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Dualismus von Regierung und Ständen in das Gericht selbst
hineinzutragen. Damit beweisen sie, daß sie eigentlich nur die
Ueberwindung dieses Dualismus beabsichtigen und daß sie gerade
dazu nicht taugen. Insofern allerdings ist der Dualismus über-
wunden, als im Fall der Ministeranklage bei Stimmengleichheit
die dem Angeklagten günstigere Meinung gilt, während beim Ver-
fassungsstreit in diesem Fall die Stimme des Präsidenten ent-
scheidet. Dies ist aber, so richtig es im Lichte des Staatsgedankens
ist, vom Standpunkt des Dualismus aus das einseitige Ueber-
gewicht des einen Factors, nicht eine innerliche Ueberwindung.
Was insbes. den Verfassungsstreit betrifft, so kann man
sagen, daß der Weg des § 153 überflüssig ist, wo er noch helfen
könnte, und nicht mehr helfen kann, wo man seiner bedürfte. Ist
einmal der Verfassungskonflict da, dann handelt es sich um einen
politischen Streit, der nicht in der Form eines Streits über die
Auslegung eines Verfassungsparagraphen entschieden werden kann.
Ebensowenig aber in der Form eines strafrechtlichen Ver-
fahrens; die Ministeranklage ist nur der Schein eines solchen.
Das ordentliche Strafgericht behält prinzipiell seine Zuständigkeit
hins. derselben Handlung, welche Gegenstand der Ministeranklage
ist (nach der Sächs. Verfassung § 148 konnte allerdings durch
den verurtheilenden Staatsgerichtshof ein weiteres Strafverfahren
ausgeschlossen werden; das war aber doch nur die Ausnahme von
der erklärten Regel und enthielt einen auf besondrer prinzip-
widriger Ermächtigung beruhenden Eingriff in die Strafgerichts-
barkeit). Es geht auch aus der Strafgewalt des Staatsgerichts-
hofs hervor, daß nicht die Bestrafung einer strafbaren Handlung
den Zweck ausmacht; man denke: Mißbilligung oder Entlassung
vom Amt wegen „Umsturz der Verfassung“! Diese Anklage wegen
„Umsturzes der Verfassung“ ist allerdings ganz unpractisch; denn
wenn der Umsturz gelingt, wo sind dann die Stände? und wenn
er nicht gelingt, wo ist der anzuklagende Minister? Aber auch
bei der Anklage wegen Verletzung einzelner Punkte der Verfassung
ist von einer wirklichen Strafgerichtsbarkeit keine Rede. Die Rolle,
die dabei den Ständen zufällt, kann man weder unter die eines
öffentlichen Anklägers bringen — sie sind niemals zur Anklage
verpflichtet, können sie immer wieder fallen lassen —, noch unter