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Mecklenburg
herogs von M.-Schwerin. Die Verwaltung ihres
ermögens und ihres Finanzwesens ist, von
einigen Ausnahmen abgesehen, verstaatlicht und
einer besonderen landesherrlichen Behörde, der
Verwehäörde für die Finanzen der Universität,
übertragen, an deren Geschäftsführung ein Ab-
geordneter der Universität teilnimmt.
V. Die zur Ausübung obrigkeitlicher Rechte vom
Landesherrn berufenen Beamten sind nicht
Staats-, sondern landesherrliche Beamte. Doch
sind ihre Rechte und Pflichten im allgemeinen
dem gemeinrechtlichen Staatsdienervertrag ent-
sprechend geregelt, dessen Normen analog zur
Anwendung kommen, falls es an ausdrücklichen
Bestimmungen des Landesrechts oder in den An-
stellungsverträgen mangelt. In ähnlicher Weise
ist auch die Rechtsstellung der von den Ständen
und von einzelnen Ständemitgliedern berufenen
Beamten, soweit ihre Stellung einen öffentlich-
rechtlichen Charakter hat, insbesondere der zahl-
reichen städtischen Beamten, zu beurteilen.
#§s# 4. Das Fürstentum Ratzeburg. Das seit 1701
mit dem Herzogtum Strelitz verbundene Fürsten-
tum Ratzeburg (§ 1 1) bildet nach außen hin einen
Bestandteil des Großherzogtums M.-Strelitz, hat
aber in bezug auf die innere Organisation und
Verwaltung seine Selbständigkeit bewahrt. An
der ständischen Verfassung der beiden Großherzog-
tümer hat es nie teilgenommen, wurde vielmehr
absolut regiert, bis im Jahre 1869 der Großherzog
Friedrich Wilhelm ihm eine Verfassung verlieh,
die jedoch der Landesvertretung im wesentlichen
nur eine beratende Stimme gab. Die Mehrheit
der gewählten Vertreter, der diese Verfassung
nicht genügte, führte durch Fernbleiben von den
Sitzungen die dauernde Beschlußunfähigkeit der
Landesvertretung herbei, bis im Jahre 1906 der
Großherzog Adolf Friedrich mit ihr eine Aende-
rung der Verfassung vereinbarte, wonach die Zu-
stimmung der Vertretung außer zu der Abände-
rung bestehender sowie zu der Auferlegung neuer
Landesabgaben auch erforderlich sein soll zum
Erlaß von Landesgesetzen, die ausschließlich auf
das Fürstentum Bezug haben, mit Ausnahme
der Gesetzgebung für das gesamte Großherzogtum
und der kirchlichen Angelegenheiten. In bezug
auf die Gesetze, die das gesamte Großherzogtum
betreffen, soll tunlichst das ratsame Erachten der
Vertretung erfordert werden, der auch das Recht
zur Entgegennahme von Petitionen zur Beschluß-
fassung eingeräumt ist.
Die Landesvertretung setzt sich
zusammen aus den Besitzern der drei
Allodialgüter des Fürstentums, drei Pastoren,
drei Abgeordneten der Stadt Schönberg, neun
Abgeordneten der Bauernschaften und drei Do-
manialpächtern unter Leitung des Vorsitzenden
der Großhz. Landvogtei zu Schönberg. Zur Ver-
waltung eines im Jahre 1869 neugebildeten
Landesfonds für öffentliche Zwecke wählt die
Vertretung einen ständigen Ausschuß von drei
Mitgliedern, welcher auch zur Mitwirkung bei
einer Reihe von VerwGeschäften (Armenwesen,
Wegebau, Militärwesen, Schulwesen, Versiche-
rungswesen) berufen ist. Streitigkeiten
zwischen der Regierung und der Landesvertretung
über die Verfassung sollen von dem Oberlandes-
gericht zu Rostock als Schiedsgericht entschieden
verden.
Das Fürstentum besteht zum weitaus größten
Teil aus landesherrlichem Domanium, ferner drei
ritterschaftlichen Allodialgüteern und zwei städtisch en
Gemeinden (Schönberg und Domhof Ratzeburg).
