Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
Kirche (Vermögensverwaltung in Elsaß-Lothringen) 
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Klerikaldekret v. 6. 11. 1813 geregelt (vgl. darüber 
oben § 15 12). Ueber die jährliche Aufstellung 
des Voranschlags und die Rechnungslegung der 
Fabrikverwaltung vgl. Geigel 122—130. 
Eine völlig neue Ordnung der Gehalts= und 
Pensionsverhältnisse aller Religionsdiener, auch 
der protestantischen und israelitischen, erfolgte durch 
Gv. 15. 11. 09 (GBl 126 ff). Hierdurch wurde 
auch das Landeskirchensteuer G v. 6. 7. 01 wieder 
aufgehoben. 
31. In der lutherischen und reformierten 
Kirche. Die Reichslande haben sich den Unionsbe- 
strebungen der Neuzeit gegenüber ablehnend ver- 
halten. Die beiden Kirchen unterscheiden sich ins- 
besondere in der Organisation der Behörden und 
dadurch auch der Vermögensverwaltung, während 
das innere Verwecht der beiden in der Haupt- 
sache gleich und dem katholischen K. Recht nachge- 
bildet ist. Ueber den Entw einer Kirchenordnung 
für die Kirche augsb. Konfession in Elsaß-Lothrin= 
gen vgl. Fleiner in Z f. KR 19, 335. 
I. Für die Organisation der Verwaltung 
kommt vor allem das organ. Dekret v. 26. 3. 
52 (Dursy 2, 89 ff) nebst den zum Vollzug er- 
lassenen Ministerial- und Direktorialverfügungen 
in Betracht. 
Das örtliche Kirchen fabrikvermögen 
wird hiernach in beiden Kirchen durch einen Kir- 
chen- oder Presbyterialrat verwaltet. 
Er besteht aus sämtlichen Pfarrern der Pfarrei 
und 4—7 auf 6 Jahre gewählten Laienältesten. 
Der dienstälteste Pfarrer führt den Vorsitz, bei 
vorübergehender Behinderung präsidiert das älteste 
Laienmitglied. Der Kirchenrat wählt auf drei 
Jahre aus seiner Mitte einen Schatzmeister, der 
  
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die Ausstände eintreibt, die genehmigten Ausgaben 
macht und die Rechnungen vorlegt. 
Die Verwaltung der Benefizialgüter 
erfolgt in der lutherischen Kirche für mehrere, z. B. 
6 zu einem Konsistorialbezirk vereinigte Pfarreien 
gemeinschaftlich durch einen vom Direktorium auf 
Vorschlag des Konsistoriums ernannten „Schaff- 
ner“. Das „Konsistorium“ ist der Kirchenrat des 
Hauptortes, der durch sämtliche Pfarrer und Laien- 
abgeordnete der einzelnen Pfarreien verstärkt ist. 
Zu diesem Zwecke wird zunächst der Kirchenrat des 
Hauptortes verdoppelt. Außerdem ist in den ver- 
schiedenen Pfarreien des Konsistorialbezirks je ein 
Mitglied zu wählen und es sind sämtliche Pfarrer 
heranzuziehen. Ein gewählter Pfarrer führt den 
Vorsitz; doch kann der Vorstand auch ernannt wer- 
den (V v. 10. 11. 52 c. 1 5 6). 
  
