Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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Ministerverantwortlichkeit 
  
Oldenburg und Braunschweig ist zur Entscheidung 
über die Min Anklagen ein besonderer Staats- 
gerichtshof bestimmt. Meist wird dieser zur 
Hälfte vom Landesherrn, zur Hälfte vom Landtag 
mit vorzugsweiser Berücksichtigung des rechtsge- 
lehrten und insbesondere des richterlichen Elemen- 
tes besetzt (sächs. Vu §s5 142, 143; württ. VU. 
#i 195, 196). In Bayern dagegen wird der 
Staatsgerichtshof beim obersten Landesgerichte 
aus dem Präsidenten und sechs Räten dieses Ge- 
richtshofes nebst zwölf Geschworenen ge- 
bildet (G v. 30. 3. 50 a 1); in Baden besteht 
der Staatsgerichtshof aus mindestens 16 Mit- 
liedern der ersten Kammer, dem 
räsidenten des Oberlandesgerichts und acht durch 
das Los bezeichneten Mitgliedern des Oberlandes- 
gerichts bezw. Präsidenten oder Direktoren der 
Landgerichte; den Parteien ist ein ausgedehntes 
Ablehnungsrecht eingeräumt (Vu ## 67; G v. 
11. 12. 69 §§# 7 ff; AG zu den Reichsjustiz G v. 
3. 3. 79 7). 
5 17. Berfahren. I. Das Verfahren ist regel- 
mäßig ein öffentliches und münd- 
liches; in Sachsen hat es überwiegend den 
Charakter der Schriftlichkeit, jedoch sind die Akten 
des Staatsgerichtshofes durch den Druck bekannt 
zu machen (sächs. VU #+ 147 Abfs 5). 
Die Erhebung und Vertretung 
der Anklage g schieht durch besondere, von 
dem Landtag bezw. von der anklagenden Kammer 
gewählte Bevollmächtigte. Eine Zurücknah- 
me der erhobenen Anklage von seiten des Land- 
tages ist in Baden V1U #867 a Abs2, sowie in Olden- 
burg und Waldeck ausdrücklich gestattet, auch all- 
gemein für zulässig zu erachten. Nach dem bayer. 
Gv. 4. 6. 48 a 10 hat der König, nachdem ihm der 
Anklagebeschluß der Kammern mitgeteilt ist, den 
angeklagten Min zu suspendieren. Das 
Ausscheiden des Min aus dem Amt oder dem 
Staatsdienste, vor oder nach Erhebung der Anklage, 
ist für die Ausübung des Anklagerechts und für den 
Fortgang des Prozesses gleichgültig (vgl. besonders 
sächs. VuU §+ 151; bad. Vu #67 a Abf 3; hesff. 
Gv. 5. 7. 1821 a 2). 
II. Rechtsmittel gegen das Urteil sind 
völlig ausgeschlossen in Bayern und in Baden, 
sowie in Sachsen-Weimar, in den meisten übrigen 
Staaten nur in beschränktem Maße zugelassen 
(alle im Strafprozesse gestatteten Rechtsmittel 
erklärt für zulässig Schwarzburg-Rudolstadt Grund- 
Gesetz v. 21. 3. 54 + 8). 
18. Strafen. I. Die im Fall einer Verurtei- 
lung des angeklagten Min zul erkennenden Stra- 
fen sind in den deutschen Gesetzgebungen ganz 
überwiegend nach Analogie der Dis- 
ziplinarstrafen bestimmt (vgl. oben §& 13 II 
und unten II). Sofern den Gegenstand der An- 
klage eine auch nach den allgemeinen Strafge- 
setzen strafbare Handlung bildet, soll allerdings 
laut einigen Landesrechten (Sachsen-Weimar 
revid. Grund G # 58, Oldenburg Vu ## 205 Fx 
Ziff. 2) der Gerichtshof auf die allgemeine 
gesetzliche Strafe erkennen, während 
durch andere Landesrechte die Zuständig- 
keit der ordentlichen Strafgerich- 
te hinsichtlich der konkurrierenden gemeinen oder 
Amtsverbrechen bezw. Vergehen teils generell 
(bayer. Gv. 4. 6. 48 a 13 sub 1; vgl. auch bad. 
Bu# 867c), teils wenigstens für den Fall, daß der 
  
