Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
das Recht auf polizeiliche Vermittlung ohne Rück- 
sicht auf deren prozessuale Bedeutung. Lehnt der 
Dienstherr die polizeiliche Vermittlung ab, so ist 
die Tätigkeit der Pol beendet. Zwangsmittel darf 
sie gegen den Dienstherrn nicht anwenden. Sie 
hat auch nicht die Befugnis, die Ersatzpflicht vor- 
läufig festzusetzen oder gar einen Betrag zwangs- 
weise von dem Dienstherrn einzuziehen. — Wei- 
gert sich der Landarbeiter ohne Grund, den Dienst 
anzutreten, so hat der Dienstherr die Wahl zwischen 
Rücktritt und Schadensersatz. Wählt er Schadens- 
ersatz, so muß er den Landarbeiter zunächst durch 
die Pol mit Zwangsmitteln zum Dienst anhalten 
lassen. Der entlaufene Arbeiter kann 
von der Pol durch unbeschränkt wiederholbare 
Zwangsmittel zur Fortsetzung des Dienstes an- 
gehalten werden. Zuständig ist der Amtsvorsteher, 
in dessen Bezirk der Arbeitsvertrag zu erfüllen 
ist. Ist dieser durch persönliche Beteiligung be- 
hindert, so hat der Kreisausschuß, in Eilfällen 
dessen Vorsitzender, den Stellvertreter oder einen 
benachbarten Amtsvorsteher mit der Amtsaus- 
Übung zu betrauen. Nahe Verwandtschaft zum 
Dienstherrn gilt als persönliche Beteiligung. Wenn 
nicht gleichzeitig eine Störung der allgemeinen 
Ordnung die Pol zum Vorgehen nötigt, darf sie 
bei Streitigkeiten zwischen dem Landwirt und 
seinen Arbeitern nur einschreiten, wenn sie von 
einem der unmittelbar Beteiligten angerufen wird. 
Gegen den ablehnenden Bescheid steht dem An- 
tragsteller die Aufsichtsbeschwerde zu. Hält die 
Pol den Antrag für zulässig und begründet, so hat 
sie die andere Partei durch schriftliche Verfügung 
(mit Gründen) zur Herstellung eines ordnungs- 
mäßigen Zustandes, also je nach Lage des Falles, 
zur Annahme oder Wiederannahme des Land- 
arbeiters oder zum Antritt oder Wiederantritt des 
Dienstes durch ihn anzuhalten. Die Pol ist weder 
befugt, dem Betroffenen aufzugeben, bis zu einem 
bestimmten Termin im Dienst zu bleiben, noch 
etwa das Dienstverhältnis für gelöst zu erklären 
oder es gar selbst aufzulösen. Gegen den Land- 
arbeiter sind polizeiliche Verfügungen entweder 
durch Geldstrafe bis zu 60 Mk. oder Haftstrafe bis 
zu 1 Woche oder durch unmittelbaren Zwang zu 
vollstrecken. Die Geldstrafe ist schriftlich anzu- 
drohen, nach Ablauf der bestimmten Frist festzu- 
setzen und im Verw Zwangsverfahren beizutreiben. 
Der unmittelbare Zwang soll nur als äußerstes 
Mittel zur Anwendung gebracht werden, ist aber 
schon dann zulässig, wenn das Unvermögen des 
Arbeiters offenkundig oder z. B. wegen dringen- 
der Erntearbeit sofortige Vollstreckung geboten ist. 
Die Vollstreckung der Verfügung hat zu unter- 
bleiben, falls der Vertrag inzwischen gelöst, oder 
falls sie durch rechtsgültige Verdingung des Ar- 
beiters bei einem Dritten ausgeschlossen ist. Wegen 
der Anfechtung 7 polizeiliche Verfügung und Ver- 
waltungszwang. 
III. Den Massenquartieren der ländlichen 
Arbeiter hat die Pol wiederholt ihre Aufmerksam- 
keit zugewendet. Die Min für Handel und Ge- 
werbe, der geistlichen und Unterrichtsangelegen- 
heiten, des Innern und für Landwirtschaft, Do- 
mänen und Forsten haben am 19. 3. 01 gemein- 
schaftlich Grundzüge einer Pol Verordnung über 
die Unterbringung der in landwirtschaftlichen Be- 
trieben beschäftigten Arbeiter empfohlen (Hand- 
GM. 1901, 16). Diese Maßnahme der Verwe- 
Landwirtschaft (A. Arbeiter) 
  
