Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

unbeweglichen Sachen einschließlich des Berg- 
werkseigentums, 3. das Zustellungswesen, 4. die 
Zwangsvollstreckung, 5. das gerichtliche Kosten- 
wesen (zu 3—5 nur zwecks Vereinfachung der 
heimischen Bestimmungen); b) für das gesamte 
Gebiet oder für einzelne Teile polizeiliche oder 
sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften 
zu erlassen und gegen die Nichtbe folgung Gefäng- 
nis bis zu 3 Monaten, Haft, Geldstrafe und Ein- 
ziehung einzelner Gegenstände anzudrohen. — 
Die Verordnungen sind (unbeschadet ihrer sofor- 
tigen Gültigkeit) ohne Verzug dem Reichskanzler 
(Reichsmarineamt) zur Genehmigung vorzulegen. 
— Die fortdauernde Gültigkeit dieser (auf §#§# 3 
Z. 1, 2, 10 und 11 des alten Schutzgeb G v. 15. 
3. 88 gestützten) Delegation beruht jetzt auf §& 15 
SchutzgebS von 1900. Anderen Sch GBeamten 
ist die Befugnis zur Erlassung von Rechtsverord- 
nungen nicht beigelegt worden. Auf Grund der 
vorstehenden Ermächtigung hat der Gouverneur 
zahlreiche Verordnungen erlassen, deren wichtigste 
im folgenden erwähnt sind. Insbesondere be- 
ruht das gesamte Steuer-, Abgaben= und Zoll- 
wesen des K.G auf derartigen Verordnungen des 
Gouverneurs (gegen die Rechtsgültigkeit derarti- 
ger Verordnungen neuerdings v. Stengel, 3 f. 
Kolonialpolitik Jahrg. 11 S 258 sowie die dort 
aufgeführten Schriften von Fischer und H. Gierke, 
anderseits Gerstmeyer S 48; das Obergericht hat 
in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. 11. 
1910 das Besteuerungsrecht des Gouverneurs 
verneint). 
II. Die Form der Publikation der 
Verordnungen des Gouverneurs ist nicht 
geregelt. In den ersten Jahren sind sie teilweise 
nur durch öffentlichen Anschlag bekannt gemacht; 
seit dem 7. 7. 00 werden sie in dem vom Gouver- 
nement herausgegebenen, in Tsingtau erscheinen- 
den „Amtsblatt für das Deutsche Kiautschougebiet“ 
veröffentlicht. Die für K. erlassenen besonderen 
Gesetze und die Verordnungen des Kaisers und 
des Reichskanzlers werden, auch wenn sie in das 
Reichsgesetzblatt ausgenommen sind, durch das 
vom Reichs-Marine-Amt herausgegebene „Ver- 
ordnungsblatt für das Kiantschougebict“ (seit 
1903; früher „Anhang zum Marine-Verordnungs- 
blatt“), veröffentlicht. 
5. Grundlagen der Verwaltung. Durch 
Kab O v. 27. 1. 98 (MVl 63) ist die gesamte 
Verwaltung des Kiautschougebie- 
tes dem Reichskanzler (und zwar wegen der 
Bedeutung Tsingtaus als Flottenstützpunkt nicht 
dem Reichs-Kolonial-, sondern dem Reichs-Ma- 
rine-Amt (§51 der Kaiserl. V. betr. Ausführung 
des Kolonialbeamtengesetzes. vom 3. 10. 10, 
RGBl. S. 1091) übertragen worden. Die „Zentral- 
verwaltung für das Schutzgebiet Kiautschou“ bildet 
eine Abteilung des Reichs-Marine-Amtes (mit 
einem Flagg= oder Stabsoffizier als Chef). Auf 
die Verwaltung finden (nach der Kaiserl. V v. 
5. 7. 98, MVl 214) die für die Marine gelten- 
den Vorschriften sinngemäße Anwendung; der 
Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt) ist ermächtigt, 
die durch die örtlichen Verhältnisse gebotenen Ver- 
änderungen eintreten zu lassen. Bezüglich der- 
jenigen Verw Zweige, über die weder Marine- 
Verwaltungsvorschriften noch besondere Verord- 
nungen (des Kaisers, Reichskanzlers oder Gou- 
verneurs) erlassen sind, gelten auch in K. (mit der 
Kiautschon 
  
