Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
  
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Mediatisierte (Dingliche Rechte) 
  
steuer für sich in Anspruch nehmen können, hat 
damit ihre Bedeutung verloren. In Bayern 
sind durch G v. 9. 6. 99 vom 1. 1. 00 ab alle 
Steuerfreiheiten der M. gegen Entschädigung auf- 
gehoben. Ebensowenig besteht noch eine Steuer- 
freiheit in Württemberg, Baden und 
Hessen. 
6. Die Freiheit der Aufenthaltswahl 
IFreizügigkeit! ist gegenwärtig reichs= und 
landesrechtlich auch allen übrigen Staatsange- 
hörigen eingeräumt und eine Beschränkung der 
Auswanderung [J] nur aus Rücksichten der 
Wehrpflicht zulässig, die jedoch für die M. nicht 
besteht (vgl. Z. 3 
3 3. Dingliche 
der M. sind die Reste ihrer früheren Herrscher- 
gewalt über das ihrer Landeshoheit unterstehende, 
früher reichsunmittelbare Gebiet, an das die 
Reichsstandschaft geknüpft war. Die dinglichen 
Vorrechte können daher den M. nur dann zustehen, 
wenn sie noch ein derartiges Gebiet besitzen und 
in dem Staate, in dem sie eine Standesherrschaft 
besitzen. Der Besitz des standesherrlichen Gebietes 
ist aber nicht aufzufassen als der Besitz der Domä- 
nen, an welche die Herrschaftsrechte subjektiv ding- 
lich angeknüpft wären. Die Standesherrlichkeit 
ist keine Patrimonialherrschaft, sondern der Rest 
einer Herrschaft über Land und Leute. Subjektiv 
dinglich an die Domänen geknüpft war nur die 
Freiheit von Grundsteuern. Es ist daher sehr wohl 
denkbar, daß ein Standesherr seine Domänen 
veräußert und doch die übrigen dinglichen Rechte 
über sein Gebiet behält. In Bayern wird außer- 
dem erfordert Besitz der bayerischen Staatsange- 
hörigkeit und Eintragung in die Adelsmatrikel. 
Im Gegensatze zu den persönlichen Rechten ist der 
Kern der dinglichen Rechte, welche sich entwickelt 
haben aus der früheren Herrschaft über Land und 
Leute, ebenso ein subjektives Recht gegenüber den 
Staatsangehörigen wie die Staatsherrschaft selbst. 
Wo freilich die neuere Gesetzgebung jedes unmittel- 
bare Herrschaftsrecht der Standesherren beseitigt 
und ihnen nur ein Recht, vor Ernennung gewisser 
Beamten gehört zu werden, zugestanden hat, kann 
von einer saklelteden Berechtigung nicht mehr die 
Rede sein. Der in anderen Staaten, namentlich 
Bayern und Baden, gemachte Versuch, die Do- 
mänen wie die Standesherrlichkeit als Lehen des 
Landesherren zu behandeln, ist in Preußen durch 
die Gesetzgebung, die Instr v. 30. 5. 1820, positiv 
zurückgewiesen worden. Die Häupter der Familien 
haben jedoch hier bei jeder königlichen Reg Ver- 
änderung sowie bei jeder Erbfolge in die Standes- 
herrschaft dem Könige und seinen Nachfolgern in 
der Regierung die Huldigung zu leisten. 
1. Gerichtsherrliche und Regie- 
rungsrechte (Bundesakte a 14 Nr. 3d) hat 
die neuere Gesetzgebung im wesentlichen beseitigt. 
a) Für die streitige Gerichtsbarkeit sind alle 
gerichtsherrlichen Rechtenunmehr aufgehoben durch 
* 15 Abs 1 und 2 GVG. In Bayern können die 
Standesherren noch nichtstreitige Verlassenschafts- 
handlungen ihrer Familienmitglieder durch ihre 
Kanzlei erledigen lassen und Vormundschaften 
anordnen, bei denen sie nicht selbst beteiligt sind. 
Aehnlich können sie in Württemberg ihren Fami- 
lienmitgliedern Vormünder bestellen und deren 
Inventur, Teilungs= und Vormundschaftssachen 
selbst behandeln; ähnlich in Baden. Bayern ge- 
J. 
Rechte. Die dinglichen Rechte 
  
