Militärdisziplin
a) Nach der herrschenden Lehre, die sich auf die Motive
zu 192 stützt (R Mil Ger 5, 3; 8, 227; 10, 41), zieht nicht nur die
Mißachtung des schriftlich oder mündlich dem Untergebenen
besonders erteilten Besehls die Strase des Ungehorsams nach
sich, sondern auch jede Zuwiderhandlung gegen allge-
meine dienstliche Instruktionen und An-
ordnungen (Reglements, Dienstvorschriften usw.), vor-
ausgesetzt, daß sie ein bestimmtes Tun oder Lassen für be-
stimmte Fälle verlangen. Die Wissenschaft hat diesen weit-
gehenden Ungehorsamsbegriff mit Recht abgelehnt; aus dem
Ungehorsam als Autoritätsverletzung wird dadurch das Ge-
neralvergehen der Dienstpflichterletzung gemacht.
b) Nach der Rechtsprechung des RMilcer (1, 292; 2, 300)
soll der Ungehorsam auch fahrlässig begangen werden
können. Es ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen im
Rechtsleben der bewaffneten Macht, daß die Praxis der
DVorgesetzten (und auch der meisten Instanzgerichte) nur
die vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen Befehle in Dienst-
sachen als Ungehorsam (als militärisches Bergehen muß er
notwendig mit Arrest bestrast werden), die fahrlässige Miß-
achtung aber grundsätzlich nur als D Uebertretung bestraft
(wenn überhaupt Strase eintritt; es herrscht bei Düeber-
tretungen kein Straszwang). Die Lehre vom fahrlässigen
Ungehorsam (Widerlegung vom Rechtsstandpunkt Arch
Mil 1, 192: 2, 7, 97) ist eben undurchführbar.
6. Das Militärdisziplinarstrafrecht
ist gegenüber dem Beamtendisziplinar-
strafrecht im Hinblick auf die Abgrenzung
vom Kriminalstrafrecht verschieden: die reinigende
D fällt dem Kriminalrecht zu. Die D Strafarten
decken sich z. T. mit den Kriminalstrafen: es ist
statthaft, militärische Vergehen disziplinär zu
ahnden; andererseits Umschaffungen wie zuvor
Ziff. 5 (vgl. Hecker 1. Aufl. dieses WB 2, 107).
8 3. Der Umfang der Disziplinarstrafgewalt.
1. Der sachliche Umfang ist schon in
z 2 berührt worden. Außer Disziplinar-
übertretungen darf der D Vorgesetzte auch
Disziplinarvergehen strafen, d. h. ge-
wisse Vergehen des MStGB, wenn er annimmt,
daß es leichtere Fälle seien. Das Wohl des Ganzen
erfordert es, in solchen Fällen, besonders wenn sie
mühelos und einwandfrei festzustellen sind, das
Interesse des Einzelnen, die Sache im geordneten
und durch größere Bürgschaften ausgezeichneten
gerichtlichen Verfahren ausgetragen zu sehen, zu-
rücktreten zu lassen; die D Strafe sichert den Ge-
horsam um so stärker, als sie der Tat unmittelbar
folgtt, mag sie auch gelinder ausfallen.
2. Persönlicher Umfang.:
a) die Militärpersonen des Heeres und der
Marine, das sind die Personen des Soldaten-
standes und die Militärbeamten, vgl. 4 MStG.
Beide Unterarten zerfallen wieder in solche des
aktiven Dienststandes und des Beurlaubtenstandes,
vgl. die Klasseneinteilung der Militärpersonen und
die neue Klasseneinteilung der Militärbeamten
durch AV v. 1. 8. 08 (AVBl 289), dem MStGB
als Anlage beigegeben;
b) die Offiziere à la suite, auch soweit sie dem
Soldatenstande nicht angehören, mit Beschrän-
kungen;
e) alle Personen, die während eines Krieges
sich in irgend einem Dienst= oder Vertragsverhält-
nis beim kriegführenden Heere (Marine) befinden
oder sich sonst bei ihm aufhalten oder ihm folgen;
d) die Kriegsgefangenen.
