Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 73. Die Organe der Gemeindeverwaltung. 231 
irgend eine Vermögens- oder Einkommenssteuer oder wenigstens Wohnsteuer an die Ge- 
meinde entrichten, oder wenn sie gefordert würde, zu entrichten hätten. Gemeindebürger, 
welche nicht in der Gemeinde wohnen, haben nur dann das Wahlrecht, wenn sie in der 
Gemeinde mit Staatssteuer aus Grundeigenthum, Gebäuden oder Gewerben im Mindest- 
betrag von 25 Mk. veranlagt sind ¹). 
Ausgeschlossen sind (zeitweise): 
α) die oben S. 97 II lit. a—-e aufgeführten Kategorien von Personen; 
β) diejenigen, welche, obwohl vier Wochen vorher speziell gemahnt, mit Bezahlung 
der vorhin genannten Gemeindesteuern aus einem der letztvorangegangenen drei 
Rechnungsjahre mehr als 9 Monate nach Ablauf des Rechnungsjahrs, in welchem 
sie fällig wurden, noch im Rückstand sind, auch keine Stundung dafür erhalten 
haben; 
γ) diejenigen, welche wegen Nichterfüllung der oben dargestellten gemeindebürgerlichen 
Pflichten nach wiederholten fruchtlosen Ungehorsamstrafen und vorgängiger An- 
drohung nach §§ 15 u. 18 des G.A. G. des ihnen übertragenen Amts und auf 
den Zeitraum, für welchen dasselbe zu versehen war, der gemeinderäthlichen Wahl- 
und Wählbarkeitsrechte für verlustig erklärt worden sind. 
Das Wahlrecht kann nur in Person ausgeübt werden ²). 
Wählbar ist jeder Gemeindebürger, einschließlich der Ehrenbürger, welchem das 
aktive Wahlrecht zusteht; auch bezüglich der Ausschließung gilt daher das oben angeführte, 
nur begründet die Zuchthausstrafe auch ohne die Aberkennung der Ehrenrechte den dauernden 
Verlust der Wählbarkeit ³). 
Die Wahlkommission ⁴) bildet der Ortsvorsteher, der nach der Sitzordnung erste 
Gemeinderath, und der Obmann des Bürgerausschusses ⁵). Die Kommission für die Wählerlisten 
dagegen besteht aus dem Ortsvorsteher, dem Gemeindepfleger (s. u.), dem Obmann des Bürger- 
ausschusses und dem Rathschreiber. Die Wählerliste muß wenigstens acht Tage vor dem Wahl- 
tage vollendet sein und einige Tage auf dem Rathhause oder in einem andern geeigneten Lokale 
aufgelegt werden. Dies ist in der Gemeinde öffentlich bekannt zu machen und hierbei zugleich die 
Frist für Einsprachen gegen die Wählerliste zu bestimmen. Ueber etwaige Einsprachen, welche 
bei dem Gemeinderath vorzubringen sind, entscheidet der letztere so schnell als möglich, jedenfalls 
noch vor dem Schlusse der Wahlhandlung. Beschwerden gegen die Entscheidung schieben die Vor- 
nahme der Wahlhandlung nicht auf, vielmehr ist für die Zulassung zur letzteren das Erkenntniß 
derjenigen Behörde maßgebend, welche vor dem Schlusse der Wahlhandlung zuletzt entschieden hat ⁶). 
Die Abstimmung erfolgt geheim. Jeder Wähler hat persönlich einen Stimmzettel in 
die Wahlurne niederzulegen, auf welchem so viele Personen zu bezeichen sind, als gewählt werden 
sollen. Die abstimmenden Wahlmänner werden vorgemerkt. Stimmt an dem Wahltag nicht 
mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ab, so ist von der Wahlkommission unter Angabe der 
Zahl der abgegebenen Stimmen zur Fortsetzung der Wahl ein neuer Termin anzuberaumen ⁷). 
Nach Ablauf desselben ist die Wahl ohne Rücksicht auf die Zahl der abgegebenen Stimmen giltig. 
Die Stimmzettel dürfen erst nach beendigter Abstimmung (also wenn in zwei Terminen gewählt 
wird, nach Ablauf des zweiten) geöffnet und gezählt werden. Bei jeder Unterbrechung der Wahl 
oder der Stimmenzählung sind die Stimmzettel von der Wahlkommission für die Dauer ihrer 
1) G.A.G. Art. 12 u. bezüglich der zusammengesetzten Gemeinden: Art. 13; wahlberechtigt 
und wählbar (s. u.) sind hiernach auch unselbständige Personen und Militärpersonen. 
2) A. a. O. Art. 12 Abf. 2. 
3) Während das Wahlrecht nur verloren geht in Folge der Aberkennung der Ehrenrechte. 
Str. G. B. § 31 vgl. m. § 34 Z. 4 u. Art. 12 u. 14 Z. 2 vgl. m. Art. 18 des G. A.G. 
4) In Stadtgemeinden von mehr als 10.000 Einwohnern kann die Vornahme der Wahl- 
handlung in mehreren Räumlichkeiten vor besonderen Wahlkommissionen angeordnet werden. S. 
hierüber Art. 23² der Verw.Nov. v. 1891. · 
5) Art. 10 des Ges. v. 6. Juli 1869. Bezüglich des Stellvertreters des Obmanns des 
Bürgerausschusses vgl. Art. 10 der Verw.Nov. v. 1891, § 7 der Vollz. Verf. v. 18. Nov. 1891. 
6) Art. 9, Abs. 3 u. 4 des Ges. v. 6. Juli 1849; Min. Erl. v. 23. Juli 1849 u. Vollz.Verf. 
vom 7. Okt. 1885. (Fleischhauer, Beil. Nr. 4.) 
7) In Stadtgemeinden von mehr als 10.000 Einwohnern kann diese Vorschrift durch Orts- 
statut außer Kraft gesetzt werden, Art. 22 der Verw.Nov.
	        
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