Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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legenheiten in ihren Berührungskreisen mit der 
bürgerlichen Ordnung sich betätigende KV#des 
Staats. Jus majestaticum in sacr#a ist der von der 
protestamischen Kirchenrechtswissenschaft geprägte 
Ausdruck für die oberste Kirchengewalt des Landes- 
herrn. Das die gegenwärtige Verhältnisordnung 
von Staat und Kirche beherrschende System der 
Kberuht hiernach auf der Voraussetzung und dem 
Plane einer grundsätzlichen Schei- 
dung der sachlichen Zuständig- 
keitsgebiete beider Gemeinschaften. 
Mit diesem Inhalte ist das System der K das Crgebnis 
einer wechselvollen geschichtlichen Entwicklung. Es steht 
einerseits im Gegensatz zu den auf dem Gedanken der Ein- 
heit von Staat und nirche beruhenden kirchenpolitischen 
Zystemen der Vergangenheit, welche zeitlich abgegrenzt im 
14. Jahrhundert, in unmittelbarer Folge im Kirchenstaats- 
tum die adsolute Herrschaft der Kirche über den Staat, im 
Staatskirchentum die absolnte Herrschaft des Staates über 
die Kirche pratendierten. Es steht andererscits im Gegen- 
satze zu dem Snstem der völligen Trennung von Staat 
und Kirche, welches auch peripherische Zusammenhange 
beider Gemeinschaften nicht mehr anerkennen und vilegen 
will und die Macht der KO zu einer allgemeinen religiösen 
Vercins- und Polizeihoheit des Staates verflüchtigt. In 
Deutschland waren die geschichtlichen Bedingungen für den 
Uebergang aus dem System der Einheit zu dem der Ko durch 
die Tatsache der Resormation und die mit ihr gewirkte staats- 
rechtliche Anerkennung der Kocrxristenz mehrerer gleichbe- 
rechtigter Kirchengesellichaften gegeben. Die ersten Ansänge 
seiner positivrechtlichen Gestaltung liegen daher im West- 
fälischen Frieden von 1618. Von da bis zum Ende des 18. 
Kirche (Kirchenhoheit 
Jahrbunderts hat es noch mit den letzten Auslaufern des 
auf dem Einheitsgedenken beruhenden Staatskirchentums 
zu kämpfen. Zur grunosänlichen, wenn auch innerlich noch 
nicht rein durchgebilodeten Anertennung kommt es erstmalig 
im Adm von 1794 ITl. II Tit. 11. Von da überträgt es sich 
in die aufsgetlarte Staatskichengesetzgebung der Rhein- 
bundstaaten. Seinen Abschluß erhielt es im Zusammenhang 
mit der Einführung der konstitutionellen Staatssorm in den 
Verfassungsurkunden des 19. Jahrhunderts. Tiese und die 
zahlreichen zu ihrer Anoführung oder Ergänzung ergangenen 
staatskirchenrechtlichen Geietze fsind die Rechtsauellen der 
Gegenwart (vgl. um Sülue dieses Art. — 577). 
* Katholische Kirche oben S. 409 ###c . 
Ungeachtet des Reichtums und der Verschieden- 
heit ihres rechtlichen Juhalts im einzelnen, stim- 
men doch die führenden (GGrundgedanken über We- 
sen und Betätigung der K Lüberein. Dergeschicht- 
liche Entwicklungsgang macht verständlich, daß so- 
gar terminologisch Inhalt und Formen dieser Be- 
tätigung sich noch heute an die Begriffskategorien 
des Bestfälischen Friedens und der auf seiner 
Grundlage geschehenen territorialen Entwicklung 
anlehnen. Nur sind sie der Urauelle gegenüber 
teils eingeschränkt, teils erweitert und vertieft. 
Als die einzelnen Acußerungen der 
NV sind hiernach auch für das geltende Recht zu 
unterscheiden: das Jus reformandi (vgl. & 2), 
Tus inspiciendi cavendi (vgl. & 3) und 
Jus advocatiac (vgl. 8 . 
5*#2. Das Reformationorecht des Staates. Sein 
Inhalt ist gegenüber dem älteren geschichtlichen 
Begriff erheblich eingeschränkt. 
Der Weonialische Friede (V., 1) hatte zwar im Verhältnis 
der Reichsstände untereinander und dieser zum Reich den 
Grunosfatß der „aceblualitas egncha mutuanne“ proklamiert. 