Gleiches gilt für die Mar.D St O an Land und
an Bord. Hinzu kommen bei der Marine
857
e) alle Personen, die sich der DSt O der Marine
freiwillig unterworfen haben.
Der MarDStO sind an Bord außer den
unter c), d) und e) genannten noch unterworfen:
f) alle zu einem Schiffsbesatzungsverbande oder
zum Stabe einer Kommandobehörde zur See ge-
hörenden Personen vom Augenblick seiner Bildung
bis zu seiner Auflösung;
8) alle andern auf einem in Dienst gestellten
Schiff der Kaiserl. Marine eingeschifften Personen
des Soldatenstandes vom Augenblick der Indienst-
stellung bis zur Außerdienststellung;
h) alle zu einem Transport auf See gehörenden
Personen vom Augenblick der Bildung des Trans-
ports bis zu seiner Auflösung.
i) Wegen der Gendarmen 17 Gendarmerie.
Die Personen des Beurlaubtenstan-
des sind den Strafvorschriften der DStO nur in
der Zeit durchweg unterstellt, in der sie sich im
Dienst befinden. Die ältere Auslegung verstand
darunter „Dienst im aktiven Heere (Marine)“",
die neuere — vgI. RMil Ger 9, 179 als grundlegende
Entscheidung — erkennt auch einen Dienft im
Beurlaubtenverhältnis, der die Anwendbarkeit
(fast) aller Militärstrafgesetze und auch aller
DBestimmungen sichert, an. Im übrigen ist die
Dhestrafung auf Kontrollvergehen (Geld= oder
Haftstrafe) und auf eine Anzahl von DVergehen
(s. oben # 2 Ziff. 2) beschränkt. Auch der Straf-
rahmen ist eingeengt. Die Rechtsstellung der
Personen des Beurlaubtenstandes bringt noch
heute eine Fülle von Streitfragen mit sich. Vgl.
auch § 15 Kriegsdienst G v. 9. 11. 67; 3 57 RMil G
und Kontroll G v. 15. 2. 75.
# 4. Disziplinarstrafen.
I. Allgemeines:
a) Das System der Dötrafen ist erschöpfend
geregelt. Andere als die in der DöStO vorge-
seheneny D Strafmittel sind unzulässig; unzulässig
ist auch ihre Verschärfung. Wie jede Strafe setzt
auch die D Strafe ein Verschulden voraus. Fahr-
lässigkeit genügt. Ein Strafzwang herrscht bei
- D erfehlungen (anders bei D Vergehen)
nicht.
b) Disziplinarmaßnahmen sind im
Heere und in der Marine vielfach üblich. Ueber
ihre Abgrenzung von den Strafen vgl. „Diszipli-
narmaßnahmen und Disziplinarstrafen“ im Hand-
wörterbuch des Militärrechts. Die eigentlichen
Dtrafmittel (Ausnahmen unten) dürfen nicht
als DMaßnahmen verhängt werden und DMaß-
nahmen dürfen niemals versteckte Strafen sein;
vgl. § 118 MSt GB; sie sind mit besonderer Vor-
sicht anzuwenden, denn die Grenzlinien zwischen
Strafen und Maßnahmen sind oft flüssig, nicht
zum wenigsten deshalb, weil ein Teil der Dis-
iplinarstrafmittel ihrem wahren We-
en nach DMaßnahmen sind. Es kommt hinzu, daß
einige weitere D Strafen (Entfernung vom Ge-
freitendienstgrade, Versetzung in eine Arbeiter-
abteilung, Urlaubsbeschränkung) auch als DMaß-
nahmen in bestimmten Fällen zulässig sind. Auch
an sich zulässige DManahmen dürfen nicht zur
vorschriftswidrigen Behandlung ausarten. T
e) Bei der Vereinigung mehrerer DStrafen zu
einer Gesamt= oder Einheitsstrafe
ergeben sich oft nicht geringe Schwierigkeiten,
weil bei Bestrafung der DVVergehen die an-