Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Landwirtschaft (C. Unterrichtswesen) 
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Zöglingen, in der Regel den Söhnen wohlhabender 
Landwirte, neben einer genügenden allgemeinen 
Bildung, welche der einjährig-freiwillige Dienst 
erfordert, auch eine tüchtige theoretische Fachbil- 
dung für den späteren praktischen landwirtschaft- 
lichen Beruf zu gewähren. 
1. In Preußen. Der Lehrplan ist jetzt durch 
das Regl v. 10. 8. 75 und 15. 11. 92 geordnet. Die 
Schulen haben 3 Klassen, welche der Untertertia, 
Obertertia und Untersekunda einer Realschule ent- 
sprechen. Gewöhnlich besitzen sie noch mehrere 
Vorklassen. Der Unterricht erstreckt sich auf Reli- 
gion, Deutsch, vereinzelt auch auf Latein, auf eine 
oder zwei neue Fremdsprachen (Englisch, Fran- 
zösisch), Geographie, Geschichte, Mathematik, Na- 
turwissenschaften und Landwirtschaftslehre. Durch 
den Erl v. 9. 6. 87 ist den Landwirtschaftsschulen 
endgültig das Recht zuerkannt, Befähigungszeng- 
nisse für den einjährig-freiwilligen Dienst auszu- 
fertigen. Durch Agl Erl v. 8. 5. 95 sind die Reife- 
zeugnisse der Landwirtschaftsschulen in bezug auf 
die Zulassung zum Subalterndienst den Reife- 
zeugnissen der höheren Bürgerschulen und son- 
stigen realistischen Lehranstalten mit 6jährigem 
Kursus gleichgestellt. 
Die Rangverhältnisse der Direktoren 
und Lehrer der Landwirtschaftsschulen sind 
durch Erl v. 27. 5. 95 geregelt. Für die Aus- 
bildung und Prüfung der Lehrer der Landwirt- 
schaft an den Landwirtschaftsschulen kommen fol- 
gende vom Landwirtschafts= und Kultus Min ge- 
meinsam erlassene Verfügungen in Betracht: 
v. 9. 5. 77, 17. 11. 77, 12. 12. 77, 14. 11. 82, 
2. 6. 91, 28. 3. 03, 19. 3. 04 und 29. 2. 08. Nach 
der Vig v. 29. 2. 08, welche jetzt maßgebend ist, 
wird folgendes bestimmt: 
Vom Il. 4. 09 ab sollen nur solche Lehrer der 
Landwirtschaft an den Landwirtschaftsschulen end- 
gültige Anstellung erlangen können, welche durch 
entsprechende Zeugnisse nachweisen, daß sie 1. die 
Reifeprüfung eines Gymnasiums, Realgymna- 
siums oder einer Oberrealschule bestanden haben; 
2. mindestens 3 Jahre in gut geleiteten landwirt- 
schaftlichen Betrieben praktisch tätig gewesen sind; 
3. ein dreijähriges Studium an höheren landwirt- 
schaftlichen Lehranstalten oder Universitäten zu- 
lückgelegt und die „Prüfung für das Lehramt der 
Landwirtschaft“ nach der Ordnung vom heutigen 
Tage bestanden haben; 4. nach einjähriger Teil- 
nahme an einem pädagogischen Seminarkursus 
für Landwirtschaftslehrer für geeignet zur An- 
stellung als Fachlehrer an Landwirtschaftsschulen 
erklärt worden sind; 5. ein Probejahr als Fach- 
lehrer an einer Landwirtschaftsschule mit gün- 
stigem Erfolge abgehalten haben. 
Unterm 29. 2. 08 sind auch vom Landwirtschafts- 
Min Bestimmungen für die pädagogische Ausbil- 
dung der Kandidaten des landwirtschaftlichen Lehr- 
amts in Preußen erlassen. Die Kandidaten sollen 
insbesondere mit der Methodik des naturwissen- 
schaftlichen und landwirtschaftlichen Unterrichts 
bekannt gemacht werden. Zu diesem Zweck sind 
an den Landwirtschaftsschulen zu Weilburg und 
Hildesheim pädagogische Seminare eingerichtet. 
