Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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In den ersten 2 Jahrzehnten der Herrschaft des 
StGB war die Praxis in Anwendung der Arbeits- 
hausstrafe sehr verschiedenartig, meist stark zurück- 
haltend. Als größter Mißstand trat eine unter- 
schiedliche Behandlung der eigenen und der Ange- 
hörigen anderer Bundesstaaten zutage. Durch 
BBeschl v. 26. 6. 89 wurden allgemeine Grund- 
sätze festgelegt, welche eine gleichmäßigere und 
wirksamere Bekämpfung des infolge der wirt- 
schaftlichen Krisis der 70er Jahre erheblich ange- 
wachsenen Bettels und Landstreichens erstrebten. 
Daß auch jetzt noch weitgehende Verschieden- 
heiten in der Handhabung der den Landes Pol Be- 
Korrigendenwesen 
  
hörden beigelegten Befugnis stattfinden, liegt 
einerseits daran, daß es an einer gesetzlichen Be- 
stimmung darüber fehlt, gegenüber welchen Per- 
sonen und für welche Zeitdauer die Landes PolBe- 
hörde von ihrer Befugnis Gebrauch machen soll, 
andererseits daran, daß es an einer die Rechts- 
einheit gewährleistenden gemeinschaftlichen oberen 
Instanz gebricht. 
#. Die Funktion der Ueberweisung ist in den 
Bundesstaaten verschiedenen Verw Behörden über- 
tragen, meist jedoch den mittleren Regierungsin- 
stanzen: in Preußen den Regierungen, in 
Bayern den Bezirksämtern resp. städtischen 
Magistraten, in Sachsen den Kreishauptmann- 
schaften, in Württemberg den Kreisregie- 
rungen, in Baden den Landeskommissären, in 
Hessen den Kreisämtern und in Elsaß- 
Lothringen den Bezirkspräsidenten. In den 
übrigen Bundesstaaten fungieren die Landesregie- 
rungen bezw. die Ministerien, in den freien Städ- 
ten die Pol Behörden. 
Das Verfahren ist infolge des BRBeschl 
von 1889 (oben § 1) in den meisten Staaten aus- 
führlich geregelt. Die Entscheidung erfolgt überall 
auf Grundlage des in den Gerichtsakten enthal- 
tenen Materials. Die Gerichtsakten sind der 
Verw Behörde einzureichen. In Preußen geben. 
die Amtsgerichte die Akten mit dem Ueberwei- 
sungsbeschluß an die Landräte bezw. die städtischen 
PolBehörden ab, welche sich bei der Weitergabe 
an die Regierungen zu äußern haben. Im Falle 
I 
desslslaStGBmachtdieStaatsanwaltfchaft;Verpflichtungauferlegt,dieinihrenBezirkenfeft- 
der Regierung unter Beifügung der Akten Mit- 
teilung von der ausgesprochenen Ueberweisung. 
In den übrigen Bundesstaaten gelten ähnliche 
Vorschriften, wobei mit der Möglichkeit gerechnet 
wird, daß die unteren Verw Stellen auf Grund 
persönlicher Kenntnis oder eigener Beobachtung 
weitere Auskunft erteilen können. 
Zuständig für die Entscheidung ist nach BR- 
Beschl v. 16. 6. 72 die Landes Pol Behörde desjenigen 
Bundesstaates, in welchem die Verurteilung er- 
folgte. Dementsprechend haben die größeren 
Bundesstaaten, welche eine Mehrzahl von Landes- 
Pol Behörden besiten, bestimmt, daß diejenige 
Landes Pol Behörde zu entscheiden habe, in deren 
Verw Vezirl das erkennende Gericht seinen Sitz 
Aube. 
  