Die Domanialortschaften sind nicht gemeindlich
organisiert. Die Landesverwaltung wird durch
die oberen Verwehörden des Großherzogtums
ausgeübt, die lokale Verwaltung durch die Land-
vogtei zu Schönberg. Die Gesetzgebung stimmt
im wesentlichen mit der mecklenburgischen Gesetz-
gebung überein. Gemäß landesherrlicher Ver-
ordnungen von 1859, 1909 und 1853 wird eine
ordentliche und eine außerordentliche Kontri-
bution erhoben. Die Erträge der ersteren fließen
zur landesherrlichen Hauptkasse zu Schönberg, die
Erträge der letzteren sind dem Landesfonds über-
wiesen mit Ausnahme von 12 000 Mk., die als Er-
satz für den vom Landesherrn zu tragenden Anteil
des Fürstentums zu den Reichslasten für die
landesherrliche Kasse zurückbehalten werden.
Literatur: Die älteren Gesetze finden sich in der
Gesetzsammlung für die M. Schwerinschen Lande (sog. Par-
chimsche Gesetzsammlung) 11861/72, ferner bei Scharen.
berg und Genzken, M. Strelitzsche Gesetzessammlung
und bei Masch, Sammlung der Gesetze für das Fürstentum
Ratzeburg. Neuere Gesetzsammlungen sind ferner heraus-
gegeben von Raabe und Raspe (Gesetzsammlung für
die M. Schwerinschen Lande, 2. Folge 1844/59, 3. Folge
1893/97). Durch amtliche Gesetzblätter ersolgt die Publika-
tion der landesherrlichen Gesetze (thier durchweg „Berord-
nungen" genannt) in M. Schwerin seit 1812 in dem Reg Blatt,
in M. Strelitz seit 1838, im Fürstentum Rateburg seit 1840
in getrennten offiziellen Anzeigern für Gesetzgebung und
Staatsverwaltung. Die landesherrlichen Berordnungen tre-
ten, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage ithrer
Publikation in Kraft.
Sachsse, M. Urkunden und Daten, 1900; Hage.
meister, Versuch einer Einleitung in das M. Staatsrecht,
1793; Böhlau, M. Landrecht I, 1871, III 1, 1880;
Böhlau, Fiskus, landesherrliches und Landesvermögen
im Großherzogtum M. Schwerin, 1877; Bal ck, Finanzver-
hältnisse in M. Schwerin, I. II. 1877, 1878; v. Dmsber a,
VBerordnungen zur Ausführung der Reichsjustizgesetze für
die Großherzogtümer M. Schwerin und M. Strelitz, 1879,
1886; Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogtümer
M. Schwerin und M. Strelitz, 1884 (in Marquardsens HB
des öffentlichen Rechts III 1 S 1—72); Lan afeld,
M. Aus führungsverordnungen zum BGB, 1899; v. Buch.
ka, Landesprivatrecht der Großherzogtümer M. Schwerin
und M. Strelitz, 1905 (Ergänzungsband 5 zu Dernburg, Das
bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens);
Sachsse, Die landständische Verfassung M., 1907; Schle.
singer, Staats= und BerwRecht des Großherzogtums
M. Schwerin, 1908; Rud. Hübner, Die ordentl. Kontri-
bution in M. (Festschrift für Gierke), 1911.
Fragen des öffentlichen mecklenburgischen Rechts finden
sich auch mehrfach behandelt in der Mecklenburgischen Zeit-
schrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft, begründet
1881 von Budde, Moeller und Birkmeyer,
gegenwärtig herausgegeben von Jahn (bis jetzt 29 Bände).
v. Vuchta.
Nachtrag: Auf den 6. 5. 1913 ist ein außerordentl.
Landtag zur Beratung einer Aenderung der Landesver-
fassung nach Schwerin einberufen. Berichte über die bis-
herigen Verfassungsvorlagen: Brückn er, Jahrb. d. ösfentl.
Rechte 1, 302; 3, 483; & 274. D. O.