Minister (Gesamt-Ministerium)
stände einzelner hoher Reichsämter, auch wenn
sie nicht zugleich ein preußisches Fach Min leiten,
zu Mitgliedern des Staats Min ernannt zu werden
(gegenwärtig haben diese Stellung der Staats-
sekretär des Innern und der Staatssekretär des
Reichsmarineamtes). Der Präsident des Staats-
rats ist in Preußen nach der V v. F. 12. 1827 befugt,
den Versammlungen des Staats Min beizuwohnen,
aber ohne Stimmrecht. Die dem Staats Min zur
Vorbereitung der Geschäfte beigeordneten Beam-
ten (in Preußen ein Unterstaatssekretär und drei
vortragende Räte, in Mürttemberg nach a 5
B0 v. 1. 7. 76 bis auf weiteres vom König hierzu
beauftragte Mitglieder des Geheimen Rats) haben
in den Sitzungen zu erscheinen und Vortrag zu er-
statten, ohne daß ihnen Stimmrecht zuläme (ins-
besondere württ. V von 1876 à 5 Abf 3). Ebenso
können andere Beamte, namentlich Abteilungs-
direktoren und Räte der Ministerien, zu den
Sitzungen zugezogen werden, haben aber in der
Regel kein Stimmrecht. In Hessen sind alle in
den Ministerien angestellten Räte sowie ein dem
StaatsMin beigegebener Rat Mitglieder des
Staats Min, jedoch ohne Stimmrecht.
II. Den Vorsitz im Staat= Min führt der
Landesherr, sofern er an der Beratung teil-
nimmt. Die Sitzungen, in denen dies nicht der Fall
ist, leitet ein Präsident des Staats-
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ministeriums, welchem allein in Baden und
Hessen sowic in einigen kleineren Staaten der Titel
„Staatsminister“' zukommt (oben &+ 1 II 1); in
Preußen fungiert in Vertretung des Präsidenten
ein Vizepräsident des Staats Min oder, wenn ein
solcher nicht ernannt ist, der dienstälteste Min. In
Preußen und Hessen braucht der Präsident nicht
an der Spitze eines Verw Departements zu stehen;
dagegen kann in Bayern, Sachsen, Württemberg
und Baden nur einer der Fach Min mit dieser
Stellung betraut werden. Die Beschlüsse des
Staats Min werden mit Stimmenmehr-
heit gefaßt, ohne daß dem Präsidenten ein er-
höhtes Stimmengewicht zukäme (in Baden gibt
bei Stimmengleichheit seine Stimme den Aus-
schlag).
Die formelle Leitung der Geschäfte des Staats-
Min steht dem Präsidenten auch außerhalb der
Sitzungen zu; daneben hat er in Preußen einzelne
besondere, auf das Ganze der Staatstätigkeit be-
zügliche Funktionen (obere Leitung der General=
ordenskommission, der Staatsarchive, des Gesetz-
sammlungsamts), in Hessen die Leitung der aus-
wärtigen Angelegenheiten und der Angelegen-
heiten des landesherrlichen Hauses (oben §& 3 II 6).
Innerhalb ihrer Departements sind die übrigen
Min regelmäßig unabhängig von dem Min Präsi-
denten; in Hessen jedoch sind ihm alle wichtigen
Maßregeln sämtlicher Ministerien, soweit dieselben
nicht vor das Staat- Min gehören, zur vorherigen
Kenntnisnahme und Billigung vorzulegen. In
Preußen hatte die (nicht publizierte) Kab O v.
8. 9. 52 die Ressort Min verpflichtet, sich über alle
Verw Maßregeln von Wichtigkeit vorher mit dem
Min Präsidenten zu verständigen, und auch ihren
amtlichen Verkehr mit dem König der Kontrolle
des Min Präsidenten unterworfen. Nach der Ent-
lassung des Fürsten Bismarck (1890) ist aber diese
Kab O aufgehoben und durch eine neue, ihrem
Wortlaut nach nicht bekannte, Anordnung ersetzt
worden, die den amtlichen Verkehr der EinzelMin
mit dem König keiner Erschwerung unterwirft
(O. Hintze S 491—92).