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—. 
  
aus § 20 Kons.G# sich ergebenden Beschränkung) 
die in Preußen im bisherigen Geltungsbereich 
des ALn geltenden landesherrlichen Verordnun- 
gen und Anordnungen der Landeszentralbehör- 
den (Kons. GG #5 23 Abs 1—3 und 5; wichtig u. a. 
für Schulsachen und Angelegenheiten der Zivil- 
lustiverwaltung). 
Die Lokalverwaltung ist (abgesehen 
von den unten erwähnten Ausnahmen) einheitlich 
unter dem Gouverneur, dessen Befugnisse in 
Kommando= und Verw Angelegenheiten durch 
KabO v. 1. 3. 98 (MBl 63) geregelt sind. 
Die Kab O ist vom Reichskanzler nicht gegenge- 
zeichnet (über die Wirkungen dieses Mangels auf 
die Gültigkeit der KabO, soweit sie Rechtsverord- 
nung ist vgl. Köbner, Kol. Recht 1101). Danach 
ist der Gouverneur (Seeoffizier; Vertreter: der 
älteste aktive Offizier des K.G; KabO v. 21. 
12. 01, MV Bl 487) Vorgesetzter der in K. ange- 
stellten Beamten der Militär= und Zivilverwal- 
tung (Ausnahmen siehe unten). Ihm sind die in 
ihrer Gesamtheit das „Gouvernement" bildenden 
Referenten und Adjutanten unterstellt. Das 
Gouvernement zerfällt (nach der nicht veröffent- 
lichten Gesch O v. 22. 3. 09) in sechs Abteilungen 
(militärische, Landesverwaltung, Finanz--, Tech- 
bische und Gesundheits-Abteilung, Justizverwal- 
ung). 
Sämtliche deutschen Behörden im K. G sind 
dem Gouvernement unterstellt, mit Ausnahme 
des Postamtes, das dem Reichs-Postamt unter- 
steht, und der ordentlichen Gerichte, für die dieses 
nur in Angelegenheiten der Justizverwaltung, 
soweit es sich um die Verwendung der Etats- 
mittel handelt, nicht bezüglich der Rechtsprechung 
gilt (näheres 8 7). 
z 6. Militärwesen. Die gesamte Besatzung des 
SchE gehört der Marine an. Eine Schutztruppe 
ist nicht gebildet: die in den Etats als „Versuchs- 
formation“ bezeichnete Chinesentruppe steht tat- 
sächlich nicht unter militärischem Kommando, son- 
dern wird im Polizeidienst verwendet. Durch 
Kab O v. 27. 1. 98 ist die militärische Besatzung 
dem Staatssekretär des Reichs-Marine-Amtes 
unterstellt. Ihm sind in Angelegenheiten dieser 
Besatzung auch die Inspektionen der Marinein-- 
fanterie und Marineartillerie nachgeordnet (Nr. 8 
Kab O v. 1. 3. 98). Er hat dic gerichtsherrlichen, 
Disziplinar= und Urlaubsbefugnisse des komman- 
dierenden Admirals. Direkt unterstellt sind ihm 
die in der Heimat befindlichen zur vorläufigen 
Ausbildung des Ersatzes dienenden Teile der K.= 
Besatzung (1II. Stamm-Scebataillon und Stamm- 
Abteilung der Matrosen-Artillerie) sowic die Offi- 
ziere und Marinebeamten der Zentralverwaltung. 
Oberster Befehlshaber der im K. G selbst be- 
findlichen Besatzung sowie Vorgesetzter aller darin 
angestellten Militärpersonen und Marinebcamten 
ist der Gouverneur mit den Disziplinar= und Ur- 
laubsbe fugnissen eines Marinestationschefs (Nr. 1 
und 2 a. a. O.). 
Besondere Vorschriften über die Wehrpflicht 
sind nicht erlassen; die im Sch G ansässigen Sch G- 
Angehörigen sind daher nicht wehrpflichtig, die 
Reichsangehörigen dagegen nach Maßgabe der 
heimischen Gesetze. Die Wehrpflicht kann (auch 
von Einjährig-Freiwilligen und einschließlich der 
gesetzlichen oder freiwilligen Uebungen) bei den 
Besatzungstruppen des Sch G abgeleistet werden.
	        
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