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Polizeiaufsicht — Polizeistunde
der P. entzogen haben, sollen im allgemeinen
nicht durch Veröffentlichungen gesucht werden;
wenn ein dringendes Interesse an ihrer Ermitte-
lung besteht, ist in Preußen dem Pol Präsidium
Berlin eine Nachricht für die Nachweisung gesuch-
ter Personen zu geben (Pr. Min E 26. 5. 06).
Besondere, im allgemeinen gleich inhaltliche,
Instruktionen der Landesbehörden, wie
bei der Ausführung der Is 38, 39 St GB zu ver-
fahren ist, sind erlassen in Preußen vom Min Inn
am 30. 6. 00, 30. 3. 07, 4. 5. 07, 14. 8. 08, in
Bayern vom Staats MinInn und der Justiz
am 13. 8. 08 (G und VBl für Bayern Nr. 56),
in Sachsen vom Min Inn am 15. 3. 10 (G und
Vl für Sachsen 1910, 39), in Württemberg
vom Min Inn am 17. 1. 72, in Baden vom Min
Inn am 11. 5. 83, in Hessen vom Min Inn am
12. 3. O1, in Braunschweig vom Staats Min
am 11. 11. 03 (G und VSammlung Nr. 70,
503), in Hamburg von der PolBehörde am
14. 11. 08.
8 5. Künftige Gestaltung. Es läßt sich kaum
leugnen, daß die P. in der jetzigen Form nicht
befriedigt. Ihrem Zwecke, weitere Straftaten
des Entlassenen möglichst zu verhüten, vermag
sie nur zu entsprechen, wenn sie energisch durch-
geführt wird, aber gerade scharfe polizeiliche
Kontrollmaßregeln hindern die Wiedergewinnung
der bürgerlichen Existenz und fördern unter Um-
ständen sogar den Rückfall. Diesen Erwägungen
trägt der Vorentwurf des neuen St GB Rechnung,
indem er an die Stelle der P. die Aufenthalts-
beschränkung setzt, auf die auch der moderne Ge-
setzgeber nicht verzichten kann. Das Weitere er-
gibt sich aus & 53 des Vorentwurfs, der lautet:
„Ist mit Rücksicht auf die Art der verübten straf-
baren Handlung oder die Person des Verurteilten
anzunehmen, daß dessen Aufenthalt an bestimm-
ten Orten mit einer besonderen Gefahr für einen
anderen oder für die öffentliche Sicherheit ver-
bunden sein würde, so kann neben der Zuchthaus-
strafe stets, neben einer Gefängnisstrafe von min-
destens einem Jahr in den im Gesetze besonders
bestimmten Fällen auf Zulässigkeit der Beschrän-
kung des Aufenthalts auf die Dauer von höchstens
fünf Jahren erkannt werden; die Zeit wird von
dem Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe
verbüßt, verjährt oder erlassen ist. — Die Landes-
polizeibehörde erhält hierdurch die Befugnis, nach
Anhörung der Gefängnisverwaltung dem Verur-
teilten an denjenigen Orten, wo jene Gefahr be-
steht, den Aufenthalt zu untersagen. — Ist gegen
einen Ausländer auf Zulässigkeit der Beschrän-
kung des Aufenthalts erkannt, so kann die Landes-
polizeibehörde innerhalb der im Urteile bemesse-
nen Frist den Verurteilten aus dem Reichsgebiet
ausweisen.“
Liüiteratur: Berner, im Gerichtssaal, 33, 321 ff;
Winter, Ueber die Nebenstrasen im Pr Verw Bl 22,
573; HWpr Verw" 1911, 2, 276 ff; v. Redwitz, Die
polizeilichen Maßnahmen des StGn, 19009, 54 ff; Fuhr,
Die Polizeiaufsicht nach dem Sta, 1888; Derselbe,
Strafrechtspflege und Sozialpolitik, 207; Schlichting-
Neckes, Entlassenenfürsorge, 8 Str W 28, 376 ff; Gold-
schmidt in der vergleichenden Darstellung des deutschen
und ausländischen Strafrechts, Abschn. Strasen, Allg. Teil, 4,
S 278 ff, 435 ff; F. van Calker, Verhandl. des 26. deutsch.
