Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Militärwesen (B. Militärverwaltung) 
  
der Offiziere, während die M. einen viel um- 
fassenderen Inhalt haben. Die eigentliche Grund- 
lage, auf welcher die M. ruhen, ist die den Einzel- 
staaten auf dem Gebiet des Heerwesens ver- 
bliebene Autonomie und Selbstverwaltung; über 
die ihnen verbliebenen Rechte haben sie die Be- 
fugnis elbständig zu disponieren. Dies können sie 
auch in der Form eines Staatsvertrags tun, indem 
sie die Ausübung dieser Rechte einem anderen 
Staat oder auch dem Kaiser (NI übertragen. 
Dies ist in der Tat der wesentliche Inhalt 
sämtlicher von den Bundesstaaten abgeschlossener 
M. mit Ausnahme der von Sachsen, Württemberg 
und Bayern (unten § 3).Die Bundesstaaten über- 
trugen die ihnen zustehende Kontingentsherrlich- 
keit ganz oder zum größten Teil dem Könige von 
Preußen zur Ausübung, wobei über den Fahnen- 
eid, Verwaltung des Kontingents, Ernennung, 
Patentierung, Verabschiedung der Offiziere und 
Beamten, über Rekrutierungs- und Landwehran- 
gelegenheiten, militärgerichtliche und Disziplinar- 
verhältnisse, Besteuerung der Mil Personen u. a. 
Abreden getroffen wurden. In allen diesen Be- 
stimmungen halten sich die M. innerhalb der Zu- 
ständigkeit der Einzelstaaten. Daneben enthalten 
die M. aber auch gewisse Bestimmungen, welche 
die verfassungsmäßigen Rechte des Kaisers be- 
treffen. Diese Rechte können durch die M. nicht 
beseitigt oder beschränkt werden, soweit aber die 
Ausübung derselben im Ermessen des Kaisers 
steht, wie z. B. das Dislokationsrecht, kann der 
Kaiser den einzelnen Bundesfürsten über die Art 
der Ausübung bestimmte Zusicherungen machen. 
Die M. sind teils mit dem König von Preußen, 
teils mit dem deutschen Kaiser abgeschlossen; bei 
der Identität des Königs und Kaisers ist aber die 
Wahl des Titels rechtlich belanglos; soweit die M. 
sich im Bereich der Kontingentsherrlichkeit halten 
(Ernennung der Offiziere, Mil erichtsbarkeit, 
Armeeverwaltung), kann nur der König von Preu- 
ßen; soweit sie verfassungsmäßige Rechte des 
Kaisers betreffen, nur der Kaiser der Gegenkon- 
trahent des Bundesstaats sein. Daraus ergibt 
sich zugleich, daß die Genehmigung der M. seitens 
des BR und RT nicht erforderlich ist, seitens des 
Landtags des Einzelstaates nur insoweit, als etwa 
Rechte dieses Staates aufgegeben werden, über 
welche der Landesherr ohne diese Zustimmung 
nicht verfügen kann. 
§ 2. Die Kündigung der Militärkonventionen. 
In zahlreichen M. ist das einseitige Kündigungs- 
recht jedes der beiden Kontrahenten ausbedungen; 
in einigen ist es dadurch ausgeschlossen, daß aus- 
drücklich die Aufhebung der M. durch beiderseitiges 
Einverständnis vorbehalten worden ist (Baden 
à 21; Oldenburg a 54; Hamburg a 34; Lübeck a 24; 
Bremen a 42). Sollte von diesem Vorbehalt 
Gebrauch gemacht werden, so würde ipso jure 
der betreffende Staat die Ausübung der ihm 
verfassungsmäßig zustehenden Hoheitsrechte in 
MilSachen wieder erlangen. Tatsächlich ist aber 
ihre Aufhebung durch Kündigung oder Konsens 
ausgeschlossen; der durch sie begründete Zustand 
der Armeeverfassung kann nicht mehr auf den 
reichsverfassungsmäßigen zurückgeführt werden; 
er liegt dem MilEtat, der Gliederung der Truppen, 
der Stellung des Ersatzbedarfs, dem Rang= und 
Beförderungsverhältnis der Offiziere usw. zu- 
  
  
  
