Kirche (Kirchenhoheit)
schen (lutherischen, reformierten, unierten) und
die römisch-katholischen Landes-
kirchen; in den meisten deutschen Staaten,
nicht aber in Bayern, auch die altkatholischen Ge-
meinden.
Die reformierten Gemeinden der sog. niedersäch-
sischen Konföderation in Braunschweig, Celle,
Hannover, Göttingen, Minden, Bückeburg, Altona haben
eine zwischen öffentlich-rechtlicher Korporationseigenschaft
und Freikirche schillernde Mittelstellung sul juris.
Zu den mit privatrechtlicher Rechtsfähigkeit an-
erlkannten Religionsgesellschaften (7] gehören
allgemein die jüdischen Synagogengemein-
den und von christlichen Religionsgesellschaften.
z. B. in Preußen die Herrnhuter, Alt-
lutheraner, Mennoniten, Bapti-
sten, in Bayern auch die griechisch-katholische Ge-
meinde in München und seit 1890 die Altkatholiken.
Die rechtliche Stellung dieser Religionsgesellschaf-
ten beruht zumeist auf besonderen Konzessions-
urkunden, in denen das Maß ihrer Berechtigung
näher festgestellt ist. Religionsgesellschaften, welche
Korporationsrechte nicht besitzen, können solche
nach der preuß. Verf a 13 und der Mehrzahl der
deutschen Partikularrechte nur im Wege der Ge-
setzgebung erlangen. Diese Notwendigkeit ist
durch E# z. BGB a 84 aufrecht erhalten. Inso-
weit ist also die Anwendbarkeit der Bestimmungen.
des bürgerlichen Rechts über Erlangung der
Rechtsfähigkeit auf dem automatischen Wege der
normativen Körperschaftsbildung (BGB 88 21ff,
43, 61)auf Religionsgesellschaften ausgeschlossen.
Religiöse Vereine kennt Bayern nicht,
wohl aber Preußen. Zerstreut über das Ge-
biet der Monarchie bestehen religiöse Vereine
der Deutschkatholiken, Irvingia-
ner, Nazarener, Quäker, Ang-
likaner, Methodisten. Ihre Rechtsstel-
lung bemißt sich nach dem Vereins G v. 11. 3. 50
und älteren Vorschriften des Landrechts (TI. II.
Tit. 11 #20 und Tit. 6 8 11 ff). Fehlt ihnen
zwar die juristische Persönlichkeit, so ist ihnen doch
in Preußen durch a 12 Vul allgemein das Recht
der öffentlichen Religionsübung zugesichert. Die
Unterscheidung des altreichsrechtlichen Jus rekor-
mandi in cxercitium religionis publicum und pri-
vatum ist also in Preußen verlassen, während in
Bayern jede Religionsgesellschaft, welche nicht aus-
drücklich „als öffentliche aufgenommen“ ist, also
auch die mit privatrechtlicher Korporationsquali-
tät bestehende, nur „die freie Ausübung des Pri-
vatgottesdienstes“ besitzt. Das Reichsvereins G
v. 19. 4. 08 hat an diesen landesrechtlichen Ver-
schiedenheiten nichts geändert (§ 24).
5 3. Das Oberaufsichtsrecht des Staats enthält
die nähere Bestimmung der rechtlichen Freiheit
der Religionsgesellschaften. In dieser Bestimmung
löst der Staat die Aufgabe des Jus inspiciendi
cavendi. Kraft des ersteren nimmt er die mate-
rielle Grenzregulierung vor, kraft des zweiten trifft
er Veranstaltungen, welche die Cinhaltung dieser
Grenzen sicher stellen. Da die K## nur eine spezi-
fische Aeußerung der allgemeinen Staatshoheit
darstellt, bedient sie sich in Betätigung des kirch-
lichen Oberaufsichtsrechts notwendig der drei
Grundfunktionen des Staates überhaupt.