Staatsgerichtshof eine weitere Strafe nicht aus- 
drücklich ausgeschlossen hat (sächs. VuU § 148 Abfs 2; 
württ. VU §5 203 Abs 2), vorbehalten ist. Durch die 
deutschen Reichsjustizgesetze aber 
sind die erwähnten Bestimmungen, sofern sie die 
Handhabung der allgemeinen Strafgesetze den 
ordentlichen Strafgerichten entziehen, hin- 
fällig geworden. 
II. Nur verhältnismäßig selten sind in den Be- 
stimmungen über Min Verantwortlichkeit den Mit- 
teln der niederen Disziplin analoge 
Ahndungen vorgesehen: so Verweis (Württ. Vu- 
§* 203 Abs 1, Koburg-Gotha StGG# ## 164) bezw. 
Mißbilligung (sächs. Vu §5 148 Abs 1); Geld- 
strafe (württ. VU); Suspension (württ. Vu, 
Koburg-Gotha). Fast allgemein findet sich die 
Entfernung aus dem Amte (sei es 
mit oder ohne Ruhegehalt) oder die Ent- 
lassung aus dem Staatsdienste 
oder die Dienstentsetzung angedroht (be- 
sonders bayer. G v. 4. 6. 48 a 9; sächs. Vu; württ. 
Vu bad. Vu #67 a Abs 4). Gar keine bestimmte 
Strafdrohung enthält das hefs. G v. 5. 7. 1821. 
Mit der Entfernung aus dem Amte bezw. aus dem 
Staatsdienste ist regelmäßig Unfähigkeit 
zur Wiederanstellung verbunden (bayr. 
Gv. 4. 6. 48 a 12 Abs 2 und bad. Vu §5 67 a 
Abs 5 in allen Fällen; sächs. VU § 150 und württ. 
Vu g 205, wenn kein entgegengesetzter Vorbehalt 
kudem Urteil des Staatsgerichtshofs ausgesprochen 
ist). 
# 19. Begnadigung. Insofern die Min Verant- 
wortlichkeit bestimmt ist, gegenüber der Unver- 
antwortlichkeit des Landesherrn ein Korrektiv zu 
bilden, erscheint wenigstens eine unbeschränkte 
Zulassung des landesherrlichen Be- 
genadigungsrechts für die Fälle, in denen 
ein Anklagerecht der Volksvertretung begründet 
bezw. zur Ausübung gelangt ist, als bedenklich. 
I. Eine Abolition (NI| der Min Anklage ist 
allerdings nur in einigen deutschen Ländern dem 
Landesherrn ausdrücklich untersagt 
oder ausdrücklich von der Zustimmung des Land- 
tags abhängig gemacht (sächs. Vu § 150; württ. 
VU# 8205; Sachsen-Weimar revid. Grund G # 59; 
Braunschweig Neue Landschafts O §s 111; Koburg- 
Gotha Grund GV #176 Abs 1; Reuß j. L. Staats GG 
*s 116); jedoch ist auch ohne solche ausdrückliche 
Bestimmung anzunehmen, daß, wenn überhaupt 
eine Befugnis des Landesherr, ohne Zustimmung 
des Landtags Untersuchungen niederzuschlagen, 
in dem betreffenden Landesrechte anerkannt ist, 
dieselbe doch nicht dazu benutzt werden darf, 
die Geltendmachung des der Volksvertretung ein- 
geräumten selbständigen Anklagerechts zu hem- 
men. 
II. Dagegen ist eine Begnadigung (im 
engeren Sinne) I/#1 eines infolge einer Min An- 
klage verurteilten Min für zulässig zu er- 
achten, soweit nicht eine aus drückliche Be- 
stimmung des Landesrechts entgegensteht. 
Von der Zustimmung des Landtags ist der Erlaß 
der rechtlichen Folgen der Verurteilung in mehre- 
ren kleineren Staaten (Sachsen-Weimar, Olben- 
burg, Koburg-Gotha, Reuß j. L.) abhängig ge- 
macht. Nach der bad. Vu #§ 67 a Abs 5 ist die 
Begnadigung nur auf Antrag oder mit Zustim- 
mung beider Kammern zulässig. Einen Antrag 
derjenigen Kammer, von welcher die Anklage aus-
	        
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