Beschwerde ist gegen die Verhängung der 
Nachhaft insoweit zulässig, als eine solche gegen die 
Entscheidung der betr. Verwtelle überhaupt zu- 
lässig oder für diesen Fall besonders zugelassen ist. 
Während früher in manchen Bundesstaaten aus 
Sparsamkeitsrücksichten eine Beschränkung bei der 
Einweisung ins Arbeitshaus geübt wurde, ist seit 
1889 fast überall der Grundsatz durchgeführt, daß 
Teil (darunter Württemberg, 
die Nachhaft gegen jeden der Landes Pol Behörde 
Ueberwiesenen festzusetzen und nur dann hiervon 
abzusehen ist, wenn mit Rücksicht auf die indivi- 
duellen Verhältnisse die Aufnahme ins Arbeits- 
haus unangemessen erscheint, insbesondere, wenn 
durch ärztliche Untersuchung festgestellte Unfähig- 
keit zur Verrichtung selbst leichter Haus-, Garten- 
und Feldarbeit infolge körperlicher oder geistiger 
Gebrechen oder fortgeschrittenen Alters vorliegt. 
Nur für einige Bundesstaaten bestehen noch Be- 
schränkungen wegen Mangels an Raum. 
DerBRBeschl von 1889 erwähnt die jugend- 
(lichen Personen nicht; zweifellos gehört jedoch 
die Jugend zu den individuellen Verhältnissen, bei 
deren Vorhandensein die Nachhaft unangemessen 
erscheinen kann. Einzelne Bundesstaaten haben 
deshalb bestimmt, daß Personen unter 18 Jahren 
nicht ins Arbeitshaus verwiesen werden dürfen. 
Die Dauer der Nachhaft ist innerhalb des 
Strafmaßes von 2 Jahren in das Ermessen der 
Landes Pol Behörde gestellt. Bei der Verhängung 
wird verschieden verfahren. In Preußen. Bayern, 
Elsaß-Lothringen wird die Nachhaft alsbald bei 
ihrer Anordnung auf eine bestimmte Dauer ver- 
hängt. In Württemberg und einigen anderen 
Staaten dagegen setzt die Landes Pol Behörde die 
Nachhaft erst fest, nachdem der Ueberwiesene sich 
einige Zeit im Arbeitshause befunden hat, und zwar 
unter Berücksichtigung der Führung während dieser 
Zeit. Eine dritte Gruppe — darunter Sachsen — 
ordnet die Strafhaft zunächst auf unbestimmte 
Zeit an und läßt später durch die Landes Pol Be- 
hörde die Entlassung des Korrigenden verfügen, 
wenn eine frühere Entlassung als nach Ablauf von 
2 Jahren angemessen erscheint. Auch bei den 
beiden anderen Gruppen ist eine nachträgliche 
Verkürzung oder Verlängerung des Aufenthalts 
im Arbeitshause vorgesehen. 
# 3. Die Arbeitshäuser sind in Preußen Kom- 
munalinstitute, in allen anderen Bundesstaaten 
Staatsanstalten. Im ganzen Reich sind gegen 
50 Arbeitshäuser vorhanden mit einer Belegungs- 
fähigkeit von 1900 bis herab auf 40 Köpfe. 
Preußen hat den Landarmenverbänden die 
genommenen, auf Grund des § 361 Nr. 3—8 
StGB verurteilten und nach verbüßter Strafe der 
Landes Pol Behörde überwiesenen Personen auf 
dahingehenden Beschluß dieser Behörden in ein 
Arbeitshaus unterzubringen. Da nun die Land- 
armenverbände sich fast immer mit den provin- 
ziellen Kommunalverbänden decken, so sind die 
preußischen Arbeitshäuser durchweg Provinzial- 
institute; Berlin und Breslau haben als selbstän- 
dige Landarmenverbände auch eigene Arbeits- 
häuser. Die Anstaltsreglements sind von den Pro- 
vinziallandtagen erlassen, die Verwaltung steht 
unter der Aufsicht des Landesdirektors (Landes- 
hauptmanns), und als staatliche Aufsichtsbehörde 
sungiert der Oberpräsident und in letzter Instanz 
der Minister des Innern. 
Auch von den anderen Bundesstaaten hat ein 
Baden) 
den Landarmenverbänden die Kosten des Unter- 
halts der Korrigenden ganz oder teilweise auferlegt. 
Nur zum kleinen Teile sind die Arbeitshäuser ledig- 
lich zur Aufnahme von Korrigenden bestimmt; die 
meisten Anstalten dienen zugleich zur Unter- 
bringung von Landarmen und Ortsarmen. Wei-
	        
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