74 Gemeinde (III. Organisation)
ihre Zuständigkeit vorbehalten hat, ist die Ge-
meindeversammlung zur Entscheidung
zuständig. Sie besteht aus den stimmberechtigten
Bürgern. Gültige Beschlüsse sind durch Stimmen-
mehrheit nur möglich, wenn entweder alle Stimm-
berechtigten anwesend oder die Versammlung in
herkömmlicher Weise berufen ist und dann mehr
als die Hälfte der Stimmberechtigten anwesend
ist. Die Abstimmung kann auch schriftlich erfolgen.
Die Versammlung wird vom Bürgermeister ge-
leitet; der Gem Ausschuß legt ihr bestimmte An-
träge vor. Ein Zehntel der Stimmberechtigten
kann in einer Angelegenheit, zu der sie zuständig
ist, die Einberufung einer Gem Versammlung er-
wingen. — Eine dem bayerischen Rechte sonst
fremde plutokratische Bestimmung trifft a 47 der
GemO: Wenn es sich um neue oder höhere Um-
lagen handelt oder um Unternehmungen, die
solche fordern, so sind im Gem Ausschusse und
in der Gem Versammlung neben den Bürgern
auch die fünf „Höchstbesteuerten“ (evtl. durch
Vertreter) stimmberechtigt, wenn sie zusammen
mehr als ½ der GemUmlagen bezahlen. Bezahlen
weniger als 5 Personen dieses Drittel, so treten
nur diese der Gem Versammlung hinzu. Ueber-
dies wird in diesen Fragen nicht nach Köpfen son-
dern nach Steuerbeträgen abgestimmt, indem
je angefangene 10 fl. (17,14 Mk.) Steuer eine
Stimme abgeben. Doch kann niemand mehr als
ein Drittel aller Stimmen besitzen. a 30 des
Umlagengesetzes vom 14. 8. 10 tritt vom 1. 1. 12
ab an die Stelle dieser Bestimmung, läßt sie
jedoch im Wesen unberührt. An die Stelle der
10 fl. treten nun 25 Mk. Ein überstimmter
„Höchstbesteuerter“ hat Beschwerderecht zur vor-
gesetzten Behörde, die den Beschluß auphebt,
wenn die Ausgabe weder gesetzlich notwendig,
noch „im Interesse der Gem erforderlich ist"“.
c) Die Armenpflegschaftsräte werden im wesent-
lichen wie in den Städten gebildet. Der Bei-
geordnete ist Mitglied; die Gem Versammlung
ordnet Mitglieder nicht ab. Vorsitzender ist der
Psarrer.
d) Ortschaften (vgl. 5 2IV) verwalten ihr
Sondervermögen durch einen Pfleger (unter Um-
ständen durch einen Ortsausschuß), sie können
aber die Verwaltung auch dem Gem Ausschuß
übertragen. Besteht ein Ortsausschuß nicht, so
beschließt die Ortsversammlung in jenen Orts-
angelegenheiten, die in der Gem vom Gemus-
schuß erledigt werden. Der Bürgermcister hat
die Leitung und den Vorsitz, ferner die Aufsicht
über die Verwaltung. — Ueber die (sehr seltene)
Zugchörigkeit von Ortschaften zu Städten
vgl. Gem O a 153 Ab VII ff.
e) Bürgermeistereien, d. h. Vereini-
gungen mehrerer benachbarter Gem unter einen
Bürgermeister können mit Zustimmung der be-
teiligten Gem Ausschüsse, aber auch zwangsweise
durch das Staatsministerium gebildet werden.
Gemeinsam ist nur der Bürgermeister; doch
können die vereinigten Gem Ausschüsse ortspoli-
zeiliche Vorschriften für den Bürgermeisterei-
bezirk erlassen.