Dagenen waren die Untertanen in diese religiöse Gleich- 
berechtigung noch nicht eingeschlossen. Ihnen gengenüber 
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behielten die Landesberren kraft ihrer Landeshoheit (ius 
territoriale) das Bestimmungerecht der individuellen und 
gesellschaftlichen Religionsübung. Dieses, nur durch den 
Besitzstand im Normaljahre 1621 beschränkte, sog. Jus re- 
formandi exercitium religionis (V. 30) wurde durch Theorie 
und Praxis der territorialen Rechtsentwickelung dreifach 
gegliedert und unterschieden in das jus reprobandi, to- 
lerandi und recipiendl. Das erste, das Recht des Religiono- 
bannes, gab den Landesherrn das Recht, jede von der Lan- 
deskonsession abweichende Religionsübung von dem Terri- 
torium auszuschließen. Das zweite gab die Befugnis, auch 
einer abweichenden Religionsübung eine in Art und Maß 
der Berechtigungen beliebig abgestufte Duldung mit persön- 
licher Gewissenefreiheit, Hausandacht, Besitz gewisser bür- 
gerlicher Rechte zu gewähren. Das dritte gab die Befugnis 
der gesellschaftlichen Aufnahme und Anerkennung jeder 
christlichen Konfession mit Abstufung des esereitium 
religionls privatum oder publieum. Nichtchristliche Reli- 
gionsgemeinschaften und christliche Sekten waren von dem 
Frieden überhaupt ausgeschlossen. Die Macht dieser reli- 
giösen Bestimmungsrechte wurde in den einzelnen Terri- 
torien sehr verschieden ausgenbt. Durch die spätere Ent- 
wicklung aber, durch Reichsdeputationehaunptschluß. Deutsche 
Bundosakte, Landesversassungen und die Gesetzgebung 
des neuen Reichs wurde mittelbar oder unmittelbar der 
Jnhalt des alten zius refermandi umgestaltet. Cinerseits 
war die Ausübung eines unbeschränkten jus reprobandi 
verwehrt, andererseits der Genuß der bürgerlichen und 
staatsbürgerlichen Nechte unabhängig gestellt. 
Hiernach begreift das Reformationsrecht des 
Staates im gegenwärtigen Sinn nur noch ein 
Doppeltes: das Recht der Aufnahme neuer 
und das Recht der staatskirchenrechtli- 
chen Differenzierung der bestehen- 
den Kirchen= und Religionsgesellschaften. In 
beiden Richtungen aber wird es nicht mehr in 
Vollmacht des Vestfälischen Friedens, sondern kraft 
der Souveränität der Einzelstaaten in 
dem durch die Staatsgrundgesetze genauer be- 
stimmten Umfange ausgeübt. Dem Reiche als 
solchem steht auch auf diesem Gebiete eine selbstän- 
dige K nicht zu. Nur gelegentlich und zerstreut hat 
seine Gesetzgebung die Acußerungen der KD be- 
rührt. 
Im einzelnen ist bemerkenswert: 
a) für Aufnahme und Neubildung 
von Religionsgesellschaften (7 kreuzen sich zweiS- 
steme. Nach dem einen besteht die grundsäsliche 
Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften 
in den Formen und unter den Bedingungen, welche 
für öffentliche Vereine überhaupt bestehen (Preu- 
ßen, Württemberg, Baden, Hessen u. a.). In an- 
deren Staaten ist die Neubildung von Rcligions- 
gesellschaften an das Erfordernis ausdrücklicher 
staatlicher Genehmigung gelnüpft, die ihrerscits 
entweder in der Form des Gesetzes (z. B. Bromen) 
oder regelmäßig der administrativen Bewilligung 
(Bayern, Sachsen) zu erfolgen hat. 
-b) In der staatskirchenrechtlichen 
Gliederung der bestehenden Religionsgesell- 
schaften treten bei aller Mannigfaltigkeit des parti- 
kulären Rechts gewisse einheitliche juristische Grund- 
typen auf. Es sind zu unterscheiden die Kirchen 
mit öffentlichrechtlicher Korporations- 
qualität, die Religionsgesellschaften mit nur pri- 
vatrechtlicher Rechtsfähigkeit und die reli- 
giösen Vereine ohne Rechtsfähigkeit. 
Die rechtliche Stellung von öffentlichen 
Korporationen haben die evangeli-
	        
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