a) Das Oberausfsichtsrecht äußert sich rechts-
schöpferisch in der Staatskirchengesetz-
gebung, in der vom Grundgedanken der K#
sachen bestehen. Auch dieser Rest wurde aber durch
geforderten Beschränkung des Staats auf sacra
externa. Im einzelnen besteht große landes-
rechtliche Verschiedenheit. Als Hauptgebiete wie-
derholen sich überall das kirchliche Aemter-
wesen, soweit es durch die Natur der Kirchen-
ämter [VI als öffentlicher Aemter gefordert wird,
insonderheit also die Vorbildung und Anstellung
der Geistlichen ([XV), Mitwirkung des Staats bei
Besetzung von Kirchenämtern und äußerliche
Rechtsstellung der Kirchenbeamten; das kirch-
liche Vereinswesen (/I (Bedingungen der
Zulassung von geistlichen Orden III, Kongrega-
tionen usw., Begrenzung ihrer staatlich erlaubten
Tätigkeit, Voraussetzungen und Maß ihrer Er-
werbs= und Vermögensfähigkeit); das kirchliche
Vermögenswesen, soweit Staatsleistungen
für kirchliche Zwecke, Belastung der Kirchenglieder
mit Steuern und Vorbehalte der Staatsgenehmi-
gung zu wichtigeren Akten der kirchlichen Ver-
mögensverwaltung loben S. 526 fgl aus dem Ge-
sichtspunkte des gemeinen Interesses an der Erhal-
tung und zweckgemäßen Verwendung des Kirchen-
vermögens erforderlich sind; die Beteiligung
der Kirchen an ursprünglichen Aufgaben der
Staatspflege: Gottesdiensteinrichtungen in
den Anstalten staatlicher Sicherheits- und Wohl-
fahrtspflege, organische Beteiligung der Kirchen
in der Militärseelsorge (X MilKirchenwesen] und vor
allem auf dem Gebiete des staatlichen Unterrichts-
wesens auf allen Stufen der Volks-, Mittel- und
Hochschulen (J Religionsunterricht!; der Kultus
in seinen äußerlichen Beziehungen zu Staat und
Gesellschaft, namentlich also der Einfluß der kirch-
lichen Sonn= und Feiertagsordnung auf das bür-
gerliche Rechts- und Verkehrsleben I# Sonntags-
feier) und das unmittelbare Hinübertreten des Kul-
tus in die Oeffentlichkeit durch Prozessionen, Wall-
fahrten, religiöse Begräbnisfeierlichkeiten und ver-
wandtes; die Grenzen der kirchlichen Straf-
und Disziplinarge walt, um diejenigen
Beschränkungen zu sichern, welche zum Schutz der
bürgerlichen Freiheit der Staatsangehörigen hin-
sichtlich der Strafmittel und ihrer Wirkungen, hin-
sichtlich des Zweckes ihrer Anwendung und für die
formellen Garantien eines gerechten Verfahrens
notwendig sind; endlich die Rechtsstellung
der Kirchenglieder in Beziehung auf die
Freiheit ihrer religiösen Selbstbestimmung durch
Eintritt, Austritt, Uebertritt und gesetzliche Ord-
nung der religiösen Kindererziehung INI, besonders
in dem Hauptstreitfalle der gemischten Ehen.
b) Das Oberaufsichtsrecht äußert sich richtend
in Ausübung einer staatlichen Gerichts-
barkeit, teils zur Entscheidung über gemischt
religiös-bürgerliche Rechtsverhältnisse in den For-
men der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit,
teils zum Schutze der Rechtsordnung gegen de-
licta propria der Kirchen= und Religionsdiener.
Dergrundsätzliche Standpunkt ist, daß die Rechts-
verwirklichung in allen streitigen bürger-
lichen Rechtsverhältnissen eine ursprüngliche Auf-
gabe der Staatsgewalt ist und daß es dabei keinen
Unterschied begründen kann, ob ein solches in
Konnexität mit kirchlichen Rechtsverhältnissen stehe
(ALR II 11 58#8 577, 709, 864). Als letzter Aus-
läufer einer kirchlichen Gerichtsbarkeit mit bürger-
licher Wirkung blieben die Ehe= und Verlöbnis-
a l5 des GVG mit Wirkung vom 1. 10. 79 be-