Epochen. Der ersten lagen zugrunde die sog.
Freundschafts Bt v. 3./5. 6. 77 und 24. 1. 79:
alle Rechtsnormen für die auf Samoa ansässigen
Deutschen werden gemeinsam vom deutschen Kon-
ful und den Beamten der „samoanischen Regie-
rung" festgesetzt und vom Deutschen Reiche be-
stätigt. Durch gleiche Verträge wurde das Ver-
hältnis Samoas zu England und Nordamerika
festgelegt. Die zwischen diesen beiden Mächten
und Deutschland geschlossene Samoa-Generalakte
v. 14. 6. 89 schuf dann das sog. „gemeinsame
Protektorat“. Endlich brachten der deutsch-eng-
lische Vi v. 14. 11. 99 und das deutsch-englisch-
amerikanische Abkommen v. 2. 12. 99 (Kolon Gg
1, 656) die Inseln Upolu, Sawai und alle anderen
westlich des 171. Längengrades von Greenwich
elegene Inseln in den alleinigen Besitz des
Deulschen Reiches, d..h. durch die Verzichtserklä-
rungen der übrigen bisher beteiligten Kolonial-=
mächte entstand für Deutschland ein ausschließ-
licher Rechtstitel zur Okkupation der herrenlosen
Gebiete. Die Okkupation erlangte Effektivität
durch die tatsächliche Einrichtung der deutschen
Verwaltung auf den Inseln.
b) Durch Staatsvertrag (Abtre-
tung) wurden vom Deutschen Reich erworben:
ein Küsten strich von Ostafrika und die
Insel Mafia vom Sultan von Sansibar durch
Vt v. 27./28. 10. 90; ferner: die Karolinen,
Palau und Marianen durch Vt mit
Spanien v. 12. 2. und 30. 6. 99.
Ueber den Erwerb Kiautschous JI Bd. II,
S505. Vgl. ausführlich neuestens Hövermann,
Kiautschon, Bedeutung und Recht seiner Erwer-
bung. Diss. Bonn 1913.
5 3. Schutzgewalt und Schutzgebiet; Staatsan-
gehörigkeit in den Kolonien.
I. Die Ausdrücke „Schutzgewalt“ und „Schutz-
gebiet“ entstammen den Kinderjahren der deut-
schen Kolonialpolitik und werden ohne jede
innere Berechtigung von der Gesetzes= und Amts-
sprache beibehalten. Was zu einer Zeit, da das
Reich die ihm über seine überseeischen Neuerwer-
bungen zustehende Gewalt nicht selbst ausübte,
sondern Kolonialgesellschaften mit staatlichen Ho-
seitsrechten qucad exercitium ousstattete (der
og. „Schutzbrief“ Kaiser Wilhelms I. v. 27. 2. 85
z. B. gab solche Rechte der „Gesellschaft für deutsche
Kolonisation“ und nahm die von ihr besetzten
Länderstrecken unter die „Oberhoheit“ des Reiches
und „in kaiserlichen Schutz“), für das Verhältnis
zwischen Reichsstaatsgewalt und Kolonialherr=
schaft, Reichsgebiet zu Kolonialgebiet als zu-
treffende Bezeichnung gelten mochte, trifft heute
nicht mehr zu und gibt nur zu Mißverständnissen
über die Grundlagen des kolonialen Staatsrechts
Veranlassung. Nach herrschender Meinung charak-
terisiert sich die Schutzgewalt als volle
Staatsgewalt des Reiches, welche
durch Rechte der Häuptlinge (Gerichtsbarkeit über
Eingeborenen u. a.) in keiner Weise beschränkt
sind. Die Gesamtheit der Häuptlinge stellt nur
eine privilegierte Untertanenklasse dar. Die ihnen
gewährten Rechte können ihnen jederzeit vom
Reiche entzogen werden. Dem Umfang nach er-
streckt sich die Kolenialstaatsgewalt auf das ganze
Gebiet der einzelnen Kolonie in gleichmäßiger
Stärke (J Interessensphären) und auf alle in dem
Gebiet sich aufhaltenden Personen.