vertreten. Der geistliche Inspektor ist Mitglied des 
„Oberkonsistoriums“. Letzteres gehört in glei- 
cher Weise wie das Direktorium zu den Zentralbe- 
hörden und kommt wie dieses nur in der lutherischen 
Kirche vor. Das Oberkonsistorium ist die höchste 
kirchliche Vertretung des Augsburgischen Bekennt- 
nisses in den Reichslanden. Das Direktorium 
ist die oberste Vollzugsbehörde und hier läuft die 
Verwätigkeit auch auf dem Gebiet des Vermö- 
gensrechts aus. Es besteht aus dem Präsidenten, 
einem Laienmitglied, einem geistlichen Inspektor 
und 2 Mitgliedern des Oberkonsistoriums, die auf 
6 Jahre gewählt werden. — 
In der reformierten Kirche werden 
die Befugnisse des Direktoriums und teilweise 
auch des Oberkonsistoriums durch das Konsistorium 
wahrgenommen. Für den Zentralrat der re- 
formierten Kirche in Paris hat Elsaß-Lothringen 
noch keinen Ersatz gefunden. 
II. Der Kirchenrat hat in beiden Kirchen auf 
dem Gebiet der Vermögensverwaltung in der 
Hauptsache die Rechtsstellung des katholischen 
Fabrikrats: er hat für die Unterhaltung der kirch- 
lichen Gebäude und Erhaltung der Pfarrgüter zu 
sorgen und das Fabrikvermögen zu verwalten, 
hierüber jährlich einen Voranschlag aufzustellen, 
die Jahresrechnung abzuschließen und wegen Ver- 
wendung oder Anlage verfügbarer Kapitalbestände 
Anträge an das Konsistorium zu stellen (VW v. 10. 11. 
52 a 3; Vv. 20. 5. 63 a 1 und 5; Dursy 2, 125 f). 
Der Kirchenrat vertritt aber nicht die Fabrik, 
sondern bildet nur dem Konsistorium gegenüber 
deren Organ (Min E v. 26. 5. 53, Dursy 2, 128). 
Er korrespondiert daher nicht direkt mit den oberen 
Behörden. In der lutherischen Kirche bedür- 
fen alle VerwHandlungen des Kirchenrats zu ihrer 
Gültigkeit der Prüfung und Unterschrift des Kon- 
sistoriums, das sie dem Direktorium zur Bestä- 
tigung oder Ablehnung vorzulegen hat (V v. 
10. 11. 52 a 4). Das Konsistorium ist nur Ver- 
mittlungsinstanz und Kontrollbehörde. Die Staats- 
behörden haben Anufragen und sonstige Mittei- 
lungen an das Direktorium zu richten, das (wie der 
Bischof nach kanonischem Recht) die eigentliche Ver- 
tretung hat. Bedarf ein Rechtsakt außerdem der 
Staatsgenehmigung, so holt sie das Direkto- 
rium bei dem Bezirkspräsidenten ein. Dies ist (wie 
in der katholischen Kirche) der Fall bei der Ver- 
Fünf oder noch mehr Konsistorien bilden eine „In- 
spektionsversammlung"“, die etwa der preu- 
Kischen Kreissynode entspricht. Sie besteht aus sämt- 
lichen Pfarrern des Inspektionsbezirks und eben- 
soviel gewählten Laienmitgliedern. Dieselbe wählt 
(außer den 2 weltlichen Abgeordneten zum Ober- 
konsistorium) 3 Kandidaten, aus denen der Statt- 
halter auf Bericht des Direktoriums den geistlichen 
Inspektor (-Superintendenten) auf Lebenszeit er- 
nennt; dieser ist Vorstand der Inspektion und ver- 
mittelt den Verkehr zwischen den Konsistorien und 
dem Direktorium. Außerdem wählt die Inspek- 
tionsversammlung aus ihrem Schoß vorbehaltlich 
der Bestätigung des Statthalters 2 weltliche In- 
spektoren als Gehilfen des geistlichen Inspektors, 
die ihn bei Behinderung in allen nicht geistlichen 
äußerung von Grundstücken, Kapitalien und Ren- 
ten, bei Kapitalanlagen, Hypothekenlöschungen, 
Haftübernahmen, Anleihen, freihändigen und auf 
mehr als 9 Jahre gehenden Verpachtungen, Bau- 
ten, Reparaturen und Vergebungen aus freier 
Hand im Anschlag von mehr als 160 Mk., Ver- 
äußerungen und Reparaturen von Gegenständen 
geschichtlichen oder künstlerischen Werts, Klagen, 
Vergleichen und Schiedsanträgen (Geigel 400). 
Derreformierte nirchenrat kommt als wirk- 
liches Selbstverwaltungsorgan in Betracht. Er legt 
  
Handlungen, so auch vermögensrechtlicher Art, 
dem Konsistorium nur solche VerwHandlungen vor, 
die ihrer Natur nach der Genehmigung oder Be- 
scheidung der Oberbehörde bedürfen (V v. 20. 5. 53 
a 2). Dies geschieht nur bei Budgets= und Rech- 
nungsabschlüssen (a 5) sowie den vorhin erwähnten 
Rechtsgeschäften, welche der staatlichen Geneh- 
migung bedürfen und daher durch das Konsistorium 
zur Vorlage an die Regierung gelangen (a 6). 
Im Konsistorium läuft zur Stunde für die refor- 
mierte Kirche die Vermögensverwaltung aus; daß