Landwirtschaft (C. Unterrichtswesen — D. Berufsvertretungen)
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Schließlich sind hier noch als höhere Fachschulen,
welche der Landwirtschaft nahestehen, zu nennen:
die Kgl Preußische Lehranstalt für Wein-, Obst-
und Gartenbau zu Geisenheim (Rheingaukreis),
das Kgl Pomologische Institut zu Proskau (Schle-
sien), die Kgl Gärtner-Lehranstalt zu Dahlem
(bei Berlin).
# 8. Wanderlehrer. Als landwirtschaftliche
Wanderlehrer wirken die Direktoren und Lehrer
der landwirtschaftlichen Schulen, insbesondere der
landwirtschaftlichen Winterschulen, Beamte der
Landwirtschaftskammern und besonders für spe-
zielle Zwecke angestellte Wanderlehrer. Ihre Tä-
tigkeit besteht darin, während des ganzen Jahres,
vornehmlich auch im Sommer, durch Vorträge
anregend und fördernd auf die Hebung der bäuer-
lichen Wirtschaftsbetriebe einzuwirken, Düngungs-
und Anbauversuche anzuregen und zu überwachen.
In Preußen sind 1908 über 200 Wanderlehrer
in Wirksamkeit.
Literatur: Fraas, Geschichte der Landwirt-
schaft, 1851; Frhr. v. d. Goltz, Geschichte der deutschen
Landwirtschaft, 1002/3 (2 Bände);Wohltmann (früher
Kühn, Kirchner), Art. Landwirtschaftl. Unterrichtswesen im
mW StaatsW * 1910, 6, 370 f; Wörterbuch der Volkswirt-
schaft von Prof. Dr. L. Elster, 1907; Statistik der land-
wirtschaftlichen und zweckverwandten Unterrichtsanstalten
Preußens für die Jahre 1903, 1004, 1905, bearbeitet vom
Kal Preuß. Min Landw, Domänen und Forsten, Berlin
1906; Steinbrück, Landw. Unterrichts- und Versuchs-
wesen (in Meitzen, Der Boden und die landw. Verhältnisse
des preuß. Staates 8, 1008); H. Jenne, Das l. U. in Bayern
1906; Oldenburg, Ergänzungsband 2 der landw.
Jahrbücher, 1907, 1908, 1910; Mentzel und v. Lenger-
ke # landwirtschaftlicher Hilss= und Schreibkalender, 2. Teil;
Ministerialblatt der Kal Preußischen Berwaltung für Land-
wirtschaft, Domänen und Forsten, Berlin. Der Kuliurpio-
nier, Kolonialschule Witzenhausen. Wohltmann.
D. Landwirtschaftliche VBerufsver-
tretungen (insbes. Landwirtschaftshammern)
I. Deutschland (Kolonien #2 II1)
1. Einleitung. #3 2. Landwirtschaftliche Bereine. 13—5.
Landwirtschaftskammern in Preußen (Crganisation Tä-
tigkeit, Zentralisation) 3 6. Im übrigen Deutschland.
#s 1. SEinleitung. Verhältnismäßig früh, schon
in der Mitte des 18. Jahrhunderts, haben sich in
verschiedenen Ländern und Provinzen die Land-
wirte zu Vereinen zusammengeschlossen; einen
besonderen Aufschwung nahm das Vereinswesen
aber erst im Anfang und in der Mitte des 19. Jahr-
hunderts, als die Durchführung der Befreiung des
Grundbesitzes von den Fesseln der früheren Agrar-
verfassung einerseits, die auf dem Gebiete der
Naturwissenschaften gemachten Erfahrungen an-
dererseits eine Umwälzung im Landwirtschafts-
Betriebe hervorbrachten, die sowohl einen regen
Gedankenaustausch über die gemachten Erfah-
rungen, als auch eine Vertretung berechtigter
Standesinteressen erwünscht erscheinen ließen.
