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1. „in den gesetzlich bestimmten Fällen“, d. h. überall da,
wo ein Gesetz dazu ermächtigt. Dieses Recht des Gesetzgebers
wird nicht erst durch 8 31 der VU. festgestellt; es existirt schon
nach § 27 und ist ganz unbeschränkt. Der Werth des § 31 liegt
in diesem Fall nur in der Entschädigungspflicht; in dieser Hin-
sicht bildet § 31 einen Zusatz zu § 27 und die Entschädigungs-
pflicht kann durch das Gesetz nicht beseitigt werden.
Der Gesetzgeber kann seine Ermächtigung für jeden spe-
ziellen Staatszweck nicht blos in concreto, sondern auch im Allge-
meinen ertheilen. Solche spezielle Expropriationsgesetze sind in
großer Zahl vorhanden s. dieselben bei Häpe S. 14 flg.
2. wenn Ermächtigung durch Gesetz nicht vorliegt, dann ist
die Expropriation nur zulässig „in den durch dringende Noth-
wendigkeit gebotenen, von der obersten Staatsbehörde zu bestim-
menden Fällen". Das Gesammtministerium hat ohne Zweifel
nur das Recht, für einen in conereto vorliegenden Zweck zur
Expropriation zu ermächtigen, nicht aber im Allgemeinen für
künftige Fälle einer gewissen Art Der Grund der Expropriation
liegt hier einzig und allein in ihrer dringenden Nothwendigkeit
und das Gesammtministerium hat nur die Aufgabe, darüber zu
entscheiden, ob das staatliche Interesse dringend fordert, daß für
den bestimmten Zweck nach Lage der thatsächlichen Verhältnisse
Expropriation zugelassen werde, ob also der Zweck so bedeutend
und seine Erreichung in so hohem Maße nothwendig ist, daß das
Opfer des Einzelnen dafür verlangt werden kann. Der Ausdruck
dringend hat hier nicht zeitliche Bedeutung.
IV. Es wäre unrichtig, aus § 31 der Vll. den Schluß zu
ziehen, daß andere Eingriffe des Staats in die Sphäre des Ein-
zelnen als die Expropriation schlechthin ausgeschlossen, also nur
im Wege der Verfassungsänderung möglich seien Der allgemeine
§ 27 behält neben § 31 sein volles Recht. Die Ermächtigung zu
solchen Eingriffen könnte aber nur vom Gesetzgeber ertheilt und
auch die Entschädigungsfrage nur durch das Gesetz geordnet
werden. 8§ 31 enthält zwar ein allgemeines, weit über die Ex-
propriation im Sinne dieses § hinausgehendes Prinzip; eine recht-
liche Forderung, dasselbe anzuwenden, spricht er aber nur für die
Expropriation aus.