  
währt außerdem nur noch dem Fürsten von Thurn 
und Taxis zu Regensburg eine freiwillige Gerichts- 
barkeit über seine Hausgenossenschaft. 
b) Die Regierungsrechte der Standes- 
herren haben eine völlige Umgestaltung und der 
Aufhebung fast gleichkommende Abschwächung 
erfahren durch die neuere Verwesetzgebung. 
In den drei Stolberger Grafschaften 
wurde die anfangs für diese Gebiete suspendierte 
KrO v. 13.12.72 durch ein besonderes Gv. 18. 6.76 
vom 1. 10. 76 ab eingeführt mit der Maßgabe, 
daß die Ernennung der Amtsvorsteher und deren 
Stellvertreter und die Bestellung kommissarischer 
Amtsvorsteher in den Grafschaften nach Anhörung 
des betreffenden Besitzers und die Ernennung des 
Landrates des Kreises Wernigerode nach An- 
hörung des Grafen zu Stolberg-Wernigerode er- 
folgen sollte, beides jedoch unbeschadet des dem 
Kreistage zustehenden Vorschlagsrechtes. Außer- 
dem wurden die drei Stolberger Grafen ermäch- 
tigt, das ihnen in dem Kreise Wernigerode bezw. 
Sangerhausen zustehende Recht der Teilnahme 
an der Kreistagswahl im Verbande der größeren 
Grundbesitzer gleich den Mitgliedern regierender 
Häuser durch Stellvertreter auszunben. In 
Hannover räumt die KrO v. 6. 5. 84 nur 
dem Herzoge von Arenberg in den Kreisen 
Meppen, Aschendorf und Hümmling, dem Her- 
zoge von Looz-Corswarem im Kreise Lingen, dem 
Fürsten von Bentheim im Kreise Bentheim, dem 
Grafen von Stolberg-Wernigerode und dem Gra- 
sen von Stolberg-Stolberg im Kreise Ilfeld das 
Recht zur Teilnahme an den Kreistagswahlen 
durch Stellvertreter ein (§ 53). In Hessen- 
Nassau bestanden schon im Jahre 1866 keinerlei 
standesherrliche Regierungsrechte mehr. Die 
hessen-nassauische Kr O v. 7. 6. 85 gewährt daher 
in § 54 den Mitgliedern des nassauischen und 
hessischen Fürstenhauses sowie der fürstlichen und 
gräflichen ehemals reichsunmittelbaren Familien 
lediglich die Stellvertretungsbefugnis für die 
Kreistagswahlen, und zwar allgemein ohne Be- 
schränkung auf bestimmte Kreise. In Hessen- 
Nassau ist also die Vertretungsbefugnis ein per- 
sönliches Vorrecht der M. Dagegen hat § 99 der 
westfälischen Kr O v. 31. 7. 86 außer der wie in 
Hessen-Nassau rein persönlichen Stellvertretungs- 
befugnis statt der den betreffenden Standesherren 
noch zustehenden Regierungsrechte in denjenigen 
Amtsbezirken des Kreises Wittgenstein, zu wel- 
chen standesherrliche Besitzungen der Fürsten 
von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und von Sayn- 
Wittgenstein-Berleburg gehören, die Ernennung 
der Amtmänner nach Anhörung des Fürsten von 
Sayn-Vittgenstein-Hohenstein bezw. des Fürsten 
von Sayn-Wittgenstein-Berleburg vorgeschrieben, 
jedoch unbeschadet des sonst bei Ernennung der 
Amtmänner zu beobachtenden Verfahrens. Eine 
Berücksichtigung der übrigen westfälischen Stan- 
desherren war nicht erforderlich, da diese entweder 
bereits früher auf sämtliche Regierungsrechte gegen 
Entschädigung Verzicht geleistet oder seit dem 
Jahre 1848 solche tatsächlich nicht mehr ausgeübt 
hatten. Ebenso besteht in der Rhein provinz 
nach der rheinischen KrO v. 30. 5. 87 #5 9P für 
die Standesherren und ihre Familienmitglieder 
allgemein die persönliche Stellvertretungsbefugnis 
wie in Hessen-Nassau für die Kreistagswahlen. 
Fernerhin soll der Landrat des Kreises Neuwied
	        
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