Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
874 Militärwesen (F 
. Militärlasten) 
  
wandt wird bis zum Wiedereintritt des Friedens- 
zustandes. Ebenso wie die Friedensleistungen 
sind auch die Kriegsleistungen nur eine subsidiäre 
Last; aber nur die Mil Behörden haben darüber 
zu entscheiden, ob den militärischen Bedürfnissen 
nicht anderweitig, etwa durch freien Ankauf oder 
andere privatrechtliche Rechtsgeschäfte Rechnung 
getragen werden kann. Jedenfalls ist den Requi- 
sitionen der Mil Behörden Gehorsam zu leisten; 
nötigenfalls kann die Erfüllung durch Zwangs- 
mittel herbeigeführt werden. 
Grundsätzlich wird auch für die Kriegsleistungen 
eine Vergütung gewährt (jedoch nicht für 
Quartier und Stallungen an durchmarschierende 
Truppen). Die Art der Vergütung ist hier eine 
eigentümliche. Sie besteht nur ausnahmsweise 
in Barzahlung, in der Regel werden auf Grund 
der festgestellten Liquidation Anerkennt- 
nisse, d. h. Schuldurkunden des Reichsfiskus 
ausgestellt, die den rechtlichen Charakter von Wert- 
papieren haben. Sie werden auf den Namen von 
Gemeinden ausgestellt, können veräußert, in- 
dossiert und verpfändet werden. Die Zahlung er- 
folgt gültig an den Inhaber gegen Auslieferung. 
Da die Kriegsleistungen meist als Lasten der Ge- 
meinden betrachtet werden, so wird auch die Ver- 
gütung meist an diese ausgezahlt. Den Gemein- 
en stehen die Lieferungsverbände 
gleich. Es ist jedoch daran festzuhalten, daß der 
einzelne Untertan eigentlich dem Reiche gegenüber 
zur Kriegsleistung verpflichtet ist. Da aber das 
Recht zur zwangsweisen Erhebung der Leistungen 
vom Reiche an die Gemeinden delegiert ist, so ist 
dafür den Gemeinden auch andererseits die Haf- 
tung für die Erfüllung der geforderten Leistungen 
auferlegt. 
II. Die Kriegsleistungen im ein- 
zelnen. 
1. Gemeindelasten: 
a) Quartierleistung: Die Pflicht ist im Kriege 
unbeschränkt; Entschädigung wird nur für Be- 
satzungstruppen geleistet. 
b) Naturalverpflegung an die auf dem Marsch 
und in Ortsunterkunft befindlichen Truppen. Ent- 
schädigung erfolgt nach dem Friedenssatze. 
Jc) Fouragelieferung für Truppen auf dem 
Marsch und in Kantonnements. 
d) Vorspann. Es können requiriert werden alle 
im Gemeindebezirk vorhandenen Transportmittel 
und Gespanne; alle Befreiungen fallen im Kriege 
fort. Zeitbeschränkungen bestehen nicht; die Ver- 
gütung erfolgt nach dem Friedenssatz. 
e) Arbeitsleistungen. Die Gemeinden haben das 
erforderliche Personal an Gespannführern, Weg- 
weisern, Boten, Arbeitern für Wege= und Brücken- 
bau, fortifikatorische Arbeiten zur Verfügung zu 
stellen. Die Vergütung erfolgt nach den in Frie- 
denszeiten ortsüblichen Preisen. 
f) Ueberlassung der für den Kriegsbedarf er- 
forderlichen Grundstücke und Gebäude seitens der 
Gemeinden. 
8) Sonstige Leistungen der Gemeinden. Die 
Mil Behörde kann alles für ihre Zwecke erforder- 
liche Material requirieren (Anlegung von Wegen, 
Eisenbahnen, Brücken), namentlich auch Feue- 
  
weise erforderlich werdende Gegenstände wie Ver- 
bandsmittel und Arzneien. 
2. Landlieferungen. 
  
