entlassen 
werden, wenn der Zuftand der Kranken sich nicht 
etwa so verändert hat, daß die Anstaltsbehandlung 
notwendig geworden ist. 
Gegen die frühzeitige Entlassung gefährlicher 
G#Kr aus den öffentlichen Jnstalten wenden sich 
in Preußen die Min E v. 15. 6. und 16. 12. 01, 
6. 1. 02 und 20. 5. 04, indem darin bemerkt wird, 
daß die Anstaltsleitung vor der beabsichtigten Ent- 
Frei- 
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lassung einer nach ihrem Vorleben als gefährlich 
zu erachtenden Person den PolBehörden Mit- 
teilung zu machen und deren Aeußerung abzu- 
warten hat; auch soll der Staatsanwaltschaft Ge- 
legenheit gegeben werden, ihre Bedenken gegen 
die Entlassung geltend zu machen. In besonders 
schwierigen Fällen soll die Entscheidung des 
Reg Präsidenten von der Polehörde eingeholt 
werden. 
Auch in Sachsen darf die Entlassung gemeinge- 
fährlicher GKr nur dann erfolgen, wenn die Pol- 
Behörde bescheinigt, daß für genügende Beauf- 
sichtigung und Sicherung gesorgt wird. 
Ueber solche heerespflichtige Personen, die in 
Anstalten für GKr, Epileptische und Idioten sich 
befunden haben, sollen in Preußen vertrauliche 
Mitteilungen an die Ersatzkommissionen gemacht 
werden (MinE v. 17. 4. 06). 
#5. Geisteskranke in Familienpflege. Eine 
große Zahl der G# Kr bleibt in der eigenen Familie 
(13 Z. 1) oder wird in fremden Familien unterge- 
bracht. Soweit die Unterbringung seitens der JAn- 
stalt nach sachkundiger Auswahl der Kranken selbst 
und der geeigneten Familien und unter Kontrolle 
durch den Anstaltsarzt geschieht, sind gute Erfolge 
erzielt. Der Staat hat ein Interesse daran, diese 
in Familienpflege untergebrachten GKr zu beauf- 
sichtigen. Die Beaufsichtigung geschieht überall, 
aber nicht gleichmäßig. Maßgebend sind in Preu- 
ßen die Min E v. 3. 7. 96, 25. 4. 98, 26. 3. 04, 
auf Grund deren in allen RegBezirken Verord- 
nungen ergangen sind. Es handelt sich hierbei 
hauptsächlich um Aufstellung von namentlichen 
Verzeichnissen, Prüfung durch die Behörden und 
beamteten Aerzte, Ueberwachung durch den Kreis- 
arzt. Der letztere ist auch durch § 105 seiner DAnw 
auf die Beaufsichtigung der von Privatpersonen 
in fremden Familien untergebrachten GKr hin- 
gewiesen. In Bayern ist durch Min E v. 1. 1. 95 
die Beaufsichtigung der nicht in Jnstalten unter- 
gebrachten Gür durch den Bezirksarzt und die 
Distriktspolizeibehörde angeordnet. Dasselbe ist 
in Baden der Fall. 
## 6. Jrrenrecht. In zivilrechtlicher Hinsicht 
trifft das Gesetz Maßregeln zum Schutz der Gär 
vor den nachteiligen Folgen unrichtiger Hand- 
lungen, die sie selbst begehen oder die von anderen 
begangen werden. Entmündigung nach §6, Abs 1 
BB und Einrichtung der Pflegschaft nach 
* 1910, Abs 2; Verfahren nach der ZPO 8 645 
bis 679. Die Geschäftsfähigkeit nicht Entmündig- 
ter kann unter den im BBM F 104, Abs 2 ange- 
gebenen Umständen aufgehoben, eine Willeus- 
erklärung unter den im §& 105 angeführten Voraus- 
setzungen nichtig sein. Die Testierfähigkeit wird 
den wegen Geisteskrankheit Entmündigten nach 
#2229 abgesprochen. Die Nichtigkeit einer Ehe 
bei Geisteskrankheit behandelt & 1325, während 
*l# 1304 den wegen Geistesschwäche Entmündigten 
das Eingehen der Ehe bei Zustimmung des Vor- 
munds oder Vormundschaftsgerichts gestattet. 
Ueber Geisteskrankheit als Grund zur CEhescheidung 
5l 1569 B##. 
In strafrechtlicher Beziehung kommt § 51 St GB 
in Betracht. Aus der StPp O kommen 581 (zwangs- 
weise Unterbringung Angeschuldigter in IAnstalten 
zur Beobachtung ihres Geisteszustandes), § 203 
(Einstellung des Verfahrens bei Verfall in Geistes- 
krankheit), § 485 (Nichtvollstreckung der Todes-
	        
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