Juristentags, 2, 255; Binding, HB des Strafrechts,
1, 8F73° ; Aschaffen burg, Das Verbrechen und seine
Bekämpfung, S 188, 214; Frank, Stenß“ 62 ff; Ols.
hausen, Kommentar zum Sten“" 121 ff; Steng,
lein, Lexikon des Deutschen Strafrechts, 1900, 2, 1179 ff;
Kahl, Das neue StEh, 20; Aschrott, Die Schutz-
aussicht in dem neuen deutschen Strafrecht, 1912;
Kriegsmann, Einführung in die Gefängniskunde,
1912, 250 f.
7 Kriminalpolizei, Ausweisung.] RNoscher.
Polizeistunde
1. Begriff (Reichsrecht). 3 2. Landesrecht.
# 1. Begriff (Reichsrecht). P. ist die Stunde,
von der ab und bis zu der im polizeilichen In-
teresse die Schankwirtschaften geschlossen sein
müssen. In einem engeren und gebräuchliche-
ren Sinne versteht man unter P. nur die
Nachtstunde, über die hinaus die Schankwirt-
schaften nicht geöffnet sein dürfen (Feierabend,
Schlußstunde, Sperrstunde).
In diesem engeren Sinne ist die P. Gegen-
stand des Reichsrechts. Nach § 365 StGB wird
derjenige, welcher in einer Schankstube oder an
einem öffentlichen Vergnügungsorte über die
gebotene P. hinaus verweilt, ungeachtet der
Wirt, sein Vertreter, oder ein Pol Beamter ihn
zum Fortgehen aufgefordert hat, mit Geldstrafe
bis zu 15 Mk. bestraft. Auch der Wirt, welcher das
Verweilen seiner Gäste über die gebotene P.
hinaus duldet, verwirkt Geldstrafe bis zu 60 Mk.
oder Haft bis zu 14 Tagen (St GB K# 365). Diese
reichsgesetzliche Strafandrohung gegen die Ueber-
tretung der P. im engern Sinne macht die Ma-
terie zu einer ausschließlich reichsrechtlichen. Das
hat zweierlei Bedeutung. 1. Indem das Stn#
zwar nur die Uebertretung der „gebotenen“ P.
mit Strafe bedroht, die Festsetzung der P. aber dem
Landesrecht vorbehält, wird diese durch das Lan-
desrecht erfolgende Festsetzung selbst zu einem
Bestandteil des Reichsrechts gemacht. 2. Die
Festsetzung der P. durch die Gesetzgebung oder
PolGewalt der Einzelstaaten ist nur innerhalb
des Rahmens des in & 365 StGB gegebenen
Vorbehalts zulässig. Dieser begrenzt die An-
wendbarkeit der P. räumlich und persönlich.
a) Räumlich ist die P. nur anwendbar auf
Schankstuben und öffentliche Vergnügungsorte.
Unter Schankstuben sind nur solche Räume zu
verstehen, in denen tatsächlich das Gewerbe der
Schankwirtschaft betrieben wird. Dazu gehören
an sich auch die Restaurationslokale der Eisen-
bahnen (vgl. jedoch unten II). Der Begriff des
öffentlichen Vergnügungsortes ist nur dann ge-
geben, wenn einerseits eine individuell unbe-
grenzte Anzahl von Menschen Zutritt hat, an-
dererseits aber auch hinsichtlich der Oertlichkeit
irgendwelche, wenn auch nur zeitweilige Herrich-
tungen zum Vergnügen der Besucher getroffen
sind. Daher ist einer geschlossenen Gesellschaft
gegenüber die P. nicht zur Anwendung zu bringen,
selbst wenn sie in sonst öffentlichen Schankstuben
abgehalten werden, die nicht zu der Gesellschaft