5* 10. Funktionen. I. Das Staats Min hat in
der Regel, auch wenn in seinem Schoße eine Ab-
stimmung stattfindet, nuur veratende Funk-
tionen. Der Monarch ist, wenn es sich um
einen von ihm persönlich vorzunehmenden Akt
handelt, an dic von der Mehrheit des Staats Min
(oder sogar von diesem einstimmig) vertretene
Meinung rechtlich nicht gebunden, sondern kann
sich auch von dieser abweichend und insbesondere
für die Ansicht der Minderheit entscheiden; das
gleiche gilt hinsichtlich seiner Genehmigung ander-
weitiger Beschlüsse des Staats Min, soweit eine
solche erforderlich ist (in Baden bedarf jeder Be-
schluß des Staats Min der Zustimmung des Groß-
herzogs; in Hessen kann im Fall eines Dissenses
unter den stimmberechtigten Mitgliedern des
Staats Min jedes derselben die Entscheidung des
Großherzogs anrufen). Aber auch der einzelne
Min ist in seinem Wirkungskreise an den Mehr-
heitsbeschluß des Staat-Min in der Regel
rechtlich nicht gebunden (anders in Sachsen ge-
mäß VU § 41 Abs 2). Eine tiefgreifende Mei-
nungsverschiedenheit innerhalb des Staats Min
oder zwischen dem Monarchen und einem Teil
oder sogar der Gesamtheit der Min wird allerdings
naturgemäß zum Ausscheiden der in der Minder-
heit gebliebenen bezw. nicht mit der Entscheidung
des Monarchen übereinstimmenden Min oder zur
Auflösung des derzeitigen Min führen.
In einzelnen Beziehungen haben
die Gesetzgebungen dem Staats Min nach au-
ßen hervortretende Funktionen
zugewiesen (unten III). In der Mehrzahl dieser
Fälle hat das Staats Min rechtlich wirksame Ent-
scheidungen abzugeben; zuweilen ist seine in die
Oeffentlichkeit tretende Mitwirkung für Akte des
Landesherrn oder des Regenten erforderlich oder
es liegt ihm die geschäftliche Vermittlung zwischen
dem Landesherrn und dem Landtage ob.
II. Abgesehen von Bayern sind die Ange-
legenheiten, in betreff deren das Staats-
Min Rat zu erteilen hat, durch Gesetz oder
Verordnung näher bestimmt. Ueberall kann der
Landesherr auch in bezug auf andere Gegenstände
ein Gutachten des Staats Min verlangen.
1. In Preußen hatte nach der KabO vom
3. 6. 1814 das Staats Min allgemeine Gegenstän-
de und solche, wo die Ressorts ineinandergrei-
fen und eine gemeinschaftliche Ueberlegung erfor-
derlich ist, zu beraten. Die Kab O v. 3. 11. 1817
hat dies näher dahin spezialisiert, daß folgende
Gegenstände vor das Staat-- Min gehören:
a) Alle Entwürfe zu Gesetzen oder allgemeinen Verord-
nungen (auch Militäreinrichtungen, „insofern sie das Land
angehen“);
b) die Vorschläge für die Ernennung gewisser Kategorien
von höheren Beamten (Oberpräsidenten, Reg Präsidenten,
Präsidenten der oberen Justizkollegien, Direktoren, Ober-
sorstmeister und mit diesen gleichen Rang habenden Beam-
ten);
c) Die Verw Rechenschaften der Oberpräsidenten für das
abgelaufene Jahr und die Verw Pläne derselben für das
künftige Jahr, die monatlichen sog. Zeitungsberichte der Re-
gierungen, periodische Uebersichten vom Zustande der Ge-
neralkassen und die Etats der Genecral- und Provinzialhaupt-
kassen, soweit sie die laufende Berwaltung betressen (die
einzelnen Min selbst haben von Zeit zu Zeit allgemeine Ueber-
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