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Konsuln (Funktionen)
derselben, nicht aber bei Wechsel des Staatsober-
hauptes oder der Staatsform. Bei Abbruch der
diplomatischen Beziehungen hat der K. die be-
sonderen Weisungen des RK zu erwarten. K.
dürfen ihren Amtssitz außerdem nur mit formell
vom RK erteiltem Urlaub verlassen (V v. 23. 4.
79); für genügende Stellvertretung muß gesorgt
und der Urlaub kann jederzeit im Interesse des
Dienstes zurückgenommen werden; „dauernde und
ungebührliche" Entfernung vom Amtssitz wird als
Entlassungsantrag angesehen (G v. 8. 11. 67 86).
6. Die alte Streitfrage, ob den K. die diplo-
matischen Privilegien zukommen (all-
gemeine Redensarten bei Heffter-Geffscken § 245;
verdienstlich dagegen die an positivem Material
reichhaltigen Darstellungen von v. Bulmerincq bei
Holtzendorff 3, 710 ff und v. Ullmann 7 220 ff),
ist zur Zeit noch grundsätzlich zu verneinen (v. Kö-
nig 64, 66 ff), eine Regelung dieser Materie im
positiven Sinne durch internationalen Vertrag aber
dringendst zu wünschen. Sonderverträge des Deut-
schen Reichs mit einzelnen Staaten (Italien, Ruß-
land, Spanien, Nordamerikanische Union, Grie-
chenland, Serbien, Nikaragua, Japan) gewähren
eine gegenseitige Exemtion der Beruf sFK. von
der Strafgerichts barkeit, jedoch keines-
wegs in vollem Umfange und durchweg verschieden
gefaßt (GVG 8 21). In ähnlicher Weise ist die
Unverletzbarkeit der Archive und amt li chen
Papiere, in der Union und der Türkei über-
haupt der Amts= und Wohnräume garantiert;
England lehnt dieses Privileg unbedingt ab; die
dasselbe einräumenden Staaten fordern für
Wahl -K. strenge Absonderung der amtlichen von
den privaten Papieren als unbedingte Voraus-
setzung. Ziemlich übereinstimmend sind Staats-
verträge und Herkommen bezüglich des Rechts der
K., Hoheitszeichen, Wappen und Flagge
ihres Staates amtlich zu gebrauchen. Endlich be-
stehen hinsichtlich der Besteuerung der K.
keinerlei gemeinsame Grund-, geschweige Rechts-
sätze, sondern lediglich eine vielgestaltige und un-
sichere Praxis; das deutsche Reichsrecht kennt
lediglich eine Befreiung fremder Berufs K. von der
militärischen Quartierleistungspflicht im Frieden
unter der Voraussetzung der Reziprozität (Gv.
25. 6. 68 § 4 Nr. 2 und 3). Wegen Zollfreiheit
der Konsularembleme vgl. BRBeschl v. 28. 5. 83,
20. 11. 02. Bei der juristischen Unsicherheit aller
dieser Fragen mußte man sich deutscherseits damit
begnügen, in sämtlichen Konsularverträgen das
Recht der meistbegünstigten Nation erwirkt zu
haben (vgl. übrigens die Denkschrift bei v. König
76 ff und Zorn, Kons G# 519 ff).
2. Funktionen der Konsularbeamten.
I. Die örtliche Kompetenz der K. bestimmt
sich nach dem vom RK angewiesenen Amtsbe-
zirk, innerhalb dessen mit den Behörden des Em-
pfangsstaates amtlicher Verkehr stattfindet.
