Landesherr (Rechtsstellung)
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drei freien Städte, sfind Monarchien. Der
Monarch wird, gemäß dem geschichtlichen Ursprung
der deutschen Einzelstaatsgewalten, als „Lan-
desherr bezeichnet; der schon im ALK häufig
gebrauchte Ausdruck „Oberhaupt des
Staate 'scharakterisiert die gegenwärtige recht-
liche Stellung des L., freilich insofern nicht aus-
reichend, als auch der oberste Beamte einer Repu-
blik nicht selten als Staatsoberhaupt bezeichnet
wird. Der Name „Bundesfürst“ (RVa66;
St B 81, 98—100, 104) weist hin auf die Zu-
gehörigkeit des Staates und seines Oberhauptes
zum Deutschen Reiche. (Ueber die Titel „König“,
„Großherzog"“ usw. unten #5 Ziff 5).
Der L. vereinigt in sich alle Rechte (sowie die
Pflichten) der Staatsgewalt. Dieser bereits im
AL## (1I, 13 51) ausgesprochene Grundsatz ist in
zahlreichen neueren Landesverfassungen (bayer.
VuU Titel 11 #11; sächs. § 4; württemb. 4; bad.
65; hess. ## 4 usw.) hervorgehoben und auch in das
Recht des früheren Deutschen Bundes (Wiener
Schlußakte a 57) ausdrücklich aufgenommen. Man
darf aber deshalb nicht (wie Bornhak) den L. mit
dem Staat identifizieren, oder (wie Seydel) den-
selben als außerhalb des Staates und über dem
Staate stehend betrachten. Vielmehr ist der L. nur
Träger der ihrer Substanz nach dem Staate
selbst zustehenden Befugnisse, sowie oberstes Or-
gan für deren Ausübung (darüber #.2).
Als integrierender Teil der Staatsgewalt und
folglich auch der landesherrlichen Gewalt ist zu be-
trachten der reichsverfassungsmäßig den Einzel-
staaten zustehende Anteil an der Träger-
schaft der Reichsgewalt bezw. an der
Bildung des Reichswillens I/ Bundesratl. Die
kaiserlichen Rechte jedoch sind nicht
Rechte des preußischen Staates und daher
auch nicht Bestandteile der preußischen Königs-
gewalt; der deutsche Kaiser (7/| ist vielmehr ein
Organ des Reichs, dessen Stellung freilich durch
die Reichsverfassung in eine dauernde Verbindung
mit der preußischen Staatsoberhauptschaft gesetzt
ist. Ebenso darf die den einzelnen deutschen L.
zustehende Oberhauptschaft in der
evangelischen Landeskirchel U nichtals
ein Bestandteil, sondern nur als ein Anner
der Landeshoheit angesehen werden: der jeweilige
Träger der Staatsgewalt ist zugleich Träger der
Kirchengewalt ( Evangelische Kirchel. Dasselbe
ilt in betreff der den einzelnen L. zustehenden
amiliengewalt (/X landesherrliches Hausl.
In den drei republikanischen Einzel-
staaten kommt die Staatsgewalt dem Senat
und der Bürgerschaft gemeinschaftlich zu (Vu
Lübeck(U a 4 Absl; Hamburg [/II a 6 Abs 1; vgl.
Vu Bremen (/I 3, 56). In dem Reichslande
Elsaß-Lothringen /I ist Träger auch derjeni-
zen Befugnisse, welche in den deutschen Gliedstaaten
ie Partikularstaatsgewalt bilden, der Träger der
Reichsgewalt, d. h. die Gesamtheit der Einzel-
staaten resp. ihrer Oberhäupter; der Kaiser ist
nicht L. Elsaß-Lothringens, sondern nur zur ober-
sten Ausübung der „Staatsgewalt“ (der nicht in
der allgemeinen Reichskompetenz enthaltenen Be-
fugnisse) berufen (R v. 9. 6. 71 3 3 Abs 1; Rö
v. 4. 7. 79 3 1 Abs 1; R v. 31. 5. 11 a II 91;
RGSt 10, Nr. 92).
