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erheben, auch wenn sie der Meinug sind, die Verfassung sei ver-
letzt. Sie können sie aber immer erheben, wenn sie dieser Mei-
nung sind. Daß sie es erst mit andern Mitteln versuchen müssen,
insbes. mit der Verfassungsbeschwerde, wird formell nicht gefor-
dert. Dennoch ist die Ministeranklage gar nicht denkbar, wenn
nicht der König sich auf die Seite des Ministers stellt und den
Ständeu ein Einschreiten gegen denselben verweigert. Es muß
ein Verfassungsconflict zwischen den Ständen und der Regierung
als solcher vorliegen. In der Form des Strafverfahrens soll
dieser Conflict gelöst werden.
7. Endlich dient dem Zweck der Lösung eines Verfassungs-
conflcts direct das in § 153 der Vll. eröffnete Mittel der Ent-
scheidung eines Streits zwischen Regierung und Ständen über
die Auslegung einzelner Punkte der Verfassungsurkunde durch den
Staatsgerichtshof. Weitere Bestimmungen enthält das Gesetz von
1838 (s. zu 6.) §§ 47—53. Voraussetzung ist, daß dieser Streit
nicht durch „Uebereinkunft zwischen der Regierung und den Stän-
den“ beseitigt wird. Natürlich bedarf es dazu nicht einer förm-
lichen „Uebereinkunft“; sobald der Streit auf irgend eine Weise
verschwindet, liegt keine Veranlassung zu der Entscheidung des
Staatsgerichtshofs mehr vor. Das Verfahren besteht nach der
Verfassung darin, daß sowohl Regierung als Stände dem Staats-
gerichtshof eine Deduction übergeben, welche gegenseitig mitge-
theilt und je in einer zweiten Schrift beantwortet werden. Diese
beiden Schriften werden als jedem Theil „freistehend“ bezeichnet.
Demgemäß findet nach dem Gesetz von 1838 das Verfahren auch
statt, wenn nur ein Theil (einerlei welcher) die Deduction über-
geben hat, und wenn die Beantwortungsschrift von einer oder von
beiden Seiten ausgeblieben ist. Die Deduction aber muß offenbar
wenigstens von einer Seite gekommen sein. Auch der Zusammen-
tritt des Staatsgerichtshofs für diesen Zweck, von dem § 153 und
das Gesetz von 1838 ganz schweigt, kann offenbar von jedem der
beiden Theile veranlaßt werden, und es muß in dieser Hinsicht
§ 145 der Vl. zur Anwendung kommen, wonach der Zusammen-
tritt des Staatsgerichtshofs entweder durch einen vom Justiz-
minister kontrasignirten Befehl des Königs oder durch eine gemein-
same Aufforderung der beiden Kammerpräsidenten an den Präsi-