Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
16 Oldenburg 
  
ment übergeben, das als besonderes Fürstentum 
Birkenfel d getrennt von den andern Ländern 
verwaltet wurde. Auf Grund des a 34 der Wiener 
Kongreßakte nahm der Herzog Paul Friedrich 
August bei seinem Reg Antritt durch Patent v. 
28. 5. 1829 den Titel eines „Großherzogs“ an. Un- 
ter diesem Herrscher geschah im Zusammenhang 
mit der Bewegung von 1848 der Eintritt des Groß- 
herzogtums in die Reihe der konstitutionellen 
Staatswesen, der vom Landesherrn selbst schon 
vorher beabsichtigt, aber durch auswärtige Ein- 
flüsse gehemmt war. Seltsamerweise hatten die 
oldenb. Stammlande niemals eine ständische Ver- 
fassung gehabt. Durch Patent v. 10. 3. 48 wurde 
ein Vorparlament berufen, das die allgemeinen 
Grundsätze für die Verfassung und die Wahlord- 
nung für den zu berufenden Landtag mit der 
Krone vereinbaren sollte. Am 29. 8. 48 trat der 
erste Landtag in O. zusammen und unter dem 
18. 2. 49 wurde das von beiden gesetzgebenden 
Faktoren vereinbarte Staatsgrundgesetz 
publiziert. Auf das Drängen der reaktivierten 
Bundesversammlung einigte man sich über eine 
Revision der Verfassung, die unter dem 22. 11. 52 
als „revidiertes Staatsgrundgesetz“ verkündet 
wurde. Unter der Regierung des Großherzogs 
Nikolaus Friedrich Peter (1853—1900) wurde 
durch eine Vereinbarung mit den Bentinckschen 
Agnaten v. 13. 4. 54 die Herrschaft Kniphausen 
ein integrierender Bestandteil des oldenb. Staats- 
gebiets. Andrerseits wurde durch einen Vt v. 
20. 7. 53 im gemeindeutschen Interesse das 
Jahdegebiet an Preußen abgetreten. Im Bünd- 
nis Vt v. 18. 8. 66 verpflichtete sich O. zur Mit- 
wirkung bei der Aufrichtung des Nordd. Bundes 
und erhielt von Preußen durch Vt v. 27. 9. 66 
zur Abfindung wegen angeblicher Ansprüche des 
Großherzogs auf Schleswig-Holstein die Abtre- 
tung einiger Bezirke zur angemessenen Arrondie- 
rung des Fürstentums Lübeck. Die Verfassung des 
Nordd. Bundes wurde durch Patent v. 24. 6. 67 
als Landesgesetz publiziert. Durch Abschluß der 
Militärkonvention v. 15. 7. 67 ließ O. sein Bundes- 
kontingent in der preußischen Armee aufgehen 
und übertrug im Vt v. 4. 12.67 dem Bundesprä- 
sidium die ihm verbliebenen Anstellungsrechte 
gewisser Post= und Telegraphenbeamten. Die 
gegenwärtige Regierung des Großherzogs Fried- 
rich August brachte namentlich eine Steuerreform, 
die Einführung einer Verwerichtsbarkeit, eine 
Demokratisierung des Wahlrechts zum Landtag, 
Ausgestaltung der Fürstentümer zu Kommu- 
nalverbänden und eine Neuordnung des Schul- 
wesens. 
§+ 2. Das Verhältnis der drei Gebietsteile 
zu einander. Im Großherzogtum O. war die 
Verschmelzung der drei Landesteile zu einem 
einheitlichen Staatsgebiet noch nicht erreicht, als 
der Eintritt in das konstitutionelle Staatsleben 
geschah und damit der bestehende Rechtszustand 
in bezug auf die Trennung der Länder im StE#u#- 
seine Anerkennung fand, so daß er sich bis heute 
erhalten hat. Obgleich die Verfassung entschieden 
die Unteilbarkeit des Staates betont, macht sich 
doch die räumliche und historische Trennung der 
verschiedenen Gebiete noch soweit in der Verfas- 
sung bemerkbar, daß man die drei Gebiete wohl 
am besten als „Länder“ in dem technisch-juristischen 
Sinne bezeichnet. daß sie zwar erst in ihrer Zu- 
  