II. Die persönliche Kompetenz der K. ist
vom Gesetz folgendermaßen geordnet: ihrer Amts-
gewalt sind unterworfen 1. die deutschen Reichs-
angehörigen, 2. die Schutzgenossen, 3. die de facto-,
Untertanen.
juristisch nach dem G v. 1. 6. 70 über die Erwer-
bung und den Verlust der Bundes= und Staats-
angehörigkeit (71. Schutzgenossen (die ein-
gehenden Vorschriften zum folgenden in der nicht
veröffentlichten Instr v. 1. 5. 72, bei v. König 39 ff
Ersteres Verhältnis bestimmt sich
und bei Zorn 163 ff) sind fremde Staatsangehörige,
welchen vertragsgemäß der deutsche Schutz bei
Ermangelung eigener Konsulate zugesichert wurde;
in diesem Rechtsverhältnis stehen zum Reiche
Oesterreich-Ungarn, Luxemburg, Schweiz; das
Schutzgenossenverhältnis kann überdies für einzelne
Angehörige auch anderer Staaten jederzeit durch
den RK begründet werden. Das anomale Rechts-
verhältnis der sog. de facto-Untertanen besteht nur
in Staaten mit Konsulargerichtsbarkeit, nämlich
für Unterbeamte des diplomatischen und konsula-
rischen Dienstes loben § 1 Z. 4 a. E.), welche
nicht gesetzlich Reichsangehörige sind, sowie für
Personen, welche oder deren Eltern die deutsche
Staatsangehörigkeit früher besaßen, endlich für
andere Personen „deutscher Nationalität“". Vor-
aussetzung des deutschen Konsularschutzes ist immer
die Ausschließlichkeit desselben.
Ueber die seinem Schutze Untergebenen hat der
K. nach gesetzlicher Vorschrift eine Matrikel zu
führen (G v. 8. 11. 67 3J12; Formular v. König
198 und Zorn 171). Der Eintrag erfolgt auf An-
trag nach Prüfung der Legitimationspapiere durch
den K. und erstreckt sich ipso jure auf die Ehefrau
und die minderjährigen Kinder; auf Grund des-
selben ist ein Schutzschein ausgustellen; der
Eintrag muß alljährlich erneuert werden; die
Gründe, aus welchen die Löschung in der Matrikel
durch den K. erfolgen muß oder darf, sind genau
aufgezählt (V v. 1. 5. 72 # 18); ist die Löschung
infolge formeller Entscheidung des K. zur Strafe
erfolgt, so ist binnen 10 Tagen Rekurs an die
zuständige diplomatische Stelle gestattet.
Im türkischen Reiche, in Aegypten, Rumänien
und Serbien sowie in China und Japan ist den
Deutschen vorgeschrieben, sich binnen 3 Monaten
zum Eintrag in die Matrikel zu melden; für andere
Staaten besteht eine direkte Vorschrift nicht; auch
darf die Erteilung oder Verweigerung des Kon-
sularschutzes in keinem Falle von dem Eintrag in
die Matrikel abhängig gemacht werden; zweck-
mäßig wird derselbe immer deshalb sein, weil er
eine formale Sicherheit des eventuellen Konsular-
schutzes ohne weitere Prüfung der Personalien
bietet und unbedingt den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit ( durch Zeitablauf abwen-
det. Im übrigen ist es Rechtspflicht des K., nach
Prüfung der persönlichen und sachlichen Voraus-
setzungen seinen Schutz zu gewähren, und dieser
Rechtspflicht korrespondiert die durch das Unter-
tanenverhältnis vel quasi begründete Gehor-
sams pflicht der Schutzbefohlenen gegenüber dem
K. als der Staatsbehörde. In derletzteren Eigen-
schaft haben die K. selbst das Recht, den Beistand
der Befehlshaber der Kriegsschiffe in Anspruch zu
nehmen (Gv. 8. 11.67 5J 29). Die Kommandanten
sind verpflichtet, den Requisitionen der K. auf
Schutz deutscher Untertanen, deutschen Staats-
und Privateigentums, deutschen Handels und
deutscher Schiffahrt sowie des deutschen Ansehens
im allgemeinen möglichst Folge zu goben, es sei
denn, daß die Requisition sich mit den sonstigen
Aufgaben des Kriegsschiffes nicht vereinigen läßt.
Für die Folgen eines militärischen Einschreitens
auf Grund der Regquisition trifft den Kommandan-
ten keine rechtliche und politische Verantwortung,
wenn der K. für seine Requisition einen Auftrag
des Auswärtigen Amts nachweist oder Gefahr im
Verzug für Leben, Freihcit oder Eigentum deut-