Der pädagogische Kursfus währt ein Jahr und das 
Landwirtschaftliche Min stellt nach Beendigung 
des. Kurfus auf Grund der von den Seminar- 
direktoren eingereichten Akten fest, ob der Kandi- 
dat geeignet oder nicht geeignet zur Anstellung 
  
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zu erachten ist und fertigt ihm im ersteren Falle 
ein Zeugnis der Anstellungsfähigkeit aus. 
Die preußischen Landwirtschaftsschulen sind nicht 
Staatsanstalten, sondern vom Staate nur subven- 
tionierte städtische, land wirtschaftliche Vereins-, 
Kreis= und Provinzial-Institute. Sie gehören zum 
Ressort des Landwirtschafts= und Kultus Min und 
sind den Bezirksregierungen unterstellt. Ihre 
Ueberwachung und Leitung ist zumeist einem Ku- 
ratorium anvertraut, in dem die verschiedenen, 
bei der Schule interessierten Körperschaften und 
die Staatsregierung vertreten sind. 
2. Auch in anderen deutschen Staaten 
haben die Anstalten dieser Gattung das Recht, 
ihren Abiturienten das Befähigungszeugnis für 
den einjährig-freiwilligen Dienst zu verleihen. 
3. 1908) bestanden in Deutschland 26 landwirtsch. Mittel- 
schulen, davon 18 in Preußen. Die Landwirtschaftsschule 
zu Flensburg (Preußen), Dobeln (Kar. Sadcsen) und Groß- 
Unstadt (Hessen) sind mit einem Realgymnasium in der Art 
vereinigt, daß sie sich von Untertertia an abtrennen und als 
Parallelklasse mit Untersekunda abschließen. 
# 4. Niedere landwirtschaftliche Unterrichts- 
anstalten. Die niederen landwirtschaftlichen Lehr- 
anstalten gliedern sich in a) Ackerbauschulen und 
b) landwirtschaftliche Winterschulen. Durch das 
Provinzialdotations G v. 8. 7. 75 ist die Pflege 
des niederen landwirtschaftlichen Unterrichts in 
Preußen den Provinzialverwaltungen überwiesen, 
welche deswegen diese Schulen auch subventio- 
nieren. Die Schulen sind größtenteils Unterneh- 
mungen der Landwirtschaftskammern, landwirt- 
schaftlicher Vereine, einzelner Städte, Kreise, auch 
Provinzialunternehmungen. 
a) Ackerbauschulen: Die Entwicklung der 
Ackerbauschulen ist im 93 81 ausgeführt. Diese 
Schulen setzen die Kenntnisse der absolvierten 
Volksschule voraus und haben gewöhnlich einen 
Kursus von 1½—2 Jahren, während welcher Zeit 
die Schüler theoretischen bezw. theoretisch-prak- 
tischen Unterricht erhalten. Sie wollen solchen 
jungen Landwirten, welche eine tüchtige Berufs- 
bildung anstreben und die Berechtigung zum 
einjährig-freiwilligen Militärdienst zu erlangen 
nicht beabsichtigen oder das Befähigungszengnis 
hierzu bereits auf einer nicht landwirtschaftlichen 
Lehranstalt erworben haben, die zu einem ra- 
tionellen, der Zeit entsprechenden Landwirtschafts- 
betricbe erforderlichen Kenntnisse verschaffen. 
Durch Gründung der Landwirtschaftsschulen (§3) 
und landwirtschaftlichen Winterschulen (unten b) 
ist eine Anzahl von Ackerbauschulen eingegangen. 
In Deutschland 1908: 45 Ackerbauschulen (19 in Preußen). 
b) Die landwirtschaftlichen Winterschulen ha- 
ben in den letzten Jahrzehnten eine ungemein 
starke Verbreitung erfahren und einc besondere 
Bedeutung erlangt. Ihre Schüler sind in der 
Regel Landwirtssöhne, welche im Sommer in 
der elterlichen Wirtschaft tätig sein müssen, im 
Winter aber die freie Zeit zum Besuch dieser 
Schulen benutzen. Der Unterricht, auf 2 Winter- 
halbjahre verteilt, ist rein theoretisch und hat die 
Elementarfächer, Naturwissenschaften, Volkswirt- 
schaft und Landwirtschaft zum Gegenstand. Der 
Direktor der Anstalt, meist ein geprüfter Lehrer 
der Landwirtschaft, wird in der Lehrtätigkeit häufig 
1) Die letzten einheitlichen Zissern liegen erst für 19708 
vor (Ende 1912).
	        
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