  
  
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hörde ist geeignet, auch die privatrechtlichen Ver- 
hältnisse der Landarbeiter wohltätig zu beein- 
flussen, da die Grundzüge nach einer Entscheidung 
des K G v. 17. 4. 02 (K G 24 C 11, 16) dem Richter 
eine willkommene Grundlage für die Beurteilung 
des privatrechtlichen Anspruchs des Landarbeiters 
auf Gewährung einer Freiwohnung bieten. 
IV. Als Strafnormen kommen 351 der GesO 
v. S8. 11. 1810, das Gv. 24. 4. 54 und §# 59 des 
hannoverschen Pol Straf G v. 25. 5. 47 in Be- 
tracht. Wegen verweigerten Dienstantritts sind 
nur die Instleute Ost= und Westpreußens zu be- 
strafen (§ 51 GesO in Verbindung mit der KabO 
v. 8. 8. 37). Für die Zeit nach Antritt des Dienstes 
ist das G v. 24. 4. 54 die einzige Strafnorm. 
Das Gesetz gilt „für den ganzen Umfang des 
Staats mit Ausnahme der hohenzollernschen 
Lande.“ In die seitdem erworbenen Landesteile 
ist es abgesehen von dem früher zur Landgrafschaft 
Hessen-Homburg gehörigen Oberamt Meisenheim 
und der ehemals bayerischen Enklave Kaulsdorf 
nicht eingeführt worden. Die für Schleswig- 
Holstein und Hessen--Nassau ergangenen Straf G 
v. 6. 2. 78 und 27. 6. 86 erstrecken sich nur auf das 
Gesinde, nicht auf die Landarbeiter. Dem Gesetz 
von 1854 unterstehen nur 1. „Dienstleute, welche 
gegen Gewährung einer Wohnung in den dem 
ienstherrn gehörigen oder auf dem Gut befind- 
lichen Gebäuden und gegen einen im voraus be- 
stimmten Lohn behufs der Bewirtschaftung ange- 
nommen sind (Instleute, herrschaftliche Tage- 
löhner, Einlieger, Katenleute und dgl.)“, 2. „solche 
Handarbeiter, welche sich zu bestimmten landwirt- 
schaftlichen oder forstwirtschaftlichen Arbeiten, wie 
z. B. Erntearbeiten auf Acker und Wiese, Melio- 
rationsarbeiten, Holzschlagen usw. verdungen 
haben.“ Es bedroht die Dienstuntreue und die 
Vereinigung der genannten Landarbeiter unter 
bestimmten Voraussetzungen mit Strafe. Als 
Dienstuntreue wird mit Geldstrafe bis zu 15 Mk. 
oder Haftstrafe bis zu 3 Tagen bestraft: „hart- 
näckiger Ungehorsam“ oder „Widerspenstigkeit" 
gegen die Befehle des Dienstherrn oder der von 
ihm bestellten Aufsichtsperson sowie das „Ver- 
sagen oder Verlassen des Dienstes ohne gesetz- 
mäßige Ursache“. Die Verfolgung tritt nur auf 
Antrag der Herrschaft ein. Die Antragsfrist be- 
trägt 14 Tage seit Verübung der Uebertretung. 
Das Antragsrecht erlischt spätestens mit der Ent- 
lassung. 
V. Bezüglich der Stellenvermittlung [I 
ist hervorzuheben: die Vermittler haben sorgfältige 
Erkundigungen über die Dienstverhältnisse der 
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuziehen und 
jede Vermittlung von Stellen, deren Dienst= und 
Arbeitsverhältnisse ihnen nicht bekannt sind, abzu- 
lehnen. Sie dürfen kontraktbrüchigen Arbeitern 
und ausländischen Arbeitern, die sich nicht im Be- 
sitz einer ordnungsmäßigen Inlandslegitimations- 
karte befinden, keine Dienstleistung gewähren. Für 
Landarbeiter, denen sie bereits eine Stelle ver- 
schafft haben, dürfen sie vor Ablauf des ersten 
Kündigungstermins nur dann erneut vermittelnd 
tätig werden, wenn ein gesetzlicher Grund für das 
vorzeitige Verlassen der Stelle klar nachgewiesen 
wird. Zuwiderhandlungen werden mit Geld- 
strafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft geahndet 
(5 13 des Stellenvermittler G v. 2. 6. 10). Ar- 
beitgeber sind wegen Anstiftung zur Dienstuntreue
	        
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