Full text: Grundriß des Staatsrechts des Königreichs Sachsen.

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Hiernach bestimmt also § 20, daß jeder Sächsische Staats- 
angehörige aus einer ausgenommenen christlichen Kirche austreten 
und in jede andere Kirche oder Religionsgesellschaft eintreten oder 
auch confessionslos bleiben kann, wenn er 21 Jahre alt geworden 
ist. Sein Austritt wird aber rechtlich erst wirksam, wenn er ihn 
seinem ordentlichen Richter persönlich zu Protocoll erklärt und 
dabei glaubhaft nachgewiesen hat, daß er dem Pfarrer seiner 
Parochie vier Wochen vorher die Absicht auszutreten zu erkennen 
gegeben hat. Das Recht in eine andere Religionsgesellschaft oder 
Kirche einzutreten ist aber nicht aufzufassen als ein Recht gegen 
diese letztere selber, sondern nur als staatliche Zulassung oder 
Nichtverhinderung. Da nun aber bei Verabschiedung des Gesetzes 
von 1870 die durch § 20 beseitigte Beschränkung nur als Be- 
schränkung der einer recipirten christlichen Kirche Angehörigen auf- 
gefaßt wurde, so folgt, daß der Austritt aus einer sonstigen Re- 
ligionsgesellschaft ohne oder mit Eintritt in eine Kirche oder 
Religionsgesellschaft Jedem freisteht; und da hierfür gesetzliche 
Vorschriften überhaupt sich nicht finden, so folgt weiter, daß der 
Austretende an die oben bemerkte Bedingung des Austritts aus 
einer recipirten Kirche nicht gebunden ist. Nur die Voraussetzung 
des 21 sten Jahres muß auch hier gelten. Und eben diese Vor- 
aussetzung muß ferner auf jeden selbständigen Eintritt in eine 
Kirche oder Religionsgesellschaft Anwendung finden (also auch für 
solche, welche einer Kirche oder Religionsgesellschaft überhaupt nie 
angehört haben). Andere staatliche Bedingungen für den Eintritt 
als solchen giebt es nicht. 
Die selbständige Wahl irgend einer Confession oder auch der 
Confsessionslosigkeit kommt also, ohne Rücksicht auf jede Familien= 
stellung, jedem Sächsischen Staatsangehörigen zu vom vollendeten 
21 sten Jahre an, mit der einzigen Beschränkung, daß der Austritt 
aus einer recipirten christlichen Kirche an die oben bemerkte 
Voraussetzung geknüpft ist. 
Abs. 2 des § 20 spricht von der religiösen Erziehung der 
Kinder. Abs. 2 lautet ganz allgemein; aber die Interpretation 
würde doch zunächst dahin führen, ihn nur zu beziehen auf den 
Fall, auf welchen sich auch Abs. 1 und Abs. 3 allein beziehen, 
nämlich auf den Fall, wo die Eltern austreten aus einer recipirten 
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