& 5. In der Pfalz. a) Die Verwaltung führt
der Gemeinderat, dem außer dem Bürger-
meister 1—2 Adjunkten (Vertreter des Bürger-
meisters) und 6—24 Gemäte (nach der Größe
der Gemeinde) angehören. Alle Mitglieder wer-
den ehrenamtlich auf 5 Jahre gewählt. Seit 1896
können in Gem mit über 10 000 Einwohnern als
Bürgermeister und Adjunkten sowie neben den
Gem Räten berufsmäßige, besoldete Gemeinde-
ratsmitglieder aufgestellt werden.
Der Bürgermeister ist Vorstand und Vorsitzen-
der des GemRats, er verteilt die Geschäfte, be-
reitet die Beschlüsse vor und vollzieht sie. Ihm
obliegen noch bestimmte Geschäfte wie Führung
von Listen, Ueberwachung des Kassen= und Rech-
nungswesens, Anstellung eines Teils der Gem Be-
diensteten. Er handhabt die Ortspolizei; über
ortspolizeiliche Vorschriften beschließen die Gem-
Räte, auch über polizeiliche Einrichtungen, die
Geld kosten.
Die Gültigkeit der Beschlüsse ist wie in den
Gem r. d. Rh. geordnet.
Der Gemfat verstärkt sich wic in den oben
(* 4b) angegebenen Fällen durch die Hoöchst-
besteuerten. Ein überstimmter Höchstbesteuerter
kann gegen die Erhebung bezw. Erhöhung der
Umlage die vorgesetzte Verw Behörde anrufen.
Besondere Ausschüsse können gebildet
werden (s. 9 3 lc).
b) Die Zustimmung der Gem Versammlung ist
nur in sehr wenigen Fällen notwendig (Aufnahme
eines Anlehens); doch ist nach der Pfälzischen
Gem nicht verboten, daß der Gemat auch
andere Angelegenheiten der Gem Versammlung
unterbreitet; diese wird nur durch den Gemat
berufen (Ausnahmen: Vornahme einer Er-
gänzungswahl vgl. a 124 Pf. GemO) und vom
Bürgermeister geleitet.
c) Ueber die Annahme der rechtsrheinischen
Städtever fassung dpgl. 7X 2 I, Pfälzisches
Städteverfassungsgesetz 15. 8. 08.
d) Der Armenpflegschaftsrat wird wie in den
rechtsrheinischen Land Gem gebildet; den Vorsitz
führt der Bürgermeister.
e) Bürgermeistereien können wie r. d. Rh. ge-
bildet werden.
§ 6. Besetzung der Gemeindeämter.
I. Anste (l#un 9. a) Städte rechts des
Rheins und pfälzische Städte, welche deren
Verfassung angenommen haben:
Die rechtskundigen Magistratsmitglieder müssen
das 25. Lebensjahr zurückgelegt und die Prüfung
für die Anstellung zum Richteramte oder im
Dienste der inneren Verwaltung bestanden haben.
Die Wahl erfolgt durch die Gem Bevollmächtigten
zunächst auf 3 Jahre; werden sie dann wieder-
ewählt, so treten sie in die Rechte unwiderruf-
icher Staatsbeamter ein, wenn nicht durch
Dienstverträge eine andere Bestimmung getroffen
wird. Technische Magistratsmitglieder werden
vom Magistrat mit Zustimmung der Gem Bevoll-
mächtigten ernannt; ihre Rechte bemessen sich
nach den Vereinbarungen. Rechtskundige und
technische Mitglieder können ihre Aemter jederzeit
niederlegen. Ueber die „Bestätigung“" vgl. §6, V.
Die bürgerlichen Mitglieder des Magistrats
werden von den Gem Bevollmächtigten gewählt.
Wählbar sind stimmberechtigte Bürger, welche-’das
25. Lebensjahr vollendet haben und in der Gem
wohnen. Die Wahl kann nur aus gesetzlichen
Gründen abgelehnt, das Amt nur aus solchen
Gründen oder mit Zustimmung beider Kollegien
niedergelegt werden. Die bürgerlichen Bürger-
meister können einen Funktionsbezug, die Ma-