sammenfassung ein allen Kriterien des Staates 
genügendes Ganze ausmachen, andrerseits aber 
doch jedes für sich staatsrechtlich eine andere Rechts- 
stellung hat wie bloße Provinzen, die räumlich 
getrennt sind. Freilich kennt das rev. StG nur 
noch einen beschließenden Landtag. Im- 
merhin bestimmt aber a 195, daß die Einkünfte der 
drei Landesteile getrennt verwaltet und grund- 
sätzlich nur zu den Ausgaben der betr. „Provinz“" 
verwendet werden sollen. Nur für gewisse Ge- 
samtausgaben des Großherzogtums sollen die 
einzelnen Länder beitragen, und zwar nach einem 
prozentualen Maßstab, der von 6 zu 6 Jahren 
nachgeprüft und unter Berücksichtigung der 
Steuerkräfte sowie des Domanialvermögens even- 
tuell neu geordnet werden soll. (Gegenwärtig 
zahlt das Herzogtum O. 79 ½00, Lübeck. 13% und 
Birkenfeld 7 ½00.) Diese Gesamtausgaben sind 
in a 195 5+ 4 St G einzeln aufgezählt, mit einer 
elausula generalis, nach der alle solche Gegenstände 
hinzutreten sollen, die außerdem im Wege der 
Gesetzgebung für gemeinsam erklärt werden. 
Außer der getrennten Finanzwirtschaft der drei 
Landesteile haben aber die Fürstentümer noch 
ihre besonderen parlamentarischen Organe, die 
weder die Rolle von kommunalen Vertretungen 
haben, noch direkt Organe des Gesamtstaates sind. 
In diesen sog. „Provinzialräten“ lebt der Ge- 
danke des besonderen „Landesparlaments“ für 
die Fürstentümer fort. Ohne ihren Beirat dürfen 
Gesetze oder Staatsverträge, die allein oder vor- 
zugsweise Angelegenheiten der „Provinz“ be- 
treffen und nach den Bestimmungen des Ste 
der Mitwirkung des Landtags unterliegen, weder 
erlassen und abgeschlossen, noch verändert oder 
aufgehoben werden. Namentlich sind die Pro- 
vinzialräte gutachtlich an der Aufstellung des 
Spezialetats für das betr. Fürstentum und an der 
Entlastung beteiligt. Außerdem hat der Provin- 
zialrat das Recht, in allen die Interessen der Pro- 
vinz betreffenden Angelegenheiten Anträge und 
Beschwerden auch an die Staatsregierung oder 
den Landtag gelangen zu lassen. Erst in aller- 
jüngster Zeit sind die Fürstentümer auch zu großen 
Kommunalverbänden konstituiert und die Provin- 
zialräte fungieren dafür als „Landesausschuß“. 
Jeder der 3 Landesteile hat seine besondere 
Landeskirche (vgl. 8 14). 
z 3. Der Landesherr (Thronfolge, Stellver- 
tretung). 
I. In der Person des Großherzogs sind alle 
Reg Rechte vereinigt, der Großherzog ist selbst un- 
verantwortlich, muß sich aber für die Ausübung 
seiner obersten Gewalt der Mitwirkung der ober- 
sten Staatsbehörde d. h. des Staats Min bedienen 
und kann nur unter dessen Mitwirkung seine 
Reg Tätigkeit ausüben. Nur die Ernennung und 
Entlassung eines Ministers kann ohne Gegenzeich- 
nung geschehen. Bei der Gesetzgebung bedarf es 
-der Mitwirkung des Landtags, nach erfolgter 
Sanktion besteht eine staatsrechtliche Pflicht zur 
Publikation, bei Ablehnung eines Gesetzentwurfs 
im Parlament muß der Großherzog spätestens im 
Landtagsabschied die Gründe für die Ablehnung 
erklären. Der Großherzog erläßt die zur Aus- 
führung der Gesetze notwendigen Verordnungen, 
unter gewissen verfassungsmäßigen Voraussetzun- 
gen auch Notverordnungen. Die einzige Schranke 
für das die Abolition (7] mitumfassende Begna- 
 
	        
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