ordnet Landlieferungen an zum Zwecke der Füllung 
der Kriegsmagazine mit Vorräten. Gegenstand der 
Lieferungen: lebendes Vieh, Brotmaterial, Hafer, 
Heu, Stroh. Träger der Lasten sind sog. Liefe- 
rungsverbände, deren Bildung Pflicht der Einzel- 
staaten ist. Der BK verteilt die Lieferungen nach 
Zeit und Umfang. Die Vergütung wird berech- 
net nach den Durchschnittspreisen der letzten zehn 
Friedensjahre mit Weglassung des billigsten und 
des teuersten Jahres. 
3. Die Kriegsleistungen der Ei- 
senbahnenl'sl. Der Kaiser [VI grenzt für die 
Eisenbahnen den „Kriegsrayon“ ab. Innerhalb 
dieses Rayons werden alle Eisenbahnen in mili- 
tärische Verwaltung genommen. Außerhalb des 
Rayons tritt ein vom Kaiser ernannter General- 
inspekteur des Etappen-- und Eisenbahnwesens an 
die Spitze der Eisenbahnen. Folgende Leistungen 
können von den Eisenbahnen verlangt werden: 
Transport von Personen und Material 
gegen Militärtarif bis zur höchsten Grenze der 
Leistungsfähigkeitt Abgabe alles für Kriegs- 
zwecke brauchbaren und erforderlichen Personals 
und Materials; die für die Beförderung von Mann- 
schaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungs- 
gegenstände der Eisenbahnwagen sind vorrätig zu 
halten, ohne daß hierfür Vergütung gewährt 
wird. 
4. Die Kriegsleistungen von Pri- 
vatpersonen: 
a) Besitzer von Schiffen und Fahrzeugen sind 
verpflichtet, diese zum Zweck der Verwendung 
für Hafen- und Flußsperren der Mil Verwaltung 
gegen volle Vergütung zu überlassen, und zwar zu 
Eigentum. Außerdem ist Requirierung der Schiffe 
zur vorübergehenden Benutzung möglich. 
b) Alle Pferdebesitzer mit Ausnahme der in 
l 25 Abs 2 NKG genannten Personen (Mitglieder 
regierender Häuser, Diplomaten fremder Mächte 
usw.) sind verpflichtet, ihre kriegstauglichen Pferde 
egen vollen Wertersatz der Mil Behörde zu über- 
assen. Die Aushebung erfolgt in Preußen nach 
der Pferdeaushebungsvorschrift v. 1. 2. 02. 
sa 4. Eigentumsbeschränkungen in der Uum- 
tgebung von Festungen und Kriegshäfen beruhen. 
auf dem Festungsrayon G v. 21. 12. 71 Fe- 
kknsenn und seusdgem R v. 19. 6. 833 
ür die Reichskriegshäfen Kiel und Wilhelms 
A#Kriegshafen . n haven 
*# 5. Militärlasten in den Kolonien. Eine 
grundsätzliche Regelung ist bisher nicht erfolgt. 
Sie kann, da es sich um Verwecht handelt, durch 
kais. Verordnung geschehen. Wo hingegen Ein- 
griffe in das Eigentumsrecht weißer Kolonisten 
angeordnet werden sollen, bedarf es eines Ge- 
setzes. — In Südwestafrika haben vor- 
übergehend zwei V des Gouverneurs v. 11. 1. 
und 23. 3. 04 (KolG 8, S 31 und 81) gegolten. 
Beide wurden vom Gouverneur auf Grund des 
15 SchG= erlassen und verpflichteten zu 
Kriegsleistungen: die erste befahl allen Pfer- 
debesitzern während der Eingeborenenunruhen 
die Gestellung von Pferden, die zweite forderte 
die Gestellung von Zugochsen, Eseln, Maul- 
. eseln, Fahrzeugen, Fahrzeugzubehör und Fuhr- 
rungsmaterial und Lagerstroh, auch ausnahms- n h Fuhr 
personal, in beiden Fällen gegen Entschädigung. 
Das Schätzungsverfahren fand durch eine aus 
drei Personen bestehende Kommission stat 
Der Bundesrat statt, der 
ein Gouvernementsbeamter, ein Vertreter der Be-
	        
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