Staaten mit der preußischen Armee zu einem 
Reichsarmeekontingent ist dadurch gesetzli- 
ches Recht des Reichs geworden und könnte 
daher nur im Wege des Reichsgesetzes wieder auf- 
gelöst werden. 
53. Die Konventionen mit Sachsen, Württem- 
berg und Bayern. Diese 3 Konventionen haben 
einen von den anderen M. verschiedenen Charakter. 
1. Die M. mit dem Königreich Sachsen ist 
am 7. 2. 67, also vor Einführung der Verfassung 
des Norddeutschen Bundes abgeschlossen worden, 
„um die Bestimmungen dieser Verfassung über 
das Kriegswesen den besonderen Verhältnissen 
des Königreichs Sachsen anzupassen“ und sie wird 
bezeichnet als eine „auf der Grundlage des Frie- 
dens Vt v. 21. 10. 66 getroffene besondere Verab- 
redung, welche unabhängig von allen ferneren 
darauf bezüglichen Verhandlungen in Kraft treten 
und bleiben soll.“ Sie sollte also auch gelten, 
falls die Bundesverfassung nicht zustande gekom- 
men wäre und in Geltung bleiben, auch wenn 
die Bundesverfassung ihr widersprechende Be- 
stimmungen enthalten sollte. Sie überträgt keines 
der Rechte, welche die Bundesverfassung den 
Einzelstaaten vorbehält, auf Preußen, sondern 
betrifft lediglich das Verhältnis des sächsischen 
Kontingents zum Bunde. Der Charakter eines 
Spezialverfassungsgesetzes ist ihr aber in der Folge 
nicht beigelegt worden; weder die Verfassung des 
Nordd. Bundes noch die Reichsverfassung enthal- 
ten zugunsten Sachsens einen Vorbehalt. Würden 
die Vorschriften der sächsischen M. mit der Reichs- 
verfassung oder den Reichsgesetzen in Widerspruch 
stehen, so würde nicht die M., sondern das Reichs- 
esetz den Vorrang haben. Dies ist aber nicht der 
Fall da die M. nur die Ausübung von Befugnissen 
des Kaisers betrifft, welche derselbe nach freiem 
eigenen Ermessen geltend machen kann. 
2. Die M. mit Württemberg ist gleich- 
zeitig mit dem Verfassungsbündnis geschlossen und 
durch a 2 Ziff. 5 desselben als ein integrierender 
Bestandteil dieses Vertrages erklärt worden. Auch 
sie beschränkt die verfassungsmäßigen Rechte nicht 
und überträgt keines derselben auf Preußen; sie 
erweitert vielmehr die Rechte Württembergs und 
enthält bei weitem eingreifendere Modifikationen 
der verfassungsmäßigen Normen als die sächsische. 
Die Bestimmungen der württemb. M. sind durch 
die Schlußbestimmungen zum XI. Abschnitt der 
Reichsverfassung zum Bestandteil der Reichsver- 
sassung gemacht worden; sie bilden ein verfassungs- 
mäßiges Sonderrecht und stehen unter dem Schutze 
des a 78 der RV. Außer der M. ist eine Verein- 
barung v. 2./18. 9. 03 abgeschlossen worden über 
die Ueberführung des Fußartillerie-Bataillons 
Nr. 13 aus dem württembergischen in das preußi- 
sche Kontingent: RE v. 3.8. 93 a V (RGBl 235). 
3. Mit Bayern ist eine B. in einem beson- 
deren Aktenstücke zwar nicht abgeschlossen worden, 
der Bündnis Vt v. 23. 11. 70 unter III § 5 und 
das dazu gehörige Schlußprotokoll enthalten aber 
eine solche; auch sie ist zum verfassungsmäßigen 
Spezialrecht erklärt, auf dessen Aufrechterhaltung 
Bayern ein Sonderrecht hat. Materiell ist dieses 
bayerische Sonderrecht von dem württembergi- 
schen sehr verschieden; denn für das letztere bildet 
die Anwendung der Vorschriften der Reichs- 
verfassung, für Bayern der Ausschluß derselben 
grunde. Die Vereinigung der Kontingente der den Ansgangspunkt X Reich, Verfassung.
	        
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