Schutzgebiete (I. Grundlagen der Verwaltung)
393
—. — — — —— .—
Da die „Schutzgewalt“ nach Inhalt und Um-
fang volle Staatsgewalt ist, welche auch die volle
Gebietshoheit des Reichs über die sog. Sch G in
sich schließt, so ergibt sich, daß die Sch G sowohl
völkerrechtlich wie staatsrechtlich Inland sind.
Da aber kein verfassungsänderndes Reichsgesetz
ergangen ist, das sie in a 1 RV ausgenommen
hätte, so grhören sie nicht zum „Bundesgebiet“
im Sinne der Reichsverfassung. Daraus ergibt
sich folgendes:
1. Die Reichsverfassung und alle auf
Grund derselben erlassenen Reichsgesetze
gelten grundsätzlich in den Kolonien nicht, soweit
sie nicht ausdrücklich für die Kolonien miterlassen
oder durch spätere Gesetzgebung noch nachträglich
eingeführt sind; nach herrschender Ansicht gelten
ausnahmsweise gewisse Sätze der Reichsverfassung
nicht nur personell (a 57: Wehrpflicht der Reichs-
angehörigen), sondern auch territorial, weil diese
Geltung aus dem Grundsatz der Einheit der Staats-
gewalt für den jeweiligen Bereich des der
deutschen Reichsstaatsgewalt unterstehenden Ge-
bietes gefolgert werden müsse. Zu diesen Normen
mit notwendig alle Reichsterritorien umfassendem
Geltungsbereich wird z. B. gerechnet der a 11 RK Vi:
Da die völkerrechtliche Vertretung des deutschen
Gesamtstaatswesens für den ganzen jeweiligen
Herrschaftsbereich der deutschen Reichsstaatsgewalt
nur einem Reichsorgan einheitlich zustehen
könne, so müsse der Kaiser auch für das gesamte
Kolonialgebiet Organ der völkerrechtlichen Ver-
tretung sein. a 11 ist in den Kolonien mit dem
Augenblick ihrer Einverleibung in das deutsche
Staatswesen in Kraft getreten.
2. StaatsverträgelssIsgelten für die Ko-
lonien nur, soweit dies bei ihrem Abschluß aus-
drücklich bestimmt oder ihre Wirksamkeit nachträg-
lich auf die Kolonien ausgedehnt wurde (unten 3821).
3. Der Begriff „Auslan“ ist sonach,
wo er sich in Reichsgesetzen findet, grundsätzlich
auf die Kolonien nicht anwendbar. Die Kolonien
werden jedoch ausdrücklich oder stillschweigend
vielfach als „Ausland“ behandelt. So können
sie im Sinne des einen Reichsgesetzes als „In-
land“, im Sinne eines anderen als „Ausland",
ja manchmal im Sinne desselben Reichsgesetzes
einmal als „Inland“, das andere Mal als „Aus-
land“ angesehen werden. Zu welchem Ergeb-
nisse man hier im einzelnen Falle gelangt, da-
für lassen sich allgemeine Grundsätze nur schwer
aufstellen; insbesondere wird der Richter und
VerwBeamte jedesmal die ratio logis zu prüfen
und danach zu handeln haben.
Ganz allgemein läßt sich feststellen, daß auf dem
Gebiete des Staats= und Verwzechts die Kolonien
meist als „Ausland“ behandelt werden, während
auf dem Gebiete der Rechtspflege (der Weißen)
das Umgekehrte der Fall ist.
v. Poser und Groß-Naedlit, Die rechll.
Stellung der deutschen Sch G, 1903:; Sassen, Die stoats-
rechtliche Natur der deutschen Sch G, 8Z f. Kol.-Pol. 1906,
594 f (615 Grundsätze über „Ausland“); Sabersky,
Der koloniale Inlands- und Auslandsbegriff, 1907; Giese.
Zur Geltung der Reichsverfassung in den deutschen Ko-
lonien (Aus der Festgabe für Paul Krüger), 1911; v. Böck.-
mann, Die Geltung der Reichsverfassung in den dent-
chen Kolonien, 1912; v. Stengel, 8Z f. Kol.-Pol.,
1912, S 81, 120 Romberg, 3Z f. Kolonialrecht, 1913,
65f.