Zunächst waren diese Vereine der Mehrzahl nach
nur lokale Organisationen; schon bald erkannte
man aber, daß es zur Durchführung gemeinschaft-
licher Unternehmungen, zur Vermeidung einer
Zersplitterung, insbesondere auch zur Gewinnung
einer größeren Autorität den Staatsbehörden
gegenüber erforderlich sei, gemeinschaftliche Mittel-
punkte zu schaffen. So entstanden die landwirt-
schaftlichen Zentralstellen, Zentralvereine, Haupt-
vereine usw., die die landw. Lokalvereine inner-
halb eines Landes oder einer Provinz in sich zu-
sammenfaßten. In Preußen hatte schon das Lan-
deskultur-Edikt v. 14. 9. 1811 (GE 300) 5 39 die
Notwendigkeit betont, daß erfahrene und prak-
tische Landwirte in größeren und kleineren Di-
strikten zusammenträten und praktische landw.
Gesellschaften bildeten; gleichzeitig hatte es die
Errichtung eines Zentralbureaus in Berlin in
Aussicht gestellt, das diese verschiedenen Asso-
ziationen in eine gewisse Verbindung setzen und
zweckmäßige Wünsche des ländlichen Publikums
den obersten Staatsbehörden vortragen und emp-
fehlen sollte. Aber erst durch Allerh. Ordre v.
16. 1. 42 (Regl v. 25. 3. 42) wurde das „Lan-
des-Oekonomie--Kollegium" errich-
tet, dessen Mitglieder ausschließlich durch den
Min berufen wurden. Während also die vorbe-
zeichneten landw. Vereine freie private Vereini-
gungen waren, bildete das Landes-Oekonomie-
kollegium die erste derartige staatliche Einrichtung.
Nach Gründung des Deutschen Reiches fühlten
die deutschen Landwirte das Bedürfnis, auch eine
ihre Gesamtheit vertretende Körperschaft zu be-
sitzen, und so entstand der Deutsche Land-
wirtschaftsrat, eine Vereinigung der sämt-
lichen in den deutschen Bundesstaaten bestehenden
und als solcher anerkannten landw. Vertretungen.
In den bestehenden Vereinigungen sahen die
Staatsregierungen zwar Vertretungen der Land-
wirtschaft, denen sie z. B. die für das landw.
Vereinswesen bestimmten Unterstützungen zu-
wendete, sie fanden aber in ihrer Zusammensetzung
nicht immer die nötige Gewähr dafür, daß in ihnen
nur die landw. Interessen und zwar zuverlässig
vertreten waren. Die Erkenntnis, daß eine solche
Vertretung erforderlich war, um anderen Strö-
mungen, insbesondere der Industrie, mit Erfolg
entgegentreten zu können; die Notwendigkeit
ferner, den landw. Vereinen eigene Einnahme-
quellen zu erschließen und sie nicht ausschlicßlich
auf die freiwilligen Beiträge ihrer Mitglieder zu
verweisen, führten dahin, daß zunächst in Preußen
durch G v. 30. 6. 94 (GS 126) und später in
dem größeren Teile der deutschen Bundesstaaten
die „Landwirtschaftskammern" ins
Leben gerufen wurden, in denen der landw. Be-
rufsstand korporativ organisiert ist (unten § 3, 6).
2. Die landwirtschaftlichen Vereine.
I. Die untere Stufe bilden die Orts--,
Lokal- oder Zweigvereine, die entweder allge-
meine landw. Angelegenheiten oder bestimmte
Spezialgebiete pflegen. Die Mitglieder, zu denen
auch Nicht-Landwirte gehören können, haben
einen meist geringen jährlichen Beitrag zu leisten,
der Beitritt ist rein freiwillig. Die höhere
Stufe bilden die Kreis-, Haupt-, Zentral-, Pro-
vinzial-- u. dgl. m. Vereine, an deren Spitze
meist ein Präsident — im Ehrenamt — steht,
während die laufenden Geschäfte von einem
besoldeten Generalsekretär verwaltet werden. Die
Aufgabe der Zentralvereine besteht vorzugsweise