5#2. Als oberstes Orgau für die Ausübung der
Staatsgewalt. Allgemeine Grundsätze. 1. Da der
L. Träger der gesamten Staatsgewalt ist, so gilt
er rechtlich als Quelle jeder staatlichen Willens-
äußerung. Dem natürlichen Beruf des Monarchen
aber enhpricht es, daß derselbe auch persön-
lich die oberste Leitung der Staatstätigkeit aus-
Übt. Da in den deutschen Staaten bisher die
parlamentarische Regierungsart keinen Eingang
gefunden hat, so übt der L. in umfassendem Maße
auch eine materiell bestimmende Einwir-
kung auf die Staatsangelegenheiten.
2. Andererseits jedoch sind alle monarchischen
deutschen Einzelstaaten beschränkte, und
zwar, mit Ausnahme der noch auf der Stufe der
ständischen Monarchie verbliebenen beiden Mecklen-
burgJl, konstitutionelle Monarchien. Der
L. ist gebunden an das Verfassungsrecht und an
die sonstigen Gesetze (Rechtssätze) seines Landes
und hat in der großen Mehrzahl der Einzelstaaten
zu Beginn seiner Regierung diese Verpflichtung
eidlich resp. durch solenne Versicherung zu bekräf-
tigen (unten § 10 Ziff 2). Vor allem aber be-
darf er für die von ihm vorzunehmenden Staats-
akte (Regierungshandlungen) regelmäßig der Mit-
wirkung eines der Volksvertretung verantwortli-
chen Ministers (J Minister und Ministerium], und
es kann ein sehr bedeutender Teil seiner Befug-
nisse nur unter Mitwirkung (regelmäßig vor-
gängiger Zustimmung) der Volksvertretung, wel-
cher auch ein umfassendes Kontrollrecht zusteht,
ausgeübt werden (7 Landtagl.
Neben diesen landesrechtlichen Beschränkungen
des L. bestehen reichsrechtliche, indem zahlreiche
Normen des Reichsrechts zum Teil den Einzel-
staatsgewalten bestimmte Hoheitsrechte entzogen
und damit auch den Kreis der Berechtigung des L.
eingeengt, zum Teil wenigstens für die Ausübung
der landesherrlichen Gewalt Schranken gezogen
bezw. Direktiven gegeben haben.
5s3. Stellung in bezug auf die Ausübung der
verschiedenen staatlichen Funktionen. Zu maß-
gebender Geltung komn:#t der Wille des L. vor-
zugsweise in der Verwaltung. Auf dem Gebiete
der Rechtssetzung (Gesetzgebung [(XI] im ma-
teriellen Sinne des Wortes) ist der L. prinzipiell
gebunden an die vorgängige Zustimmung des
Landtags; nur ausnahmsweise, kraft verfassungs-
mäßiger oder gesetzlicher Ermächtigung bezw. Re-
servation, kann er einseilig durch „Verordnung“ [ I
Rechtesätze schaffen. Die richterliche Ge-
walt darf er nicht persönlich ausüben, sondern
muß er durch unabhängige, nur dem Gesetz unter-
worfene Gerichte ausüben lassen; dieser Grund-
satz des modernen deutschen Staatsrechts hat nun-
mehr auch reichsrechtliche Sanktion erhalten durch
das deutsche GVG 51. Dagegen auf dem Ge-
biete der Verwaltung bedarf der L. regel-
mäßig nicht, wie für die Rechtssetzung, der Mit-
wirkung des Landtags; nur ausnahmsweise ist diese
für gewisse Verwülkte, insbesondere für wich-
tige Akte der Finanzverwaltung und der auswär-
tigen Repräsentation, erforderlich. Dem L. ist aber
auch nicht die persönliche Ausübung oder Beein-
flussung der Verwätigkeit — wie diejenige der
Rechtsprechung — versagt; vielmehr ist er be-
sugt, selbst Verwäkte vorzunehmen, soweit er
nicht dadurch in die rechtlich geordnete Kompetenz
der VerwBehörden eingreift, und letztere sind in
der Ausübung ihrer Funktionen regelmäßig an
die von ihm erteilten Weisungen, sofern diese den